Website verbreitet Falschinformationen über Hotelkauf durch Selenskyj
- Veröffentlicht am 12. Dezember 2024 um 16:07
- 9 Minuten Lesezeit
- Von: Louise DALMASSO, Rossen BOSSEV, AFP Frankreich, AFP Bulgarien
- Übersetzung: Gundula HAAGE , AFP Deutschland
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Ein online kursierendes Video, das wie eine französische Nachrichtensendung anmutet, zeigt einen Fernsehmoderator vor einem schneebedeckten Gebäude: "Ich stehe vor dem Luxushotel 'Palace des Neiges'", sagt der Mann zu Beginn des 88-sekündigen Videos auf Französisch in ein Mikrofon. Das Hotel befände sich im Skigebiet Courchevel und habe der in Monaco ansässigen SBM-Gruppe gehört, sei aber vor einem Monat verkauft worden. "Der neue Eigentümer ist berühmt", es handele sich um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, heißt es darin weiter. "Das in Belize registrierte Unternehmen Film Heritage Inc., das Selenskyj gehört, hat das Hotel Palace des Neiges gekauft", behauptet ein weiterer Sprecher, der aus einem TV-Studio eingeblendet wird. Das Video zeigt zudem einen Screenshot der angeblich offiziellen Website des Hotels mit der Überschrift "2024 Film Heritage Inc. Alle Rechte vorbehalten".
Der Clip wurde vielfach in sozialen Medien geteilt. "Selenskyj hat ein Hotel im Skigebiet Courchevel in Frankreich für 88 Millionen Euro gekauft", schrieb etwa ein Facebook-Nutzer am 29. November 2024 dazu. Auf X und Telegram wurde das Video ebenfalls verbreitet und zirkulierte unter anderem auf Bulgarisch, Englisch, Polnisch und Russisch.
Anfang Dezember 2024 wurde die falsche Behauptung von der Website "Pravda" auf Deutsch, Französisch und Spanisch geteilt. Die Website ist Teil eines koordinierten Netzwerks, das russische Propaganda in Europa und den USA verbreitet, wie die französische Beobachtungsstelle für digitale Einflussnahme aus dem Ausland (Viginum) aufdeckte.
Das Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation, eine ukrainische Regierungsbehörde, die dem ukrainischen Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat unterstellt ist, wies einen Zusammenhang zwischen Selenskyj und einem Hotelkauf in Frankreich in einer Erklärung zurück, die am 30. November 2024 auf Facebook veröffentlicht wurde.
AFP konnte nachweisen, dass die kursierende Behauptung über das Hotel "Le Palace des Neiges" falsch ist: Das Unternehmen Film Heritage Inc. steht zwar tatsächlich mit Wolodymyr Selenskyj in Verbindung, doch die verbreitete Website ist gefälscht.
Gefälschte Website wurde im November 2024 erstellt
Als vermeintlichen Beweis für die Behauptung, Selenskyj habe das Luxushotel in Courchevel gekauft, wird in dem online kursierenden Video eine Website gezeigt. Laut Video handele es sich dabei um die offizielle Website des Hotels "Le Palace des Neiges". Doch bei genauerer Untersuchung konnte AFP feststellen, dass die Website gefälscht ist und lediglich die Startseite der originalen Hotel-Website kopiert wurde. Auf der betrügerischen Website wurde das Hotellogo durch das Logo des Unternehmens Film Heritage Inc. ersetzt:
Der Domainname der gefälschten Website, "hotelpalacedesneiges.com", unterscheidet sich von jenem der offiziellen Website des Hotels, der "palacedesneiges.com" lautet. Die meisten Unterseiten der gefälschten Website zeigten lediglich die Fehlermeldung "Wartung" an. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels war die gefälschte Website nicht mehr abrufbar.
AFP konnte mithilfe einer Domain-Suche das Registrierungsdatum der beiden Websites herausfinden. Demnach wurde die echte Hotel-Website im Jahr 2007 erstellt, während die gefälschte Website am 22. November 2024 erstellt wurde – nur wenige Tage bevor das Video im Internet verbreitet wurde.
Das in Monaco ansässige Unternehmen SBM (Monte-Carlo Société des Bains de Mer), dem das Hotel "Le Palace des Neiges" laut Impressum der Originalwebsite gehört, bestätigte gegenüber AFP, dass es keinerlei Verbindungen zum Unternehmen Film Heritage Inc. gebe.
Hotelunternehmen distanziert sich von Falschbehauptungen
Am 2. Dezember 2024 erklärte ein Sprecher von SBM gegenüber AFP, das Unternehmen habe das Hotel "Le Palace des Neiges" bereits "im Oktober 2023 erworben, um es in unser Hotelportfolio zu integrieren". An eine Firma namens Film Heritage Inc. sei das Hotel nicht verkauft worden, bei den online verbreiteten Behauptungen handele es sich um "Fake News".
Darüber hinaus erklärte SBM in einem Finanzbericht (hier archiviert) vom September 2024, dass der Erwerb "des Hotels mit dem Ziel einer umfassenden Renovierung" Teil des Wunsches sei, "die internationale Entwicklung voranzutreiben". Auch in dem Bericht gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass das Unternehmen das Hotel direkt wieder verkaufen wolle. Demnach wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten begonnen, um rechtzeitig zur Wintersaison 2026/2027 wieder eröffnen zu können.
Medien aus Monaco, wo SBM seinen Firmensitz hat, berichteten zudem von einer Pressekonferenz nach der Hauptversammlung der SBM-Aktionärinnen und -Aktionäre am 20. September 2024. Laut dem Artikel sagte dabei Stéphane Valeri, CEO von SBM, dass das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron an der Renovierung beteiligt sei. Das Hotel soll demnach ab der Saison 2026/2027 unter dem neuen Namen "Monte-Carlo One Courchevel" eröffnen, in Anlehnung an andere SBM-Projekte.
"Dank der Olympischen Spiele hätten wir heute, wenn wir weiterverkaufen wollten, einen Wertzuwachs von 20 bis 30 Prozent, während wir in Courchevel noch nicht viel getan haben", sagte die CEO weiter. Im Juli 2024 hatte das Internationale Olympische Komitee verkündet, dass die Olympischen Winterspiele 2030 in den französischen Alpen stattfinden sollen. Das Hotel liegt in der Nähe des Austragungsortes für mehrere Sportdisziplinen.
Ein Artikel einer Lokalzeitung aus Monaco fasste detaillierte Informationen über die Renovierung des Hotels zusammen. Auch darin gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass "Le Palace des Neiges" verkauft worden sein soll.
Video wurde auf anonymer, unseriöser Website veröffentlicht
Mithilfe einer erweiterten Websuche konnte AFP einen französischsprachigen Artikel ausfindig machen, in dem das Video bereits am 28. November 2024 veröffentlicht wurde. Der Artikel erschien unter dem Titel "Selenskyjs Unternehmen hat ein Hotel im Skigebiet Courchevel gekauft" auf einer Website namens "Les Echos de la France" und enthielt einen Link zur gefälschten Website des Hotels.
In der rechten oberen Ecke des kursierenden Videos befindet sich ein Logo mit zwei Buchstaben – E und F – in einem roten Rahmen. Dabei handelt es sich um das Logo von "Les Echos de la France". Daher ist es wahrscheinlich, dass das Video von der Website produziert und veröffentlicht wurde. Der Name der Website ähnelt stark dem bekannten französischen Pressetitel "Les Echos", was Leserinnen und Leser in die Irre führen könnte.
Bei genauerem Blick auf die Website "Les Echos de la France" fand AFP jedoch nur wenige Artikel, keine Impressum-Seite, keine Kontaktinformationen und keine Verlinkungen zu sozialen Netzwerken. Über eine Domain-Suche wurde festgestellt, dass die Website am 25. November 2024 erstellt wurde (hier archiviert).
Andere auf der Website geteilte Artikel fielen dadurch auf, dass sie keine Autorinnen- und Autorennamen nennen und dass einige davon aus verschiedenen Websites kopiert und eingefügt wurden. Ein Artikel wurde beispielsweise am 26. November 2024 unter dem Titel "La crise du capitalisme français, la menace bonapartiste et les potentialités hégémoniques du prolétariat" (Die Krise des französischen Kapitalismus, die bonapartistische Bedrohung und das hegemoniale Potenzial des Proletariats) auf "Les Echos de la France" veröffentlicht. Gibt man diese Überschrift in eine Suchmaschine ein, dann taucht als erstes Suchergebnis der identische Text auf der Website der trotzkistischen politischen Partei Révolution permanente auf. Dieser wurde am 24. November 2024 veröffentlicht.
Video wurde tatsächlich vor dem Hotel "Le Palace des Neiges" gedreht
Eine Suche nach der Adresse des Hotels auf Google Street View ergab denselben Schauplatz, der im Video zu sehen ist: Dieselbe Architektur, dasselbe runde Schild auf dem Dach des Gebäudes und dieselben vier Pfosten vor dem Hotel sind dort zu sehen.
AFP war jedoch nicht in der Lage, den im Video vor dem Hotel stehenden Mann zu identifizieren. Die zweite Person, die im Video gezeigt wird, steht vor einer Kulisse, die wie ein TV-Nachrichtenstudio anmutet. Auch hier wurde eine umgekehrte Bildersuche durchgeführt und ergab, dass der Hintergrund auf Youtube frei verfügbar ist.
Desinformationskampagne gegen Selenskyj
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurden vermehrt Falschinformationen über Wolodymyr Selenskyj und seine Familienmitglieder in sozialen Medien geteilt. Dabei wird oft behauptet, er zweige Hilfsgelder westlicher Staaten ab oder hänge dem Nationalsozialismus an. So widerlegte AFP beispielsweise im Januar 2024 die Desinformation, Selenskyj habe die ehemalige Villa des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels nahe Berlin gekauft.
Die Behauptung, das Unternehmen Film Heritage Inc. habe das besagte Hotel "Le Palace des Neiges" gekauft, konnte AFP widerlegen. Doch es gibt tatsächlich kritische Verknüpfungen zwischen dem Unternehmen und dem ukrainischen Präsidenten, der sein Image zum Teil auf den Kampf gegen Korruption aufgebaut hat: Vor der russischen Invasion erschien Selenskyjs Name im Zusammenhang mit den sogenannten Pandora Papers. Laut der Recherche des International Consortium of Investigative Journalists wurde ihm vorgeworfen, ab 2012 ein Netz von Offshore-Firmen gegründet zu haben, die angeblich zum Kauf von drei Luxusimmobilien in London genutzt wurden. Die Recherche basiert auf über 11,9 Millionen Dokumenten von 14 Finanzunternehmen.
Laut den Pandora Papers gehörte das Unternehmen Film Heritage Inc. vormals Wolodymyr Selenskyj und wurde im Jahr 2019 an seine Frau Olena Selenska übertragen.
Eine Umfrage vom November 2024 fand zudem heraus, dass die Zustimmung der ukrainischen Bevölkerung zu Selenskyj auf dem niedrigsten Stand seit Beginn des Krieges befindet.
Weitere Faktenchecks rund um den Krieg in der Ukraine sammelt AFP auf ihrer Website.
Fazit: Entgegen online kursierender Behauptungen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nichts mit dem Kauf eines Luxushotels im französischen Skiort Courchevel zu tun. AFP konnte nachweisen, dass die Falschbehauptung über eine unseröse Website mit gefälschten Elementen verbreitet wurde.