Das Familienministerium hat lediglich eine Empfehlung für Formulare an Schulen ausgesprochen
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- Veröffentlicht am 25. April 2022 um 14:47
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
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Hunderte User haben die Behauptung Anfang April 2022 auf Facebook geteilt. Bereits im Juni 2019 verbreitete ein Blog-Artikel die gleiche Behauptung.
Die Behauptung: Sowohl im Blog-Artikel als auch in den aktuellen Facebook-Beiträgen heißt es neben einem Bild einer Familie: "Familienministerium fordert: 'Vater' und 'Mutter' sollen abgeschafft werden! Stattdessen soll es ein 'neutrales Elternteil' geben!"
Bereits eine Googlesuche nach den Suchbegriffen "Familienministerium Vater Mutter Neutrales Elternteil" führte in nur wenigen Sekunden zu mehreren Faktenchecks (hier, hier, hier). Auch deutsche Medien (hier, hier) berichteten bereits 2019 von einem Vorschlag der damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).
Die Nachricht geht auf die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) betriebene Seite "Regenbogenportal.de" zurück. Dort klärt das Ministerium über sexuelle Vielfalt auf und gibt Tipps, wie diese in Schulen anerkannt und unterstützt werden könnte. Das Angebot richtet sich an Lehrkräfte und empfiehlt unverbindlich, Schulaufklärungsprojekte in den Unterricht einzuladen, Bücher mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Charakteren anzuschaffen und auch "in Formularen auf geschlechtsneutrale Formulierungen zu achten (beispielsweise "Elternteil 1 und 2" statt "Mutter und Vater")".
Familienministerium des Bundes nicht zuständig für Formulierungen der Länder
Bereits im Juni 2019 reagierte das Ministerium auf seiner Facebookseite auf die damalige Diskussion und stellte klar: "Bei der Bezeichnung von 'Elternteil' und 'Elternteil 2' geht es lediglich um einen Oberbegriff in einem Behördenformular. Jede Mutter bleibt Mutter und jeder Vater bleibt Vater. Daran etwas zu ändern, steht überhaupt nicht zur Debatte. Selbstverständlich sprechen wir im Alltag und wenn wir uns unterhalten, weiterhin von Müttern und Vätern." Diese Formulierung in beispielsweise Anträgen für Elterngeld sei schon seit Jahren "gelebte Praxis".
AFP hat beim Bundesfamilienministerium nach dem angeblichen Vorhaben, die Begriffe "Mutter" und "Vater" abzuschaffen, nachgefragt. Eine Ministeriumssprecherin schrieb am 12. April 2022 in einer E-Mail: "Es gibt diesbezüglich keine Positionierung, Pläne oder Umsetzungsinitiativen seitens des BMFSFJ."
Allerdings nutzen laut der Sprecherin einige Bundesländer bei Elterngeld-Formularen die Begriffe "Elternteil 1" und "Elternteil 2". Sie stellte aber klar: "Die Ausgestaltung der Formulare liegt in der Zuständigkeit der Länder."
So nutzen die meisten Bundesländer, etwa Berlin, Brandenburg oder Niedersachsen, solche Formulierungen im Elterngeld-Formular. Dennoch tauchen immer wieder auch Begriffe, wie "Mutterpass und Mutterschaftsgeld" oder auch "Vaterschaftsnachweis" in den Formularen auf. Andere Bundesländer wie etwa Sachsen-Anhalt sprechen in ihren Formularen zumindest auch von der Unterschrift der “Kindesmutter" und des "Kindesvater".
AFP hat beim zuständigen Ministerium in Niedersachsen nachgefragt, ob dort diese Formulierung aus eigener Motivation genutzt oder sie vom Bundesministerium vorgegeben wird.
Kerstin Wolff, Sprecherin des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, erklärte in einer E-Mail am 22. April 2022: "Die neutralen Bezeichnungen 'Elternteil 1' und 'Elternteil 2' werden bewusst verwendet, um eine Vorfestlegung auf 'Mutter' und 'Vater' zu vermeiden. Niedersachsen verwendet schon lange die neutrale Bezeichnung 'Elternteil 1' und 'Elternteil 2'." Der früheste derartige Antrag, der im Ministerium digital eingesehen werden könne, sei aus dem Jahr 2013.
Die Begriffe verwende das Ministerium in Eigenverantwortung, erklärte die Sprecherin weiter: "Verantwortlich für das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist der Bundesgesetzgeber, jedoch führen die Bundesländer das BEEG in eigener Zuständigkeit aus. Insoweit gibt es derzeit auch ländereigene Elterngeldanträge, die in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet sind."
Konkret zur auf Facebook geteilten Behauptung gefragt antwortete Wolff: "Die formulierte Behauptung, 'dass das Bundesfamilienministerium die Begriffe 'Vater' und 'Mutter' abschaffen will' ist hier nicht bekannt. Eine entsprechende Vorgabe seitens des BMFSFJ liegt diesseits nicht vor."
Bundesfamilienministerium nutzt die Begriffe "Mutter" und "Vater"
Trotz des damaligen Vorschlags nutzten die damaligen Ministerinnen (hier, hier, hier) und das Bundesfamilienministerium aktuell selbst noch die Begriffe "Mutter" und "Vater".
Fazit: Die Behauptung, das Bundesfamilienministerium fordere, die Begriffe "Mutter" und "Vater" abzuschaffen, ist irreführend. Es gab zwar 2019 einen Vorschlag des Bundesministeriums, in Formularen von "Elternteilen" zu sprechen, dieser war allerdings nur eine unverbindlicher Empfehlung, die sich nur an Lehrkräfte richtete. Darüber hinaus liegen solche Formulierungen in Formularen nicht in der Zuständigkeit des Bundesministeriums, sondern bei den einzelnen Bundesländern.