Studie liefert keine Beweise für Langzeitschäden durch Maskentragen

Während der Pandemie haben sich Masken als effektives Mittel zur Eindämmung des Coronavirus herausgestellt. Aktuell teilen User in sozialen Medien die Behauptung, eine neue Studie zeige angeblich Langzeitschäden durch toxische Inhaltsstoffe beim Tragen von Masken. Die zitierte Studie liefert jedoch keine Beweise dafür, dass Masken langfristig Gesundheitsprobleme verursachen. Es handelt sich im Übrigen um einen Artikel, der andere Studien auswertet. Fachleute sowie zahlreiche Studien bestätigen zudem, dass richtig angewandte Masken einen wirksamen Schutz vor Viren bieten und nicht schädlich sind.

"Neue Studie: Langzeitschäden durch toxische Inhaltsstoffe beim Tragen von Masken", heißt es in zahlreichen Facebook-Postings von Anfang Mai 2024. Auf dem geteilten Bild sind zwei Personen mit Gesichtsmaske abgebildet. Darüber ist unter anderem das Logo des österreichischen Blogs "tkp" zu sehen. In den Kommentaren zeigen sich User besorgt: "Viele Kinder werden später mit Lungenkrebs zu kämpfen haben", kommentierte etwa eine Nutzerin.

Die Behauptung wurde hundertfach geteilt. Sie kursiert auch auf anderen Plattformen wie Telegram.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 10. Mai 2024

Die Behauptung geht meist auf einen Artikel von "tkp" zurück, der sich mit der zitierten Studie auseinandersetzt. In zahlreichen Postings wird direkt darauf verlinkt. Bei "tkp" handelt es sich um einen Blog, der bereits Falschinformationen verbreitete, mit denen sich AFP in der Vergangenheit (etwa hier und hier) beschäftigt hat.

Zusammenfassung von Studie auf österreichischem Blog

"Neue Studie: Langzeitschäden durch toxische Inhaltsstoffe beim Tragen von Masken", lautet der Titel des "tkp"-Beitrags, der in sozialen Medien vielfach erwähnt wird. "Eine neue Studie fasst die Schadpotenziale zusammen", heißt es in der Einleitung des Artikels. In der Folge wird die betreffende Studie, deren Autoren es laut Experten an fachlicher Qualifikation fehle, näher beschrieben.

Zu deren Aufbau ist im "tkp"-Artikel angeführt, dass 1003 Studien überprüft und schließlich 24 ausgewertet wurden, in denen Gehalt und Freisetzung von Giftstoffen in "631 Masken (273 chirurgische, 228 textile und 130 N95-Masken)" untersucht wurden. Das wird auch in der Studie so angeführt. Es handelt sich somit um keine eigens durchgeführte Studie, sondern um eine Analyse anderer Studien zum Thema. Das wird in einigen Postings in sozialen Medien auch explizit erwähnt: "Ist eine Meta-Studie, das Thema der Autoren der letzten Jahre — jedoch noch ohne Peer Review", heißt es etwa korrekterweise hier.

Laut "tkp" hätten die Autoren festgestellt, dass die Bevölkerung "durch das erzwungene Tragen von Masken mehr als einem Dutzend organischer und anorganischer Giftstoffe ausgesetzt war". Darüber hinaus würden Masken zur Aufnahme von Mikroplastik und Mikrofasern in Lunge und Verdauungstrakt führen.

Im Artikel wird jedoch stets nur auf mögliche – und nicht auf belegte oder festgestellte – negative Auswirkungen von Masken, die in der Studie untersucht wurden, verwiesen. Es ist etwa von "potenzieller Toxizität beim Maskenträger" oder "potenziell lebensverkürzenden Auswirkungen" die Rede. Zudem wird im Artikel angeführt, dass die Verwendung von Masken laut Studie die Belastung von Atemwegen, Lunge und Organen mit chemischen Verbindungen, Schwermetallen, Mikro- und Nanoplastik erhöhen könne. Dass dies festgestellt oder belegt wurde, ist nicht zu lesen.

Keine Belege in zitierter Studie 

Die zitierte Studie wurde am 15. April 2024 mit der englischen Headline "Wearing face masks as a potential source for inhalation and oral uptake of inanimate toxins – A scoping review" veröffentlicht. Diese nimmt somit lediglich Bezug auf Masken als "potenzielle" Quelle für die Aufnahme von Giftstoffen. Der Blog "tkp" übersetzte im Fließtext korrekterweise mit "Das Tragen von Gesichtsmasken als potenzielle Quelle für die Inhalation und orale Aufnahme unbelebter Toxine – Ein Überblick über den Umfang".

In der zitierten Studie selbst werden keinerlei Beweise angeführt, dass Masken langfristig Gesundheitsprobleme verursachen würden – anders als die geteilten Postings suggerieren. Nachgewiesene Langzeitschäden durch das Tragen von Masken finden in der Studie keine Erwähnung. Auch "tkp" bezieht sich lediglich im Titel des Artikels darauf.

Die zitierte Studie enthält zwar tatsächlich Warnungen vor dem Tragen von Masken. Es werden allerdings nur mögliche negative Auswirkungen genannt, jedoch keine eindeutigen Schlussfolgerungen getätigt: "Natürlich filtern Masken größere Schmutz- und Kunststoffpartikel sowie -fasern aus der Atemluft, aber unseren Daten zufolge bergen sie auch das Risiko des Einatmens von Mikroplastik- und Nanoplastikpartikeln und potenziell toxischen Substanzen, die aus dem Maskenmaterial selbst stammen." Die Vorteile und Risiken der Verwendung müssten daher sorgfältig abgewogen werden. Einige der unmittelbaren Beschwerden beim Tragen einer Maske wie Kopfschmerzen, trockener Husten, Schnupfen oder Hautreizungen "könnten" mit den "potenziellen kurz- und langfristigen negativen Auswirkungen" von Toxinen in Masken mit gesundheitsgefährdenden und krebserregenden Eigenschafte zusammenhängen, heißt es etwa.

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Frau trägt eine Gesichtsmaske, als sie am 1. April 2023 ein staatliches Krankenhaus in Chennai in Indien betritt (AFP / R.Satish Babu)

Fachleute sehen keine Gefahr in Masken

Fachleute können den Warnungen vor dem Tragen von Masken jedoch wenig abgewinnen. Auf AFP-Anfrage antwortete Oliver Licht, Toxikologe am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin und Öffentlichkeitsbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Toxikologie (GT), am 13. Mai 2024, dass der GT zu möglicherweise gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen in FFP2-Masken "keine Erkenntnisse" vorliegen. Von Masken freigesetzten Fasern gehe zudem "keine oder eine vergleichsweise geringe Gesundheitsgefahr" aus. Die Verringerung der Risiken einer Infektion überwiege bei weitem. "Von Berufstätigen, die täglich Atemmasken tragen, sind keine besonderen Gesundheitsgefährdungen bekannt", hieß es weiter. Für gewisse Maskentypen gibt es jedoch medizinisch begründete Maximaltragezeiten sowie Pausenzeiten.

Auf AFP-Anfrage zu der geteilten Behauptung schrieb die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) in einer Nachricht am 10. Mai 2024, dass während der Pandemie eine Vielzahl chemisch unterschiedlicher Masken auf den Markt geworfen wurden, die hinsichtlich der medizinischen Unbedenklichkeit im Sinne eines allgemeinen Bevölkerungsschutzes "nicht gründlich überprüft" wurden. Ordentlich geprüfte Masken von verlässlichen Herstellern zum Arbeitsschutz werden jedoch seit Jahrzehnten verwendet, "ohne dass es erkennbar zu einschlägigen chemisch verursachten Schäden im Sinne von Intoxikationen oder Tumorgeschehen bei den Exponierten weltweit gekommen ist", schrieb Nicole von Maltzahn von der DGHM.

Die Pressestelle des Robert-Koch-Instituts (RKI) verwies in einer Nachricht an AFP vom 8. Mai 2024 auf eine Stellungnahme der DGHM und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) aus 2020, die weiterhin "nützlich" sei. Darin befürworten die beiden Gesellschaften grundsätzlich das Tragen von Masken und betrachten diese als unbedenklich, sofern sie ordnungsgemäß verwendet werden.

Von Seiten des Pressereferates des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit wurde in einer Nachricht an AFP am 23. Mai 2024 zunächst betont, dass es sich bei der in sozialen Medien zitierten Publikation um "keine neue Studie", sondern lediglich um ein "Review" bereits bekannter Publikationen handle. Dessen Aussagekraft sei "begrenzt", erklärte ein Sprecher: "Dies hängt unter anderem mit erheblichen Limitationen bezüglich der Forschungsfrage, der unklaren Definition von Einschluss- und Suchkriterien bei Studiensuche, der fehlenden Transparenz bei der Auswahl der aufgeführten Studien und der unzureichenden Diskussion der Ergebnisse zusammen."

Zur Sicherheit von Masken hieß es weiter: "Von Seiten der Risikobewertung zum Tragen von Masken liegen keine Hinweise dafür vor, dass die Anwendung von medizinischen Gesichtsmasken systematisch zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden geführt hat." Dies beziehe sich nicht nur auf die Covid-19-Pandemie und die Tatsache, dass medizinische Gesichtsmasken in dieser Zeit von der gesamten Bevölkerung getragen wurden, "sondern auch auf medizinisches Fachpersonal, welches diese Masken seit Jahrzehnten regelmäßig und täglich über mehrere Stunden tragen muss", so der Sprecher.

Einschlägig bekannte Studienautoren

Laut von Maltzahn von der DGHM wurde das geteilte Papier zudem von Autoren verfasst, die "mehrheitlich keinerlei wissenschaftliche Qualifikation aufweisen". Als Hauptautor der Veröffentlichung wird Mediziner und Chirurg Kai Kisielinski genannt. Er war bereits in der Vergangenheit an Publikationen beteiligt, die sich kritisch zu Masken äußerten. Deren Aussagekraft wurde bereits mehrfach widerlegt (etwa hier und hier).

Co-Autor und Immunologe Stefan Hockertz zählt laut Medienberichten zu den prominentesten Kritikern an den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland. Er hat bereits Falschaussagen in diesem Zusammenhang getätigt, die zum Beispiel hier und hier Faktenchecks unterzogen wurden.

Studien belegen Schutz durch Masken

In der zitierten Studie wird schließlich angeführt, dass es "keine empirischen Belege für die Wirksamkeit der Masken bei der Eindämmung der Verbreitung von Viren" gäbe. Im Hinblick auf die zahlreichen toxischen Inhaltsstoffe von Gesichtsmasken seien etwa weitere Aufarbeitung und Forschungen "dringend erforderlich".

Die Schutzwirkung von richtig angewandten Masken ist jedoch durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Artikel und Studien belegt. Das RKI weist online etwa darauf hin, dass korrekt getragene medizinische Masken in Phasen, in denen sich Viren stark verbreiten, in Innenräumen zusätzlich vor Infektionen schützen können. Aus einer Studie des Max-Planck-Instituts geht hervor, dass medizinische Masken das Corona-Infektionsrisiko deutlich senken. Darin ist zu lesen: "Wir stellen fest, dass das Infektionsrisiko sehr gering ist, wenn jeder eine Gesichtsmaske trägt, auch wenn sie nicht perfekt auf dem Gesicht sitzt."

AFP hat in der Vergangenheit bereits Aussagen widerlegt, Masken enthielten gefährliche Giftstoffe, erhöhten das Krebsrisiko oder führten zu Sauerstoffmangel bei Kindern. Auch die Behauptung, FFP2-Masken würden keinen Schutz vor Viren bieten, hat AFP bereits mehrfach widerlegt (etwa hierhier oder hier). 

Fazit: User in sozialen Medien teilen die Behauptung, eine neue Studie zeige angeblich Langzeitschäden durch toxische Inhaltsstoffe beim Tragen von Masken. Das ist irreführend. Die zitierte Studie liefert keine Beweise dafür, dass Masken langfristig Gesundheitsprobleme verursachen. Es handelt sich um einen Artikel, der lediglich andere Studien auswertet. Fachleute sowie bestätigen zudem, dass korrekt getragene Masken nicht schädlich sind und vor Viren schützen.

Statement Gesundheitsministerium ergänzt
5. Juni 2024 Statement Gesundheitsministerium ergänzt

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