Great Barrier Reef gedeiht nicht: Korallenriff erfährt größte Bleiche seit Messbeginn

Das australische Great Barrier Reef erlebte laut Forschenden im vergangenen Jahr die stärkste Bleiche seit Aufzeichnungsbeginn vor fast 40 Jahren. Der Grund dafür: steigende Wassertemperaturen. In sozialen Medien wird dennoch behauptet, dass das Korallenriff "gedeihe" und "Wachstumsrekorde" aufstelle. Damit stellen Nutzerinnen und Nutzer die Existenz der globalen Erwärmung infrage. Das ist jedoch falsch. Fachleuten und Langzeitdaten zufolge führt die Klimaerwärmung zu wiederkehrenden Bleichephasen der Korallen und betrifft besonders große Gebiete. Zudem ging die Korallenbedeckung 2024 und 2025 zurück.

Sogar aus dem Weltraum ist es zu sehen: Das Great Barrier Reef in Australien. Durch erhöhte Wassertemperaturen verbleicht es. In sozialen Medien wird unterdessen behauptet, es würde sich erholen. "Wenn die Realität nicht ins Narrativ passt, wird sie vom Mainstream gerne verschwiegen", hieß es in einem Telegram-Beitrag vom 1. August 2025. "So auch in Sachen Great Barrier Reef, welches allen Beschwörungen der Klimafanatiker zum Trotz blüht und gedeiht, anstatt abzusterben."

Der Beitrag wurde von Report24 geteilt – einem Blog, der AFP bereits wiederholt durch Falschinformationen aufgefallen ist. Report24 verlinkt darin einen Artikel vom selben Tag auf seiner Website mit dem Titel "Tropenwunder statt Klimakatastrophe: Das Great Barrier Reef gedeiht – und niemand darf es wissen".

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Telegram-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 8. August 2025

Die Behauptung, das Great Barrier Reef würde gedeihen, wurde auch auf Facebook und X geteilt. Sie verbreitete sich zudem auf Französisch

Das Great Barrier Reef ist Unesco-Weltnaturerbe und das größte Korallenriff der Welt. Es liegt nordöstlich der australischen Küste und erstreckt sich über mehr als 2300 Kilometer. 

Seit fast 40 Jahren untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Korallen im Rahmen des "Long-Term Monitoring Program" des Australischen Instituts für Meereswissenschaft (auch "AIMS' Long-Term Monitoring Program"). Laut dem jüngsten Bericht dieses Programms vom 6. August 2025 erfuhr das Great Barrier Reef im Zeitraum zwischen August 2024 und Mai 2025 die "ausgedehnteste" Bleiche, die durch die hohen Meerestemperaturen im Jahr 2024 bislang verursacht wurde und zu "einem seit Beginn der Aufzeichnungen beispiellosen Hitzestress" geführt hat.

Die Bleiche ist ein natürliches Phänomen, das auftritt, wenn die Wassertemperaturen steigen. Dann stoßen Korallen Algen ab, mit denen sie in Symbiose leben, die sie mit Nahrung versorgen und die ihnen ihre leuchtenden Farben verleihen. Durch das Abstoßen werden die Korallen weiß und können absterben. 

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Erklärung zum Vorgang der Korallenbleiche (AFP / Nadine EHRENBERG, Anne CHROMIK)

Die Behauptung in sozialen Medien stimmt jedoch nicht. Ihr zugrunde liegende Daten werden nur in Auszügen und ohne Kontext dargestellt.  

Daten erwähnen kein "Rekordwachstum"

Report24 zufolge deute im Jahr 2025 alles auf ein "Rekordjahr für das Korallenwachstum" des Great Barrier Reefs hin, und dies "zum vierten Mal in Folge". Das sei angeblich ein Zeichen dafür, dass die globale Erwärmung keine negativen Auswirkungen auf die Korallen habe.

Report24 zitiert einen Artikel von The Daily Sceptic vom 31. Juli 2025 mit derselben Behauptung. AFP widerlegte auf Englisch auch von dieser Website geteilte Falschinformationen, hauptsächlich mit Bezug zur Klimaerwärmung.  

In dem Artikel von The Daily Sceptic wird auf einen bevorstehenden Jahresbericht zum Zustand des Great Barrier Reef und fortlaufend aktualisierte Daten zum Zustand des Riffs vom Juli 2025 verwiesen (hier archiviert), die auf der offiziellen Website der australischen Regierungsbehörde Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) veröffentlicht wurden.

In diesen Daten wird jedoch entgegen der Falschbehauptung kein "Rekordwachstum" erwähnt. Die Behörde gibt hingegen an, dass im untersuchten Zeitraum vom 1. Juni bis zum 20. Juli 2025 an den 44 untersuchten Riffen des Great Barrier Reefs "keine Bleiche beobachtet" wurde. Daten aus diesen Monaten herauszugreifen, um daraus allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen, ist jedoch "Cherry Picking", wie die Erklärungen von Experten gegenüber AFP zeigen. "Cherry Picking" (Rosinenpicken) ist eine Argumentationstechnik im Bereich der Desinformation, bei der nur wissenschaftliche Daten herangezogen werden, die bestimmte Behauptungen stützen.

Daten stammen vom Winter

Terry Hughes, emeritierter Professor an der australischen James Cook University und Korallenexperte, erinnerte zunächst daran, dass "Juli in Australien mitten im Winter liegt", was bedeute, dass "die Meerestemperaturen zu kühl sind, als dass es zu einer Korallenbleiche kommen könnte".

"Die Korallen bleichen aus und sterben aufgrund der globalen Erwärmung, wenn die Meerestemperaturen im Sommer ihre historischen Höchstwerte überschreiten", erklärte Hughes auf AFP-Anfrage am 7. August 2025. "Die Winter sind mittlerweile ebenfalls wärmer, jedoch nicht ausreichend, um eine Bleiche auszulösen."

"Eine Rekordkorallenbleiche und -sterblichkeit wurde Anfang 2025 auch im Norden des Great Barrier Reefs festgestellt", erklärte Hughes und bedauerte, dass die Ausführungen der GBRMPA zu Juli 2025 "den Eindruck vermitteln, dass alles unter Kontrolle ist – was offensichtlich nicht der Fall ist".

In anderen Monatsberichten dieses Jahres finden sich mehrere Hinweise auf Korallenbleiche. Im März 2025 beispielsweise "wurde an 23 der 31 untersuchten Riffe eine Bleiche festgestellt". Im Februar "wiesen 17 der 19 untersuchten Standorte Anzeichen einer Bleiche" auf, was in den Beiträgen in sozialen Medien und den Artikeln nicht erwähnt wird.

"Es ist daher falsch, eine einzige 'Aktualisierung des Zustands des Riffs' mitten im Winter heranzuziehen, um vorzugeben, dass der Klimawandel keine negativen Auswirkungen auf das Great Barrier Reef habe", bestätigte das Australische Institut für Meereswissenschaft (AIMS) gegenüber AFP am 7. August 2025. Dessen Daten würden zudem "zeigen, dass in den 39 Jahren der Beobachtung die Schwankungen der Korallenbedeckung in den vergangenen 15 Jahren immer größer wurden, was darauf hindeutet, dass das Ökosystem mit zunehmenden Meereswärmewellen instabiler wird".

"Dies sind keine Anzeichen für ein 'blühendes' Ökosystem, sondern für ein Ökosystem, das (durch weitgehend ungewöhnliche Temperaturen verursachten Veränderungen, Anm. d. Red.) zunehmendem Stress ausgesetzt ist", so das Fazit des AIMS.

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Korallenbleiche des Great Barrier Reefs bei Lizard Island, 270 Kilometer nördlich von Cairns in Australien: 5. April 2024 (AFP / DAVID GRAY)

Die Tatsache, dass im Juni und Juli 2025 keine Bleiche auftrat, "bedeutet nicht, dass das Riff gesund ist", bestätigte Peter Mumby, Professor am Institut für Meereswissenschaften der University of Queensland, gegenüber AFP am 7. August 2025. 

Bleiche erreichte Rekordniveau

Die online geteilten Beiträge erwähnen außerdem angebliche Daten (ohne eindeutige Quellenangabe), die ein "Rekordwachstum" belegen sollen. Wie mehrere Fachleute jedoch bereits im Dezember 2023 gegenüber AFP betonten, heißt eine Zunahme der Korallenbedeckung oder ein "Rekordwachstum" in bestimmten Bereichen nicht unbedingt, dass die Korallen insgesamt gesund sind. Darüber hinaus deuten die jüngsten Daten eher auf einen Rückgang der Korallenbedeckung im vergangenen Jahr hin.

Jedes Jahr veröffentlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AIMS einen Bericht über den Zustand der Artenvielfalt und der Korallen. Der jüngste Bericht vom 6. August 2025 deckt den Zeitraum von August 2024 bis Mai 2025 ab und zeigt, dass im vergangenen Jahr die großflächigste Korallenbleiche stattfand, die bislang registriert wurde. Gleichzeitig war sie die fünfte massive Bleiche seit 2016. 

Der Bericht zeige "einen starken Rückgang der Korallenbedeckung in allen drei Regionen des Great Barrier Reefs im Vergleich zum Vorjahr", erklärte das Institut gegenüber AFP am 7. August 2025. "Dieser Rückgang wurde hauptsächlich durch das Absterben der Korallen aufgrund der massiven Bleiche verursacht, die durch den Hitzestress im Jahr 2024 ausgelöst wurde." Dieser Hitzestress wiederum "wurde durch den Klimawandel verursacht", führte das Institut aus.

"Im Allgemeinen deutet ein signifikanter Rückgang der Korallenbedeckung nicht auf ein 'florierendes' Ökosystem hin", erklärte das AIMS. "Es dauert Monate, bis sich Korallen nach einer massiven Bleiche entweder wieder erholen oder absterben."

Die Korallenbedeckung "schwankte in der Vergangenheit", so das AIMS, doch der im August 2025 veröffentlichte Bericht zeige "den größten Rückgang der Korallenbedeckung in einem einzigen Jahr in zwei der drei Regionen des Riffs (der nördlichen und südlichen) seit Beginn der Überwachung durch AIMS vor 39 Jahren".

In dem aktuellen Bericht präzisierte das Institut zudem, dass eine schnell wachsende Korallenart, bekannt unter dem Namen Acropora, am stärksten betroffen gewesen sei. Daher liefere die Betrachtung der Korallenbedeckung nicht unbedingt ein verlässliches Bild vom Gesundheitszustand der Korallen. Denn eine schnell wachsende Korallenart könne demnach zwar potenziell schnell eine größere Fläche bedecken, was jedoch nicht bedeute, dass die Bedeckung nachhaltig oder das Riff insgesamt gesund sei.

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Die Meeresbiologin Anne Hoggett untersucht am 5. April 2024 gebleichte und abgestorbene Korallen rund um Lizard Island am Great Barrier Reef (AFP / DAVID GRAY)

Laut Peter Mumby ist das Great Barrier Reef "weitgehend beschädigt, aber einige Gebiete sind in gutem Zustand". Es sei zudem klar, dass "der Klimawandel die Ursache für diese jüngsten Bleicheereignisse" ist.

Auf der Website der Great Barrier Reef Marine Park Authority, die in online geteilten Artikeln verwendet wird, um die Existenz der globalen Erwärmung infrage zu stellen, weist die GBRMPA jedoch eindeutig darauf hin, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "davon ausgehen, dass es bis 2050 oder sogar schon früher zu massiven Bleicheereignissen kommen wird, wenn die Treibhausgasemissionen nicht drastisch reduziert werden".

Auf AFP-Anfrage zu den Beiträgen in sozialen Medien verwies die GBRMPA am 7. August 2025 auf ihre Pressemitteilung vom Vortag, die sie nach der Veröffentlichung des AIMS-Berichts herausgegeben hat. Darin heißt es, dass der Bericht "einen erheblichen Rückgang der Hartkorallenbedeckung im Great Barrier Reef zeigt – nach Rekordwerten bei der Korallenregeneration in den Jahren 2022 und 2023". Diese Daten bezeichnete die Behörde als "besorgniserregend" und fügte hinzu: "Es ist erschütternd, die Auswirkungen des Klimawandels auf das größte lebende Naturwunder der Welt in Echtzeit zu sehen."

Terry Hughes erinnerte zudem daran, dass die auf der Website der GBRMPA veröffentlichten aktuellen Daten "nur eine Erklärung" und keine wissenschaftliche Studie seien und dass "bestimmte Teile" ohne Kontext "ziemlich irreführend" aufgefasst werden könnten. "Es ist beunruhigend, dass eine australische Regierungsbehörde in sozialen Medien von Leugnerinnen und Leugnern des Klimawandels zitiert wird", bedauerte er.

Korallenriffe weltweit sind bedroht

Korallenriffe sind in allen Weltmeeren durch Rekordtemperaturen bedroht. Die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen in den Meeren haben zugenommen.

Die Ozeane absorbieren 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die durch menschliche Aktivitäten im Industriezeitalter in das Erdsystem gelangt. Diese Energie nimmt mit der zunehmenden Anreicherung von Treibhausgasen in der Atmosphäre weiter zu.

Die durchschnittliche Temperatur der Meeresoberfläche um Australien war laut dem australischen Wetterdienst im Jahr 2024 die "höchste jemals gemessene".

Australien bereitet im Jahr 2025 seine nächste Runde von Emissionsreduktionszielen vor, eine zentrale Verpflichtung des Pariser Klimaabkommens. Die Bergbaunation bleibt jedoch einer der größten Kohleexporteure der Welt und subventioniert ihre fossilen Brennstoffe weiterhin in großem Umfang.

Weitere Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP auf der Website

Fazit: Die Behauptung, das Great Barrier Reef würde gedeihen, ist falsch. Zugrunde liegende Daten, wonach es jüngst keine Bleiche gegeben hat, stammen aus Juni und Juli 2025. Zu diesem Zeitpunkt ist in Australien Winter. Keine zusätzliche Bleiche ist zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Laut Experten schreitet die Korallenbleiche durch die globale Erwärmung voran. Offizielle Berichte bestätigen das. 

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