Louvre-Juwelen: Angebliche Aufnahmen aus Ukraine sind KI-Fälschungen

Im Oktober 2025 wurden bei einem Überfall auf den Louvre in Paris Juwelen im Wert von über 88 Millionen Euro gestohlen. Online wurde anschließend fälschlich behauptet, die Juwelen aus dem französischen Museum seien bei einem ukrainischen Milliardär gefunden worden. In sozialen Medien wurden ein Video und KI-generierte Bilder der Juwelen als angebliche Beweise geteilt. AFP fand jedoch Anhaltspunkte für eine Manipulation der Aufnahmen. Ende November 2025 waren die Juwelen weiterhin verschwunden und die Diebe wurden inhaftiert.

100 Millionen US-Dollar (etwa 86 Millionen Euro) sollen laut Antikorruptionsermittlungen in der Ukraine aus dem Energiesektor veruntreut worden sein. In dem Land, in dem russische Angriffe zu verheerenden Stromausfällen geführt haben, löste diese Nachricht große Empörung aus. 

In diesem Zusammenhang kursierten Gerüchte in sozialen Medien, die den Louvre-Raub fälschlicherweise mit Timur Minditsch in Verbindung brachten – einem 46-jährigen Geschäftsmann, der für seine engen Beziehungen zu dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bekannt ist und den ukrainische Ermittlerinnen und Ermittler der weitverzweigten Korruption beschuldigen.

"Eine zuvor aus dem Louvre gestohlene Halskette wurde vom ukrainischen Geheimdienst NABU unter den bei Selenskyjs Freund Timur Mindich beschlagnahmten Vermögenswerten gefunden", heißt es in einem X-Beitrag vom 20. November 2025. Auch auf Facebook und weiteren Sprachen wie Englisch, Französisch, Slowakisch oder Tschechisch kursierte die Behauptung.

In den Beiträgen auf Deutsch wird ein englischsprachiges Video geteilt. Es beginnt mit der Einblendung der Logos des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (Nabu) und der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung (Sapo), wodurch der Eindruck entsteht, es handele sich um offizielles Material. "Ein Korruptionsskandal auf höchster Ebene der ukrainischen Regierung hat eine unerwartete Wendung genommen. Unter den beschlagnahmten Vermögenswerten von Timur Minditsch haben die Ermittlerinnen und Ermittler einen Teil der aus dem Louvre gestohlenen Juwelen entdeckt", sagt eine männliche Stimme auf Englisch.

Das Video kursierte auf anderen Sprachen auch auf weiteren Plattformen wie  VKontakte, Telegram und X. Am 19. November 2025 wurde zudem eine auf Russisch untertitelte Version in einem englischsprachigen Artikel des staatlich unterstützten russischen Mediums "Pravda" veröffentlicht, das laut der französischen Regierungsbehörde Viginum Teil eines russischen Desinformationsnetzwerks ist und auf europäische Länder abzielt.

Einige der Posts beinhalten Bilder, die angeblich die gestohlenen Juwelen wie eine Smaragdkette und Ohrringe der Kaiserin von Frankreich und Napoleon Bonapartes zweiter Frau Marie-Louise sowie Stapel von Banknoten zeigen. 

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X-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 24. November 2025

Die Behauptung über in der Ukraine gefundenen Schmuck verbreitete sich seit dem 18. November 2025, einen Tag nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein Abkommen unterzeichneten, wonach Kiew bis zu 100 Rafale-Kampfflugzeuge und andere Ausrüstung, darunter Drohnen, für die Verteidigung gegen Russland von Frankreich kaufen will.

AFP stellte jedoch fest, dass die im Internet kursierenden Bilder der angeblichen Juwelen nicht authentisch sind. Die ukrainische Nabu bestätigte, dass sie bei ihren Durchsuchungen bei Minditsch keinen aus dem Louvre gestohlenen Schmuck gefunden habe.

Visuelle Unstimmigkeiten deuten auf Fälschung hin

Eine Suche in den Facebook-Beiträgen der Nabu ergab, dass Teile des Filmmaterials aus einem Rekrutierungsvideo der Behörde stammen – allerdings wurde das Material in den Beiträgen mit der Falschbehauptung manipuliert.

Die Stimme im Video behauptet, dass die Nabu "Anfang Oktober" Hausdurchsuchungen durchgeführt habe, um den Schmuck zu finden. Dies stimmt jedoch nicht mit dem Zeitpunkt des Louvre-Einbruchs überein, der erst am 19. Oktober 2025 stattfand.

Das Bild des Schmucks, der angeblich bei Minditsch beschlagnahmt wurde, erscheint erstmals nach 20 Sekunden im Video. Dabei handelt es sich um dieselbe Aufnahme, die auch als Foto in einigen Beiträgen geteilt wird. 

Das genaue Datum des Schmuckdiebstahls wird auch in dem fraglichen Video korrekt angegeben, und zwar in dem Moment, in dem ein weiteres angebliches Foto der Halskette erscheint. "Bei der Durchsuchung von Minditschs Wohnung wurden große Summen Bargeld und verschiedene Luxusartikel beschlagnahmt, von denen zwei später als eine Smaragdkette und Ohrringe aus dem Schmuckset von Marie Louise von Österreich, Kaiserin von Frankreich und Ehefrau von Napoleon Bonaparte, identifiziert wurden", sagt die Stimme im Video. "Marie Louises Schmuckset im Wert von rund 15 Millionen Euro wurde am 19. Oktober 2025 von vier Kriminellen aus dem Louvre gestohlen, die später von französischen Sonderdiensten festgenommen wurden."

An dieser Stelle des Videos, bei Minute 1:34, erscheint eine Collage aus vier Bildern, die angeblich von dem mutmaßlichen Raub stammen. Die Fotos rechts und oben in der Mitte der Collage sind authentisch – die Nabu veröffentlichte sie am 10. November 2025 in Beiträgen auf Facebook und X.

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Screenshot des Videos mit der Falschbehauptung, grüne Umrandungen für authentische Fotos der Nabu und rote Umrandungen für KI-generierte Bilder von AFP hinzugefügt: 20. November 2025

Die rot markierten Bilder konnte AFP nicht auf den Profilen der Antikorruptionsbehörde finden.

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Vergleich zwischen den authentischen Fotos der Nabu im Video mit der Falschbehauptung (links) und einem Beitrag der Nabu mit den identischen Fotos (rechts), grüne Hervorhebungen von AFP hinzugefügt: 20. November 2025

Neben dem Stapel aus Banknoten sind auf beiden Bildern Schmuckstücke zu sehen, darunter eine Halskette mit grünen Edelsteinen.

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Bilder von Schmuckstücken im Video mit der Falschbehauptung, KI-Wasserzeichen von AFP hinzugefügt: 20. November 2025

Bei genauerer Betrachtung des linken Bildes fällt auf, dass versucht wurde, das Aussehen des Stapels auf den Banknoten und des Behälters mit Stiften aus dem authentischen Foto nachzuahmen. Die Zahlen auf dem 100-Dollar-Schein stimmen jedoch nicht mit jenen auf den echten Dollar-Banknoten im rechten Bild überein.

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Vergleich des manipulierten Bildes (links) mit dem authentischen Fotos der Nabu (rechts), rote Hervorhebungen der Unstimmigkeiten sowie gelbe Hervorhebungen der Nachahmungen durch AFP hinzugefügt: 20. November 2025

AFP verglich die in den Beiträgen gezeigte Halskette mit einem AFP-Foto der echten Halskette und Ohrringe, die einst Marie-Louise, Kaiserin von Frankreich, gehörten und am 14. Januar 2020 fotografiert wurden.

Darauf sind die echten Edelsteine länglicher als in den Beiträgen mit der Falschbehauptung. Außerdem befinden sie sich nicht an identischen Stellen der Halskette. Im manipulierten Bild (Mitte) enthält einer der grünen Edelsteine zudem ein Goldelement, das kein Bestandteil der echten Kette ist. 

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Vergleich eines AFP-Fotos (links) mit Screenshots des Videos mit der Falschbehauptung (Mitte, rechts), rote Hervorhebungen der unregelmäßigen Edelsteine und orange Hervorhebungen von Elementen, die im Foto des echten Schmucks nicht sichtbar sind, von AFP hinzugefügt: 20. November 2025 (STEPHANE DE SAKUTIN / AFP)

Auf AFP-Anfrage teilte die Pressestelle der ukrainischen Antikorruptionsbehörde am 20. November 2025 per E-Mail mit: "Die Nabu ist nicht die Urheberin des fraglichen Videos. Die Bilder, die die Juwelen zeigen, sind gefälscht und wurden nicht von der Nabu/Sapo veröffentlicht." Weiter führte sie aus: "Die Nabu hat im Rahmen der Ermittlungen gegen die betreffende Person (Timur Minditsch, Anm. d. Red.) die verschwundenen Louvre-Juwelen von Marie-Louise nicht gefunden."

Bilder sind KI-generiert

AFP analysierte die verdächtigen Bilder mit dem neuesten Modell des synthetischen Bilddetektors von InVID WeVerify, den AFP mitentwickelt. Bei dem Bild mit verschiedenen Halsketten stellte es mit 98-prozentiger Sicherheit fest, dass das Bild durch Künstliche Intelligenz (KI) erstellt worden war. Für das Bild der Smaragdkette lag die Bewertung bei 65 Prozent.

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Screenshots der Analyseergebnisse von InVID WeVerify: 20. November 2025

Wie Denis Teyssou, Leiter der Innovationsabteilung von AFP für InVID WeVerify, am 6. November 2025 erklärte, sind beide Bilder unregelmäßig geformt, da sie von einem Bildschirm aufgenommen wurden. "Wir können sagen, dass die Bilder von schlechter Qualität in einem bestimmten Winkel im Video aufgenommen wurden, wahrscheinlich um ihre Herkunft zu verschleiern."

Darüber hinaus bestätigte die Analyse der ältesten Version des Videos, die AFP finden konnte, in dem englischsprachigen Post mit dem Tool deepfake-total.com des Fraunhofer-Instituts mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent, dass es sich bei der Tonspur um einen Deepfake handelt. Die neueste Entwicklerversion des Audiotools Hiya von InVID WeVerify ergab eine Wahrscheinlichkeit von 88 Prozent, dass die Tonspur in dem fraglichen Video mit KI erstellt wurde.

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Screenshots der Ergebnisse der Audioanalysen von Hiya (links) und Deepfake Total (rechts): 20. November 2025

Am 19. Oktober 2025 brachen Diebe in den Louvre in Paris ein und stahlen innerhalb weniger Minuten Schmuck im Wert von 88 Millionen Euro (102 Millionen US-Dollar). Bis zum 25. November 2025 gibt es keine Medienberichte, dass die gestohlenen Schmuckstücke wiedergefunden worden seien, und vier Verdächtige wurden im Zusammenhang mit dem Diebstahl gefasst. Unter den acht Schmuckstücken, die laut Behörden "von unschätzbarem kulturellem Wert" sind, befindet sich auch die Tiara von Kaiserin Eugénie (Ehefrau von Napoleon III.), die mit fast 2000 Diamanten besetzt ist.

Die Direktion des Louvre hat unterdessen angekündigt, das Museum solle in Reaktion auf den Diebstahl 100 neue Überwachungskameras und einen mobilen Polizeiposten bekommen.

Fazit: Die Falschbehauptung, Schmuckstücke aus dem Louvre seien bei dem ukrainischen Milliardär Timur Minditsch bei Durchsuchungen in Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal gefunden worden, fußt auf KI-generierten Fotos. Die ukrainische Antikorruptionsbehörde bestätigte, dass sie bei Ermittlungen gegen Minditsch keinen Schmuck gefunden habe, der beim Louvre-Diebstahl am 19. Oktober 2025 gestohlen wurde.

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