Videoclip zeigt Demo gegen Rechts in Hamburg, keinen pro-palästinensischen Protest in den USA

Ein Video, das eine große Menschenmenge zeigt, die gegen die rechtspopulistische AfD demonstriert, ist nun in chinesischen sozialen Medien aufgetaucht. Allerdings mit der falschen Behauptung, dass es sich um einen pro-palästinensischen Protest an einer Universität in den USA handle. Tatsächlich wurde das Video in Hamburg im Januar 2024 aufgenommen und steht daher in keinerlei Zusammenhang mit Kundgebungen gegen den Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen.

"Demo an US-amerikanischer Uni: Der pro-palästinensische Protest an der Columbia University war gigantisch!", so die vereinfachte chinesische Bildunterschrift eines Videos, das am 30. April 2024 auf Weibo gepostet wurde. 

Das Video, das mehr als 156.000 Mal angesehen wurde, zeigt mehrere Luftaufnahmen einer riesigen Menschenmenge, während im Hintergrund ein deutschsprachiges Lied zu hören ist.

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Weibo-Screenshot der Behauptung: 6. Mai 2024

Das gleiche Video wurde auch an anderer Stelle mit ähnlich falschen Behauptungen auf Weibo geteilt – und mehr als 109.000 Mal angesehen.

Die Beiträge wurden nur wenige Tage vor der polizeilichen Räumung des Campus der New Yorker Columbia University – die das Epizentrum der pro-palästinensischen Proteste an US-Hochschulen darstellt – und der Zwangsräumung eines von protestierenden Studentinnen und Studenten besetzten Gebäudes geteilt. 

Die Proteste gegen den Krieg im Gazastreifen, durch den schon viele Zivilistinnen und Zivilisten – vor allem auf palästinensischer Seite – ihr Leben verloren haben, stellen die Universitätsverwaltung vor große Herausforderungen: Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss mit den Vorwürfen in Einklang gebracht werden, dass die Kundgebungen in Antisemitismus und Hasstiraden ausufern.

Grund der intensiven Bombardierung des Gazastreifens durch Israel ist der beispiellose Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem nach offiziellen israelischen Angaben – die von AFP überprüft wurden – rund 1.170 Menschen starben. Israels Vergeltungsoffensive forderte nach Angaben des Gesundheitsministeriums in der von der Hamas kontrollierten Region bis jetzt mehr als 34.500 Menschenleben im Gazastreifen – darunter größtenteils Frauen und Kinder.

Das Video hat jedoch weder etwas mit pro-palästinensischen Protesten noch mit Hochschulen in den USA zu tun.

Kundgebung in Deutschland

Eine umgekehrte Bildsuche mit Schlüsselaufnahmen aus dem Video und eine anschließende Google-Stichwortsuche führte zu einem ähnlichen Filmmaterial, das am 20. Januar 2024 auf dem Youtube-Kanal des Dokumentarfilm- und Digital-Content-Entwicklers red. media veröffentlicht wurde. Laut Bildunterschrift zeigt das Video Zehntausende Menschen, die in Hamburg gegen die rechtspopulistische AfD protestieren.

Im Folgenden ist ein Screenshot-Vergleich des Videos, das in den manipulierten Beiträgen verwendet wurde (links), und des tatsächlich, von red. media auf Youtube veröffentlichten Materials (rechts) zu sehen:

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Screenshot-Vergleich der Falschmeldungen (links) und des tatsächlichen Videos auf Youtube (rechts)

AFP berichtete, dass es in ganz Deutschland Proteste gab, nachdem bekannt wurde, dass AfD-Politiker bei einem Treffen mit Rechtsextremisten über die Ausweisung von Asylbewerbern und Ausländern mit Bleiberecht als auch von "nicht assimilierten" deutschen Staatsbürgern diskutiert hatten. 

Die Nachricht von dem Treffen schockierte ganz Deutschland. Zu der Zeit – einige Monate vor den wichtigen Regionalwahlen in Ostdeutschland, wo die AfD am meisten Unterstützung erhielt – lag die rechtspopulistische Partei in Meinungsumfragen hoch im Kurs

Nach Angaben der Polizei nahmen rund 50.000 Menschen an der Demonstration in Hamburg teil – deutsche Medien berichteten, dass sie wegen zu großem Andrang abgebrochen werden musste.

AFP, der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und die Deutsche Welle (DW) veröffentlichten Videos von der Kundgebung, die die Demonstration aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen. Al-Jazeera berichtete, dass eine Gruppe von pro-palästinensischen Demonstranten versuchte, sich der Anti-AfD-Veranstaltung anzuschließen – sie sollen jedoch diskriminiert und herumgeschubst worden sein.

Bilder von Google Maps zeigen, dass die Kundgebung auf der Jungfernstieg-Promenade stattfand. Ein Screenshot-Vergleich zeigt das in den manipulierten Beiträgen verwendete Filmmaterial (links) und den Jungfernstieg auf Google Maps (rechts):

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Screenshot-Vergleich des Filmmaterials der Falschmeldungen (links) und des tatsächlichen Ortes (Jungfernstieg) auf Google Maps (rechts)

AFP hat schon in der Vergangenheit Behauptungen entkräftet, wonach diese Kundgebung gegen die AfD in Hamburg eine pro-palästinensische Demonstration gewesen sein soll. Auch hat sich AFP mit Falschbehauptungen beschäftigt, wonach die Bilder von der Kundgebung manipuliert worden seien. Faktenchecks über den Krieg zwischen Israel und der Hamas finden sich hier

Fazit: Die Videoaufnahmen zeigen eine Demonstration gegen die deutsche rechtspopulistische Partei AfD und stehen daher in keinerlei Zusammenhang mit pro-palästinensischen Protesten an US-amerikanischen Universitäten.

Tippfehler in der Überschrift korrigiert
17. Mai 2024 Tippfehler in der Überschrift korrigiert

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