
Gefälschtes Interview mit deutschem Virologen Christian Drosten: Diesen ORF-Beitrag gab es nie
- Veröffentlicht am 19. Mai 2025 um 14:06
- Aktualisiert am 19. Mai 2025 um 16:45
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Elena CRISAN, AFP Österreich
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"Jeder, der gegen Covid geimpft wurde, befindet sich in akuter Lebensgefahr", sagt die angebliche Stimme des Moderators Armin Wolfs in einem Clip, der an ein Interview in der Nachrichtensendung "Zeit im Bild" (ZiB) im Österreichischen Rundfunk (ORF) erinnert. "Schockierende Enthüllungen", lautet eine Einblendung, während der deutsche Virologe Christian Drosten zugeschaltet wird. Hinter Drosten ist das Brandenburger Tor in Berlin zu sehen. "Hören Sie selbst, was der Arzt sagt", so der Moderator weiter.
Mithilfe einer erweiterten Websuche fand AFP keinen ORF-Beitrag, der einen solchen Inhalt sendete.
Aber visuell ähnelt der Beitrag sehr stark einem tatsächlichen Interview, welches die ZiB2 am 26. Februar 2025 sendete, in dem Virologe Christian Drosten über die Entwicklungen der vergangenen fünf Jahre seit der Corona-Pandemie sprach und eine Reihe von Fragen beantwortete, wie zum Beispiel über das Risiko, an Long Covid zu erkranken, die Wirksamkeit der Impfungen oder den Ursprung des Virus.
Im anscheinend überarbeiteten Clip ist ein Tippfehler in der Bildunterschrift zu lesen, der als möglicher Hinweis auf eine Fälschung gesehen werden könnte. Dem Virologen Drosten wird darin das folgende Zitat zugeschrieben: "Jeder, der gegen Covid geimpft wurde, ist buchstäblich ein wandlender (sic) Leichnam", lautet der am 10. Mai 2025 auf Facebook tausendfach geteilte Beitrag.

Der erste Facebook-Beitrag mit dem gefälschten Clip, den AFP ausfindig machen konnte, wurde am 10. Mai 2025 von einem Konto gepostet, das angibt, einer Werbeagentur zu gehören. Seit dem wurde der Clip mehr als 2700 Mal geteilt.
Während sich manche Userinnen und User skeptisch äußerten und in dem Beitrag einen "KI-Fake" erkannten, fühlten sich andere in ihrer Ablehnung gegenüber den Impfungen bestätigt: "Gott sei dank bin ich nicht geimpft", schrieb ein User.
Das Interview wurde gefälscht
Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass das Video nicht authentisch ist. Die Stimmen ähneln zwar denen der tatsächlichen Personen, klingen jedoch stellenweise abgehackt und roboterhaft. Wenn der ORF-Moderator Wolf oder der Virologe Drosten sprechen, wirkt das Gesicht rund um den Mund unscharf, leicht starr und entspricht nicht ihren natürlichen Lippenbewegungen. Auch eine Figur – die Umrisse einer Straßenlaterne – die hinter Drostens rechter Schulter erscheint, bewegt sich abrupt, wenn er redet.
Bei dem vermeintlichen Zitat Drostens, dass jede und jeder Geimpfte ein "wandlender Leichnam" wäre, schlich sich zudem ein Tippfehler ein. Diese wirken in der journalistischen Berichterstattung unseriös.
Ein Vergleich zwischen dem gefakten Clip und dem tatsächlichen Interview zeigt Elemente, die darauf hindeuten, dass es sich bei dem Originalvideo um die Grundlage für den Fake handelte. Dies wird vor allem in jenen Szenen deutlich, in denen Drosten eingeblendet wird. Die in rot, blau und gelb hervorgehobenen Gegenstände wie etwa die Straßenlaterne, das Brandenburger Tor und das gestreifte Hemd kommen in beiden Versionen vor. Sogar die Falten des Hemds fallen ähnlich.

Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass der Beitrag nicht echt ist, sind fehlende Informationen wie etwa Sendezeit oder Datumsangabe des vermeintlichen Interviews. Eine zusätzliche Ungereimtheit ist die Behauptung in der Videobeschreibung, dass die "Medien" über diese "schockierende Wahrheit" schweigen würden – ein beliebtes und immer wiederkehrendes Thema unter Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern. Immerhin soll das angebliche Video eine der meistgesehenen Nachrichtensendungen im österreichischen Fernsehen darstellen.
AFP analysierte den Ausschnitt mit dem Deepfake Detector von InVID-WeVerify.

Das Tool betrachtete die Audiospur als "sehr wahrscheinlich" mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) generiert.
Moderator und Virologe distanzieren sich von "Fälschung"
Von AFP kontaktiert, antwortete ORF-Moderator Armin Wolf am 14. Mai 2025: "Das Interview ist natürlich eine plumpe Fälschung" auf Basis eines Interviews, "das ich am 26.2.2025 tatsächlich mit Prof. Drosten geführt habe". Dieses habe der Fernsehsender "am selben Tag (gekürzt)" in der ZiB2, ungekürzt im Medienarchiv orf.on hochgeladen. Jenes Interview ist dort allerdings nicht mehr verfügbar, der ORF speichert Nachrichtensendungen nur 30 Tage lang im Archiv. Auf dem Youtube-Kanal der ZiB ist das Gespräch jedoch weiterhin online. Der Virologe Christian Drosten bestätigte AFP ebenfalls am 14. Mai 2025: "Das ist in Gänze eine Fälschung."
Userinnen und User hinterlegten einen Link, über den ein Produkt zu finden sei, das angeblich bei Impfschäden helfen solle. Für dieses scheint Virologe Drosten auch im Video zu werben. Die URL entspricht keinem gewöhnlichen Online-Shop. Solche Links können manchmal zu Phishing-Seiten, Betrugsversuchen oder anderen schädlichen Inhalten führen.
"Ich mache für nichts Werbung", sagte Wolf schon in einem Interview im September 2024. Der Moderator war bereits mehrmals Ziel von Desinformationskampagnen, wie er im Gespräch erzählte.
ORF dementierte den Clip ebenfalls in der eigenen Morgensendung "Ö3-Wecker" und beschrieb den Charakter, der den gefälschten Beitrag moderiert, als Armin Wolfs "KI-Klon". ORF-Faktencheck-Expertin Eva Wackenreuther bestätigte am 14. Mai 2025 in der Radiosendung, dass das Gesagte weder dem ORF noch dem bekannten Moderator zuzuschreiben ist. "Diese Fälschungen führen dazu, dass wir allgemein misstrauischer werden und vielleicht das nächste Mal, wenn wir den echten Armin Wolf sehen, uns auch fragen, ob es das Interview wirklich gab", erklärte Wackenreuther, die in der Vergangenheit für AFP Faktencheck gearbeitet hat.
Gezeigte Blutbilder sind alt
Der gefälschte Beitrag zeigte mehrere Bilder, die AFP inhaltlich bereits in der Vergangenheit einordnete. Sie stammen aus Died Suddenly, einem Film des Verschwörungserzählers Stew Peters aus dem Jahr 2022, wie AFP mittels einer umgekehrten Bildsuche feststellte. In einem Faktencheck kam AFP bereits im Januar 2023 zu dem Schluss, dass der Film, der von angeblichen Gesundheitsschäden durch Covid-19-Impfstoffe handelt, falsche und irreführende Behauptungen verbreitete.
Behauptet wurde, dass der angebliche Grund für akute Todesfälle unter anderem ungewöhnliche Blutverklumpungen im Körper seien, die durch Impfungen ausgelöst worden sein sollen. In Wirklichkeit zeigten die Bilder jedoch eine Lungenembolie, die aus einem lebenden Patienten entfernt wurde. Sie wurden bereits 2019 auf Youtube hochgeladen – also vor der Pandemie.
Seitdem Menschen geimpft werden, verhinderten Impfstoffe laut Schätzungen mehr als 150 Millionen Todesfälle und rotteten mehrere Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Polio oder Mumps aus.
Fazit: Ein vielfach geteilter Beitrag auf Facebook, der einen Beitrag der österreichischen Nachrichtensendung "Zeit im Bild" nachstellte, ist nicht echt. Hinweise darauf lieferten sowohl die Audiospur, als auch visuelle Elemente im Video. Dass es sich um eine Fälschung handelt, bestätigten ORF-Moderator Armin Wolf und Virologe Christian Drosten auf AFP-Anfrage.
Tippfehler im letzten Absatz korrigiert19. Mai 2025 Tippfehler im letzten Absatz korrigiert