Irreführende Behauptungen im Zusammenhang mit US-Studie zur HPV-Impfung im Umlauf

Das humane Papillomavirus (HPV) ist die häufigste Virusinfektion des Genitalbereichs. Im Sommer 2025 sorgte eine Warnung online für Aufmerksamkeit, wonach der HPV-Impfstoff Gardasil laut einer Studie angeblich zu autonomen Funktionsstörungen wie dem posturalen Tachykardiesyndrom (POTS) sowie Menstruationsstörungen führen würde. Sachkundige betonten gegenüber AFP jedoch, dass die Impfung sicher sei und kritisierten die Methodik der den Posts zugrunde liegenden Studie.

Die Impfung gegen humane Papillomviren kann vor Krebs schützen. Doch in impfskeptischen Kreisen steht sie unter Generalverdacht, Gesundheitsrisiken zu bergen. Skepsis gegen HPV-Vakzine bekundete insbesondere US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. während seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit als Vorsitzender von Children's Health Defense – einer Organisation, die von AFP bereits mehrfach wegen der Verbreitung von Fehlinformation über Impfungen überprüft wurde. 

In sozialen Medien kursierte ein Artikel, der am 21. Juni 2025 auf der Plattform Report24 erschien. Darin war eine angeblich "alarmierende" Studie über die HPV-Impfung beschrieben. Demnach hätten "Wissenschaftler der University of Maryland" auf Basis von "realen Krankenkassendaten von geimpften Mädchen und jungen Frauen" herausgefunden, dass "das Risiko, innerhalb von drei Jahren nach der Impfung eine autonome Funktionsstörung wie POTS zu entwickeln, um 23 Prozent" und bei Menstruationsstörungen um "30 Prozent" steige. Der Link zu dem Artikel wurde auf Facebook und auf Telegram seit Ende Juni 2025 mehrfach geteilt.

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Facebook-Screenshot der Behauptung, oranges Kreuz von AFP hinzugefügt: 1. August 2025

Mit dem Titel "HPV-Impfung: Alarmierende Studie zu massiven Gesundheitsrisiken für junge Frauen" führte der Text von Report24 Userinnen und User in die Irre. Report24 hat bereits mehrfach Falschbehauptungen verbreitet. Laut Expertinnen und Experten, die AFP kontaktierte, ist die HPV-Impfung jedoch sicher. Die den Behauptungen zugrundeliegende Studie weise zudem Mängel auf.

Was sind HPV und POTS?

Humane Papillomviren stellen eine Virusgruppe dar, die Krebs sowie Genitalwarzen verursachen können. Etwa 80 Prozent aller Frauen und Männer werden im Laufe ihres Lebens mit genitalen humanen Papillomviren infiziert.

"HPV ist die häufigste sexuell übertragene Infektion weltweit", sagte Stefanie Klug am 31. Juli 2025 gegenüber AFP, die den Lehrstuhl für Epidemiologie der TU München innehat. Normalerweise erfolge die Infektion nach den ersten sexuellen Kontakten. Nur ein "sehr kleiner Anteil all dieser Infizierten" würden gesundheitliche Probleme entwickeln. Faktoren, die dazu führen, seien unter anderem ein schwaches Immunsystem oder Rauchen. Dennoch empfehlen Expertinnen und Experten, die AFP kontaktierte, eine Immunisierung durch die HPV-Impfung.

In fast allen Gewebeproben aus invasiven Gebärmutterhalstumoren ist laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum HPV-Erbmaterial nachweisbar. Gebärmutterhalskrebs ist in Deutschland die dritthäufigste Krebserkrankung bei Frauen unter 60 Jahren. Bei Männern zählen Mund-Rachen-Krebs sowie Analkrebs zu den häufigsten HPV-verursachten Krebsformen.

POTS, für das laut dem Report24-Artikel ein erhöhtes Risiko durch die HPV-Impfung besteht, steht wiederum für das posturale Tachykardiesyndrom und ist eine Störung des autonomen Nervensystems, die beim Aufstehen aus einer liegenden Position eine Reihe von Symptomen verursacht, wie beispielsweise Herzrasen, Schwindel und Müdigkeit.

Die von Report24 erwähnte Studie kam zum Schluss, dass die Impfung gegen HPV angeblich "mit einem erhöhten Risiko für autonome Dysfunktionen und Menstruationsstörungen verbunden" sei. Der Sammelbegriff "autonome Dysfunktionen" bezieht sich auf verschiedene Erkrankungen des autonomen Nervensystems, darunter zählt eben auch POTS. Das Risiko, innerhalb von drei Jahren nach der Impfung eine autonome Funktionsstörung wie POTS zu entwickeln, steige um 23 Prozent. Bei Menstruationsstörungen liege der Anstieg sogar bei 30 Prozent, fasste Report24 die Studie schließlich zusammen.

US-Studie zu HPV-Impfung stößt bei Fachleuten auf Kritik

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die HPV-Impfung ab einem Alter von neun Jahren, also vor den ersten sexuellen Kontakten. Das Vakzin kann vor Krebserkrankungen schützen, wenn es vor einer Infektion verabreicht wird. In der EU sind die HPV-Impfstoffe Gardasil, Gardasil 9 und Cervarix zugelassen, deren Inhaltsstoffe ausführlich von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) überprüft wurden. Der Impfplan Österreichs empfiehlt zwei Impfungen bis zum 30. Lebensjahr.

Mehrere Fachleute, die AFP kontaktierte, kritisierten die aktuell geteilte Studie zur HPV-Impfung, die "Springer Nature", einer der renommiertesten Wissenschaftsverlage der Welt, am 16. Juni 2025 publizierte.

Andreas Kaufmann leitet das HPV-Labor an der Gynäkologischen Klinik der Berliner Charité und ist Teil der Arbeitsgruppe "HPV Management Forum", einem Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mitunter die Leitlinie für die Anwendung der HPV-Impfung entwickelten. Er sagte gegenüber AFP am 4. August 2025: "Schon der erste Satz des Abstracts ist nicht korrekt." Die Studienautorinnen und -autoren schrieben darin, es gebe "nur wenige Forschungsarbeiten, die sich mit Sicherheitsbedenken" der HPV-Impfung befassen würden. "Gerade die Sicherheit der HPV-Vakzine ist weitaus besser untersucht als viele andere Medikamente inklusive Impfstoffe", replizierte Kaufmann. Er hob hervor: "Es wurde nirgends ein Signal für eine vom HPV-Impfstoff ursächlich hervorgerufene Nebenwirkung gefunden."

Zudem fiele auf, dass keine der Autorinnen und Autoren "zuvor jemals etwas über HPV publiziert" hätte, was AFP in der Datenbank PubMed nachprüfte. Auf die Frage, warum eine – von ihm und anderen Fachleuten, mit denen AFP sprach – mangelhaft bewertete Studie in einem solch angesehenen Verlag erscheinen kann, antwortete Kaufmann: "Die Journals können und sollen nicht selektionieren, was publiziert wird." Die Qualität der Studien werde durch das Peer-Review-Verfahren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus demselben Fachgebiet sichergestellt. Doch auch ihre Einschätzung könne die Qualität "nicht zu 100 Prozent garantieren".

Untersucht wurden laut Angaben der Studie privat versicherte Mädchen und junge Frauen zwischen neun und 26 Jahren. Die Analysen fanden zwischen März 2024 und April 2025 statt. Das Risiko nach der Impfung zu erkranken, wurde bei den jeweiligen Personen über einen Zeitraum von bis zu 36 Monaten mit einem sechsmonatigen Zeitraum vor der Impfung verglichen, heißt es. Laut Beschreibung wurden 1654 Personen mit Störungen des autonomen Nervensystems und 3140 Personen mit unregelmäßiger Monatsblutung in die Analyse einbezogen.

Thomas Iftner, Direktor des Institutes für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten in Tübingen, kritisierte die "undurchsichtige" Datenerhebung bei der Studie in einer E-Mail an AFP am 29. Juli 2025. Irregulären Menstruationsblutungen seien in der jungen Altersgruppe von neun bis 17 Jahren "normal". Üblicherweise starten die Monatsblutungen im Schnitt ab einem Alter von zwölf Jahren, deshalb sei eine Einbeziehung dieser Altersgruppe laut dem Experten nicht zielführend.

Report24 beschrieb die Methodik der Studie als "deutlich robust", weil die Daten vor und nach der Impfung bei denselben Personen verglichen wurden. Dem kann Stefanie Klug wenig abgewinnen. Sie führte an, dass die Autorinnen und Autoren nur die Fälle mit jeweils Symptomen von Dysautonomie und Menstruationsstörungen betrachteten. "Aus meiner Sicht hätten sie die 'Fälle' mit den sehr vielen nicht erkrankten Personen in dieser Datenbank vergleichen können und müssen. Dann hätten sie echte Kontrollen gehabt", sagte sie.

Studienautorinnen sprechen von "erhöhtem Risiko", nicht Verursachung

AFP kontaktierte die Autorinnen und Autoren der Studie. Zwei der Autorinnen teilten AFP am 12. Juli 2025 schriftlich mit, dass sie mit der Zusammenfassung ihrer Studie im kursierenden Artikel von Report24 größtenteils einverstanden seien und ergänzten darüber hinaus: "Bei einer Aufschlüsselung nach Alter erreicht die Häufigkeit von Menstruationsstörungen bei Mädchen im Alter von 9 bis 17 Jahren 51 Prozent." Hierbei bezogen sie sich auf eine jüngere Altersgruppe als der Report24-Artikel, in der sich die 30-prozentige Risikoerhöhung auf die gesamte Kohorte mit Menstruationsstörungen beziehen dürfte. Sie räumten zudem ein, dass "wir nicht endgültig sagen können, dass der Impfstoff" POTS verursache, "nur, dass er ein erhöhtes Risiko vermuten lässt". 

Forschungsleiterin Linda Wastila schrieb: "Diese Studie trägt zu einem besseren Verständnis des Sicherheitsprofils dieses Impfstoffs bei, kommt jedoch nicht zu dem Schluss, dass dieses Produkt sicher ist." Die Studie deutet laut der Autorin darauf hin, "dass die Nebenwirkungen des Produkts nicht harmlos sind". Diesen Aussagen widersprachen renommierte Fachleute gegenüber AFP, wie bereits ausgeführt.

Auch die Schlussfolgerungen der Studie sind mitunter vage. In der Conclusio schreiben die Autorinnen und Autoren: "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Patienten dazu ermutigt werden sollten, sich mit ihrem Hausarzt über die potenziellen Risiken und Vorteile einer HPV-Impfung zu beraten." Ebenfalls heißt es in der Studie, dass "derzeit keine schlüssigen Beweise für einen Zusammenhang zwischen HPV-Impfungen und autonomen Funktionsstörungen oder Menstruationsstörungen vorliegen". 

"Unsere Studie dient als Signal, weitere rigorose Untersuchungen zu den potenziellen Nebenwirkungen der HPV-Impfung anzuregen", schrieb Co-Autorin Danya Qato an AFP am 17. Juli 2025.

Fachleute sowie EMA bekräftigen Sicherheit der Impfstoffe

Nebenwirkungen zu allen in der EU zugelassenen Impfstoffe sowie Arzneimittel sind meldepflichtig. Gesammelt werden die Fälle in einer Datenbank der EMA. Eine Sprecherin erklärte am 15. Juli 2025 schriftlich auf AFP-Anfrage, dass die dort öffentlich einsichtbaren Informationen nicht so ausgelegt werden sollten, "dass das Arzneimittel oder der Wirkstoff die beobachtete Wirkung verursacht oder unsicher in der Anwendung ist". Generell sei es "wichtig zu verstehen, dass die Informationen auf dieser Website sich auf vermutete Nebenwirkungen beziehen, also medizinische Ereignisse, die nach der Anwendung eines Arzneimittels beobachtet wurden". Nur eine wissenschaftliche Auswertung könne fundierte Schlussfolgerungen liefern.

Es gebe viel eher eindeutige Nachweise für die Sicherheit und Wirksamkeit der HPV-Impfstoffe, so die EMA. Die Krankheiten, gegen die sich diese richten, "haben in Europa schwerwiegende gesundheitliche Folgen". Zudem: "Die HPV-Impfung hat die Möglichkeit eröffnet, die Belastung durch HPV-bedingte Krebserkrankungen, die ansonsten oft sehr schwer zu behandeln sind, erheblich zu verringern." Schließlich teilte die EMA-Sprecherin mit, dass die EMA "besorgt" darüber sei, "dass die Aufmerksamkeit weiterhin auf unbegründete Behauptungen gerichtet" sei.

Im Jahr 2013 meldeten japanische und dänische Überwachungsbehörden mehrere Verdachtsfälle von komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS, complex regional pain syndrome) und POTS im zeitlichen Zusammenhang mit einer HPV-Impfung. Daraufhin untersuchte die EMA die HPV-Impfstoffe erneut genau auf ihre Sicherheit mit dem Ergebnis, dass es "keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang" zwischen den Impfstoffen Gardasil, Cervarix oder Silgard und der Entwicklung eines CRPS oder POTS gebe.

Report24 stellte die Sicherheit der HPV-Impfung im Artikel unter anderem mit folgenden Worten in Frage: "Trotzdem will man uns weiter erzählen, die HPV-Impfung sei 'sicher'?" Im Artikel werden zudem "mögliche Zusammenhänge" zwischen Inhaltsstoffen der Impfung und einer Reizung des Immunsystems "in gefährlicher Weise" erwähnt. Derartige Sicherheitsbedenken sowie das Risiko, "ernste Gesundheitsstörungen" zu entwickeln, seien jedoch auch laut dem Vaccine Education Centre in Melbourne in Australien nach Auswertung der Daten von mehr als 80 Millionen Impfdosen beseitigt. Tatsächlich werde vielmehr angenommen, "dass einige Fälle von POTS nach einer akuten Infektion auftreten, von denen einige durch Impfungen verhindert werden können", schrieb das Bildungsportal 2022 auf seiner Website.

HPV-Experte Andreas Kaufmann unterzeichnete das 2015 publizierte Statement der internationalen Papillomavirus Society (IPVS), in dem steht: "Seitdem die Impfstoffe in reale öffentliche Gesundheitsprogramme integriert wurden, zeigen sie weiterhin hervorragende Ergebnisse hinsichtlich ihrer Sicherheit und Wirksamkeit." Gegenüber AFP betonte er, dass Nebenwirkungen "normalerweise nach drei Tagen" abklingen würden. Laut Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) aus dem Jahr 2018, der deutschen Oberbehörde für Medikamentensicherheit, beschränken sich diese in den meisten Fällen auf Lokalreaktionen wie zum Beispiel Schmerz an der Injektionsstelle. Dies bezieht sich auf die letzte Bewertung des Impfstoffs durch die WHO aus dem Jahr 2017, die auf über 270 Millionen verabreichten Dosen basierte und ergab, dass die Impfung sicher ist. 

Die Krankheiten, die durch eine HPV-Infektion entstehen könnten, also Gebärmutterhalskrebs, Analkrebs, Kopf-Halskrebs oder Peniskrebs, würden laut Kaufmann ein schwerwiegendes Ausmaß als die HPV-Impfung erreichen. "Das einzige Risiko der HPV-Impfung ist nicht geimpft zu sein und damit ein erhöhtes Risiko für diese schwerwiegenden Erkrankungen zu haben", beteuerte er. "Mittlerweile wurden mehr als 80 Millionen Menschen gegen HPV geimpft", stimmte Professorin Klug überein. Das sei laut der Forscherin am Lehrstuhl für Epidemiologie an der TU München "eine sehr große Zahl". Dabei seien "keine Berichte zu größeren oder ernsten Problemen entstanden".

Fazit: Beiträge in sozialen Plattformen streuten im Sommer 2025 Bedenken gegen die HPV-Impfung. Als Beleg führten sie eine gegenüber AFP vielfach kritisierte US-Studie an, wonach die Impfung das Risiko für POTS und Menstruationsstörungen erhöhe. Fachleute betonten gegenüber AFP jedoch, dass die Impfung mehrfach auf Nebenwirkungen untersucht wurde und sicher sei.

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