Nein, der Scharfschütze "Wali" wurde nicht nach 20 Minuten seines ersten Einsatzes in der Ukraine getötet
Hunderte User haben Mitte März die Behauptung auf Facebook geteilt, dass der kanadische Scharfschütze "Wali" nur 20 Minuten nach seiner Ankunft im ukrainischen Mariupol von russischen Soldaten getötet worden sei. Das ist aber falsch. "Wali" hat dieser Behauptung in mehreren Videointerviews selbst widersprochen. Auch auf seiner Facebookseite wurde sein Tod damals und auch aktuell dementiert.
Hunderte User teilten die Behauptung um den 15. März 2022 auf Facebook (hier, hier). Auf Telegram erreichte die Erzählung mehr als hunderttausend User.
Unter den bekanntesten deutschsprachigen Verbreitenden dieser Behauptung ist Alina Lipp, eine Bloggerin, die AFP mit ihrem Telegramkanal "Neues aus Russland" bereits mit Falschinformationen zum Ukrainekrieg mehrfach aufgefallen (hier, hier) ist. Ihre Arbeit bezeichnen deutsche Medien als Propaganda für Putins Krieg (hier, hier).
Die Behauptung: Fast wortgleich heißt es in den Facebook-Postings: "Gerüchten zufolge soll der kanadische Scharfschütze Wali, der den Spitznamen 'tödlichster Scharfschütze der Welt' trug, tot sein. Er soll nur 20 Minuten nach seiner Ankunft in Mariupol durch russische Spezialeinheiten ausgeknipst worden sein."

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 kursieren immer wieder falsche Informationen über einzelne Kriegshandlungen. Dabei werden auch Narrative bedient, die die wirtschaftliche oder militärischeStärke Russlands bekräftigen sollen. AFP hat Faktenchecks zum Ukraine-Krieg hier gesammelt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach dem Einmarsch der russischen Armee Freiwillige dazu aufgerufen, sich den ukrainischen Streitkräften anzuschließen. Freiwillige aus der Ukraine und dem Ausland folgten seiner Aufforderung.
Kanadischer Scharfschütze dementiert seinen Tod
Unter den Freiwilligen ist laut Medienberichten ein unter dem Namen "Wali" bekannter Kanadier, der von France24 als Olivier Lavigne-Ortiz identifiziert wurde. Laut dem kanadischen Staatssender CBC diente "Wali" zuvor im Royal 22e Regiment der kanadischen Streitkräfte.
Teil der auf Facebook geteilten Behauptung ist, dass "Wali" der "beste Scharfschütze der Welt" sei und einen Distanz-Rekord für einen tödlichen Schuss halte. Dass er für diesen Rekord, der tatsächlich 2017 im Irak von einem unbekannten kanadischen Scharfschützen aufgestellt wurde, verantwortlich sei, dementiert "Wali" allerdings in einem CBC-Interview vom März 2022 als seinen Rekord. Er sei auch nicht der tödlichste Scharfschütze der Welt: "Ich bin ein guter Scharfschütze, nicht mehr und nicht weniger", sagte er. Außerdem war "Wali" nicht in der gleichen Einheit wie der unbekannte Rekordhalter.
Zu der aktuell geteilten Behauptung, er sei in Mariupol getötet worden, sagte "Wali" in dem CBC-Interview am 22. März: "Ich war noch nie in meinem Leben in Mariupol." Vielmehr berichtete er von Einsätzen in der Nähe von Kiew.
Auch ein Journalist der französischen Nachrichtenseite "France24" twitterte am 22. März 2022, es sei ihm gelungen, mit "Wali" einen Videocall zu halten.
J'ai parlé hier avec #Wali, ce sniper canadien qui s'est rendu en #Ukraine et qui a été présenté comme mort dans plusieurs publications sur les réseaux sociaux
— Alexandre Capron (@alexcapron) March 23, 2022
Comme vous le voyez, il n'est pas mort, mais surtout, intéressant pourquoi il pense être la cible des #intox 1/5 pic.twitter.com/GIUTW6hv0T
Zudem erschien auf der Facebookseite des Schützen am 22. März ein Beitrag, in dem es heißt: "Ich lebe. [...] Die Gerüchte, dass ich im Kampf gestorben sei, waren völlig lächerlich." Ob er diese Seite selbst betreibt, konnte AFP nicht verifizieren. Bis zur Veröffentlichung ließ "Wali" eine AFP-Anfrage unbeantwortet.
Allerdings erschien am 18. April auf seiner Seite erneut ein Update, in dem es wieder hieß, dass er lebe.
Wenige Tage später, am 22. April, veröffentlichte die "Bild" ein Videointerview mit "Wali". Im Text zum Video erzählte "Wali" von seinem Eindruck von den Gräueltaten in dem Kiewer Vorort Butscha. Diese wurden erst am 2. April 2022, also nach seinem angeblichen Tod, international bekannt.
Fazit: Die Behauptung, der kanadische Scharfschütze "Wali" sei nur 20 Minuten nach seiner Ankunft in der Ukraine von russischen Streitkräften getötet worden, ist falsch. Mehrere Medien haben auch Wochen nach Aufkommen dieser Behauptung mit dem Scharfschützen Videointerviews geführt.