
Ermutigt durch Trump: Ungarn verschärft laut Fachleuten anti-ukrainische Desinfokampagnen
- Veröffentlicht am 18. März 2025 um 09:12
- Aktualisiert am 18. März 2025 um 09:13
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Andras ROSTOVANYI, Ede ZABORSZKY, AFP Ungarn
- Übersetzung: Lisa-Marie ROZSA
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Ein Land, das "nie existiert hat" oder ein "Problem namens Ukraine": Seitdem Donald Trump wieder US-Präsident ist, hat die ungarische Regierung und die ihr nahestehenden Medien Desinformationskampagnen gegen ihren kriegsgebeutelten Nachbarstaat Ukraine verschärft.
Dorka Takácsy, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Euroatlantische Integration und Demokratie in Budapest (CEID, Centre for Euro-Atlantic Integration and Democracy) erklärte gegenüber AFP, dass Orbán und seine Verbündeten schon seit Langem die Feindbilder Russlands – gegen den Westen und die Ukraine – übernommen haben.
"Es scheint, als hätte die ungarische Führung Trumps Sieg als die Gelegenheit gesehen, nun mit der Ukraine so zu verfahren, wie sie will", so Takácsy. Die Anzahl der anti-ukrainischen Narrative, derer sich Orbán und seine Verbündeten bedienen, hätte in letzter Zeit nämlich zugenommen, fügte sie hinzu.
Am 19. Februar 2025 bezeichnete US-Präsident Donald Trump den seit 2019 amtierenden ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als "Diktator ohne Wahlen". Trump begründete diese Aussage damit, dass Selenskyj keine Wahlen mehr abhielt. Das am Tag der russischen Invasion beschlossene Kriegsrecht in der Ukraine schließt jedoch jegliche Wahlen aus.
AFP sammelte einige zentrale Aussagen Ungarns, die sich gegen die Ukraine richten.
"Der Westen hat Russland gegen die Ukraine aufgehetzt"
Orbán untergräbt regelmäßig die Einigkeit der EU in Bezug auf die Ukraine und weigert sich seit dem Einmarsch Russlands im Jahr 2022, Waffen an die Ukraine zu liefern. Gleichzeitig kritisiert er die Sanktionen der EU gegen Moskau.
In einer seiner wöchentlichen Radioansprachen Anfang März 2025 warnte er erneut davor, dass eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine den Staatenbund "ruinieren" würde.
Der nationalistische Politiker schloss sich auch nicht den EU-Staats- und Regierungschefs an, die einen Text zur Unterstützung der Ukraine am 6. März 2025 unterzeichneten.
Ende Februar 2025 machte Orbán den Westen dafür verantwortlich, Moskau gegen die Ukraine aufgehetzt und dadurch den Krieg provoziert zu haben. "Im Krieg geht es nicht wirklich um die Ukraine, sondern darum, dass das Gebiet, das als Ukraine bezeichnet wird – das eine Pufferzone, ein Pufferstaat zwischen der Nato und Russland war – unter die Schirmherrschaft der Nato gestellt werden sollte", sagte Orbán in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation. "Warum europäische und US-amerikanische Liberale dachten, dass Russland tatenlos zusehen würde, ist mir immer noch ein Rätsel", fügte er hinzu.
Trump hat die Ukraine mit folgenden Worten für den Krieg verantwortlich gemacht: "Ihr hättet ihn nie anfangen sollen." Der russische Präsident Wladimir Putin startete am 24. Februar 2022 eine groß angelegte Invasion der Ukraine, bei der Russland fast 20 Prozent des Staatsgebiets besetzte.
"Ukraine hat nie existiert"
Der ungarische Parlamentspräsident László Kövér wiederholte Anfang März 2025 ein von Putin oft verwendetes Narrativ und sagte, die Ukraine sei ein "Land, das in der Geschichte eigentlich nie existiert hat". Der ultrakonservative Politiker und Verbündete Orbáns sagte am 4. März 2025 in einem Radiointerview: "Es hat keine wirkliche politische Geschichte, keine wirkliche politische Elite, keine Tradition der Regierungsführung." Er fügte hinzu, dass nur diejenigen übrig bleiben, "die unfähig sind, sich selbst zu verteidigen, und diejenigen, die die Schwächeren skrupellos ausgebeutet haben".
Die Ukraine, ein Land mit mehr als 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, hat seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 mehrere gewählte Staatsoberhäupter gehabt.
Der Top-Berater von Orbán, Balázs Orbán – der denselben Nachnamen wie der Ministerpräsident trägt, aber nicht mit ihm verwandt ist –, bezeichnete das Nachbarland in einem Facebook-Post am 3. März 2025 als "Problem namens Ukraine". Er fügte hinzu, dass dieses Problem nun "vom kriegsbegeisterten Europa gelöst werden muss".
Die regierungsnahe ungarische Tageszeitung "Magyar Nemzet" veröffentlichte Meinungsbeiträge, in denen die Ukraine als "verrotteter Mafia-Monsterstaat" bezeichnet wurde und die Morde in Butscha – wo russische Streitkräfte beschuldigt werden, hunderte Zivilistinnen und Zivilisten getötet zu haben – als "Theatralik unter falscher Flagge" dargestellt wurden.
Ein UN-Menschenrechtsbericht aus dem Jahr 2022 besagt, dass russische Streitkräfte in Butscha und anderen Städten Zivilpersonen getötet haben. Unter den Leichen waren auch einige mit gefesselten Händen. Unter den internationalen Journalistinnen und Journalisten, die das Massaker von Butscha dokumentierten, befanden sich auch Reporterinnen und Reporter von AFP.
"Gekaufte" Prominente
Der nationalistische Ministerpräsident Ungarns hat in Interviews auch auf Verschwörungserzählungen über ein "globales linkes Netzwerk" verwiesen, das angeblich Journalistinnen und Journalisten und sogar US-Prominente "gekauft" habe, um die Popularität von Selenskyj zu erhöhen. "Hollywoodstars wurden dafür bezahlt, nach Kiew zu reisen. Sie haben ihnen Millionen von Dollar gezahlt", sagte Orbán in einem Interview mit dem ungarischen staatlichen Rundfunk im März 2025. Die ungarische Regierung antwortete nicht auf die Anfrage von AFP nach der Quelle dieser Behauptung.
Die Behauptung könnte aus einem bereits widerlegten Video stammen, das angeblich von der US-Unterhaltungssendung E! News stammt und von Elon Musk und prominenten US-amerikanischen Konservativen geteilt wurde. Darin wurde ohne jegliche Beweise behauptet, dass die US-Entwicklungsbehörde USAID "Besuche US-amerikanischer Prominenter in der Ukraine gesponsert hat, um die Popularität von Selenskyj beim ausländischen Publikum – insbesondere in den USA – zu steigern".
Laut der Expertin Takácsy werden Orbáns Äußerungen betreffend die Ukraine in russischen Staatsmedien oft ausführlich zitiert. Orbán vertrete dasselbe Weltbild, das die Propaganda des Kremls im Inland gerne vermitteln würde. "Wenn sie dieselben Kritikpunkte am Westen, dieselben Anschuldigungen aus dem Mund eines Außenstehenden zitieren können, verleiht dies denselben Kritikpunkten zusätzliche Glaubwürdigkeit", schloss Takácsy.