Nein, der Impfstoff von Biontech enthält kein giftiges Ethylenoxid
Hunderte User auf Facebook und Zehntausende auf Telegram haben Anfang März eine Behauptung geteilt, wonach der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer den Stoff “Ethylenoxid” enthalte. Dieser sei hochgiftig, erbgutschädigend, gefährlich für die Fruchtbarkeit und krebserregend, heißt es in den Postings. Expertinnen und Experten stellen allerdings fest: Der Stoff kommt lediglich als bereits verarbeiteter und völlig ungefährlicher Kettenbaustein in einem Polymer der Impfstoffe vor. Dieses ist seit Jahren Teil zahlreicher Medikamente und Kosmetika.
Hunderte User haben die Ethylenoxid-Behauptung Anfang März auf Facebook geteilt (hier, hier). Zehntausende sahen sie auf Telegram (hier, hier, hier). In jeweils unterschiedlichen Versionen heißt es in den Postings: Der Covid-19-Impfstoff Pfizer/Biontech enthalte den Stoff Polyethylengykol (PEG) und weiter: "Doch der Einsatz von PEG ist bedenklich: Denn der Hauptstoff der Polyethylenglycole ist Ethylenoxid. Dieser Stoff ist hochgiftig, erbgutschädigend, fruchtschädigend und krebserregend."
Letzterer Satz scheint wortgleich aus einem Online-Artikel des Einzelhändlers "Reformhaus" aus dem Juni 2016 kopiert worden zu sein.

Corona-Impfungen, vor allem die neuen mRNA-Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna, werden immer wieder Ziel von Falschinformations-Kamapgnen. In solchen heißt es etwa, der Impfstoff mache Frauen unfruchtbar, er verändere die DNA im Körper, er sei radioaktiv, oder er verursache unkontrollierbares Zellsterben. Behauptungen wie diese hat AFP in der Vergangenheit widerlegt. Auch das vermeintlich enthalte hochgiftige Ethylenoxid gehört in diese Reihe an Falschbehauptungen.
AFP hat zunächst nach einer Auflistung der Inhaltsstoffe des Biontech-Impfstoffs gesucht. Tatsächlich enthält dieser – wie viele andere Medikamente auch – den Stoff Polyethylenglycol oder kurz PEG. Dieser kommt vor allem in der Pharmazie zum Einsatz, um flüssige, halbfeste oder feste Darreichungsformen von Medikamenten herzustellen (mehr dazu hier). Bereits in der Vergangenheit gab es falsche Behauptungen über PEG im Corona-Impfstoff, die AFP widerlegt hat. Die neueste Spielart einer solchen Behauptung ist besagter giftiger "Hauptstoff Ethylenoxid".
AFP hat am 10. März beim Verband der forschenden Arzneimittelherstellerinnen und -hersteller zum Thema angefragt. Sprecher Rolf Hömke erklärte in einem Telefonat: "Wenn das wirklich gefährlich wäre, wäre auch Kochsalz lebensgefährlich, weil Chlor ein chemischer Bestandteil davon ist. Dem ist aber nicht so." Ethylenoxid sei als Einzelstoff nicht mehr im PEG enthalten, sondern nur daraus entstandenes Oxyethyl als Glied einer langen Kette, erklärte Hömke weiter. Dadurch sei es nicht länger giftig. "Als Teil des PEG kann dieses Oxyethyl nicht länger wie Ethylenoxid an bestimmte andere lebensnotwendige Substanzen im Körper binden. Das aber wäre das Gefährliche", sagte der VFA-Sprecher.
Diese Informationen bestätigte auch Annette Beck-Sickinger am 10. März gegenüber AFP. Sie leitet die Forschungsgruppe Biochemie und Bioorganische Chemie am zugehörigen Institut der Universität Leipzig. Sie schrieb in einer E-Mail: "Wieder einmal eine wissenschaftlich völlig inkorrekte Information. Aus Ethylenoxid wird zwar Polyethylenglycol hergestellt, aber damit wird es Teil einer Kette, ist 'verbraucht' und nicht länger toxisch." Weiter schrieb sie: "Die Kette ist 1000 Mal größer als das aktivierte Kettenglied und überschüssige und nicht abreagierte Kettenbausteine können einfach durch ein 'Sieb' ausgewaschen oder etwa mit Wasser in völlig ungiftiges Glycol umgewandelt werden." PEG sei weiterhin in vielen anderen Arzneimitteln und Kosmetika enthalten. "Das Verfahren zur Herstellung wird intensiv geprüft und ist zugelassen", schrieb Beck-Sickinger.
Schließlich bestätigte auch der Chemiker und Sprecher der Technischen Universität München, Andreas Battenberg am 10. März: "Grundsätzlich sind Polyethylenglycole als nicht giftig anzusehen. Sie werden im menschlichen Körper nicht verstoffwechselt und aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit schnell wieder ausgeschieden." Weiter schrieb Battenberg: "Nach Umsetzung und erst recht nach der Aufreinigung des Produkts sollte kein Ethylenoxid mehr enthalten sein." Das gelte insbesondere für pharmazeutische Produkte, die auf das Genaueste auf solche Stoffe überprüft würden.
AFP hat auch beim Unternehmen Reformhaus nach Quellen für die im dortigen Artikel aufgestellten Aussagen zu PEG nachgefragt. Zunächst gab es keine Antwort.
Fazit: Expertinnen und Experten bestätigten, dass Ethylenoxid zwar bei der Herstellung von PEG verwendet wird, als gebundener Teil dessen aber völlig ungefährlich für den Körper ist. PEG kommt seit Jahren in Medikamenten zum Einsatz.