
Keine Transaktion: Wolodymyr Selenskyj kaufte die französische Bank Milleis nicht
- Veröffentlicht am 17. März 2025 um 12:43
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Alexis ORSINI, AFP Frankreich
- Übersetzung: Johanna LEHN , AFP Deutschland
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Zahlreiche Luxusimmobilien soll Wolodymyr Selenskyj verschiedenen Falschinformationen zufolge bereits erworben haben. Nun ist angeblich ein Bankinstitut hinzugekommen. "Es stellte sich heraus, dass Selenskyj über seine Offshore-Firma Maltex eine der größten privaten Investmentbanken Frankreichs – Milleis Banque – erworben hatte", hieß es in einem Telegram-Beitrag vom 8. März 2025. "Der Wert des Deals wird auf 1,1 bis 1,25 Milliarden Euro geschätzt." Die Behauptung kursierte auch auf Facebook und Tiktok. Zudem wurde sie auf anderen Sprachen wie Bulgarisch, Französisch, Niederländisch und Ungarisch verbreitet.
Auch der deutsche Ableger des staatlich unterstützten russischen Mediums "Pravda" verbreitete die Behauptung durch einen Artikel und berief sich darin auf "Pravda France", die französische Version des Mediums. Der Artikel von "Pravda France" vom 6. März 2025 beinhaltet dasselbe Video, das auch in den Beiträgen in sozialen Medien zu sehen ist.
AFP widerlegte bereits verschiedene Falschbehauptungen, die von "Pravda" verbreitet wurden. Der französischen Behörde Viginum zufolge gehören die Websites zu einem russischen Desinformationsnetzwerk, das europäische Länder und die USA ins Visier nimmt.

Zu Beginn des geteilten Videos steht ein Mann, der sich als Journalist ausgibt, vor einem der Pariser Büros der Milleis Bank. Ein Logo in einer Bildecke suggeriert, das Video stamme angeblich von einem Sender namens "TV 12". Anschließend ist eine mechanisch klingende Stimme auf Französisch zu hören, demzufolge die Transaktion über 1,1 bis 1,25 Milliarden Euro Anfang Februar 2025 stattgefunden hätte. Weiter heißt es im Video, dass das Unternehmen Maltex Multicapital Corp den Kauf getätigt hätte – ein "Unternehmen, das eng mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verbunden ist [...] registriert auf den Britischen Jungferninseln und [...] im Zentrum seines Offshore-Imperiums".
Schließlich sei das Unternehmen Rothschild und Co. beauftragt worden, "einen Käufer für die Milleis Bank zu finden – dieselbe Firma, der Emmanuel Macron 2008 beigetreten ist". Angeblich sei "noch unbekannt, ob der französische Präsident eine Rolle bei der Übernahme der Milleis Bank gespielt hat".
Das Video enthält zudem authentische Auszüge aus Artikeln, die online verfügbar sind und die insbesondere die Erwähnung von Wolodymyr Selenskyj im Jahr 2021 – vor der Invasion der Ukraine durch Russland – in den Pandora Papers thematisieren. Die Pandora Papers sind eine umfangreiche Recherche des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten, die mehreren Hunderten von Menschen, darunter Wolodymyr Selenskyj, zur Last legt, Vermögenswerte in Offshore-Unternehmen versteckt zu haben. Im Video wird darüber hinaus ein echter Nachrichtenartikel vom Juni 2024 über die Suche der Milleis Bank nach einem Käufer erwähnt.
Der angebliche Nachrichtenbeitrag ist jedoch nicht echt und TV 12 kein tatsächlich existierender Nachrichtensender. Die angebliche Transaktion hat es nicht gegeben, wie die beteiligten Akteure gegenüber dem Faktencheck-Format "Les Observateurs" des französischen Senders France 24 und AFP erklärten.
Ein "offensichtlicher Fake"
"Wir sind uns der Falschinformation bewusst, die auf bestimmten sozialen Netzwerken kursiert und [...] wir weisen diese Behauptungen ausdrücklich zurück", erklärte das Presseteam der Milleis Bank gegenüber AFP am 11. März 2025. "Milleis Private Bank ist seit 2017 Eigentum ihres Anteilseigners AnaCap." Die gleiche Auskunft erhielt AFP ebenfalls am 11. März 2025 von einem Sprecher von AnaCap.
Das Video enthält falsche Beweise für den angeblichen Kauf durch das Unternehmen Maltex. So wird beispielsweise ein Auszug aus der angeblichen Abschlussprüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) eingeblendet. Auf AFP-Anfrage vom 11. März 2025 bezeichnete PwC das Dokument als "grobe Fälschung". Darüber hinaus ist kein Verkauf und keine Übertragung der Milleis Bank im französischen Amtsblatt für Zivil- und Handelsankündigungen (BODACC) verzeichnet, das solche Finanztransaktionen in Frankreich auflistet.
Musik von BBC und lizenzfreier Hintergrund verwendet
Darüber hinaus führte "Les Observateurs" von France 24 aus, dass es keinen Sender namens "TV 12" gibt. Im Video sei zudem an einer Stelle die Einführungsmusik der Nachrichtensendung BBC News zu hören und es werde ein lizenzfreier Hintergrund eingeblendet, der auf Youtube verfügbar ist.
Gefälschte oder irreführende Berichte, die insbesondere Selenskyj beschuldigen, westliche Hilfe für die Ukraine zu seinem persönlichen Vorteil zu veruntreuen, werden seit der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 immer wieder im Internet verbreitet. In den vergangenen Monaten wurden unter anderem die Falschinformationen geteilt, der ukrainische Präsident hätte ein Luxushotel im französischen Skigebiet Courcheval oder auch das Kehlsteinhaus in Bayern gekauft, das eine NS-Vergangenheit hat.
Die Recherche über die Pandora Papers stützte sich auf etwa 11,9 Millionen Dokumente von 14 Finanzdienstleistungsunternehmen und beschuldigte Selenskyj, der sein Image teilweise auf der Bekämpfung von Korruption aufgebaut hatte, ab 2012 ein Netzwerk von Offshore-Unternehmen unterhalten zu haben. Dieses Netzwerk ist den Recherchen zufolge teilweise genutzt worden, um drei opulente Immobilien in London zu kaufen. Zudem übertrug Selenskyj seine Anteile an einem seiner Offshore-Unternehmen, Maltex Multicapital, demnach im Jahr 2019 – kurz bevor er zum Präsidenten gewählt wurde – an seinen damaligen Partner Sergej Schefir, der später sein engster Berater wurde.
Am 11. März 2025 akzeptierte die Ukraine einen Vorschlag der USA über einen 30-tägigen Waffenstillstand mit Russland und erklärte sich nach einem Treffen mit Vertretern der US-amerikanischen Regierung in Saudi-Arabien "bereit für Frieden". Zuvor hatte die USA ihre Militärhilfen an die Ukraine eingestellt, nachdem es am 28. Februar 2025 im Oval Office des Weißen Hauses zwischen Donald Trump, seinem Vizepräsidenten JD Vance und Wolodymyr Selenskyj zum Eklat kam. Russland hat vor seiner Zustimmung zum Waffenstillstand die USA um Details der Vereinbarung ersucht. Der Kreml hat ein für den 18. März 2025 vorgesehenes Telefonat zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump bestätigt.
Alle Faktenchecks zur Ukraine sammelt AFP auf der Website.
Fazit: Die Behauptung, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätte über eines seiner Unternehmen die französische Bank Milleis gekauft, ist falsch. Die Bank sowie weitere an der angeblichen Transaktion beteiligten Akteure dementierten den Kauf. Der Sender des vorgeblichen Nachrichtenbeitrags über die Transaktion existiert zudem nicht.