
Nein, Masken beeinträchtigen bei Kindern nicht deren Sauerstoffzufuhr
- Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
- Veröffentlicht am 28. Januar 2021 um 14:25
- Aktualisiert am 28. Januar 2021 um 14:25
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Copyright © AFP 2017-2025. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Mehr als 950 Menschen haben das Foto des Schildes seit dem 24. Januar 2021 auf Facebook geteilt (etwa hier, hier und hier). Es erreichte außerdem mehr als 6800 Menschen über Telegram-Kanäle (etwa hier und hier).
Das Foto zeigt ein Schild im Verkaufsraum einer Drogerie-Filiale "Süess" im schweizerischen Wädenswil nahe Zürich. Darauf begründet der Geschäftsführer seit dem 22. Januar 2021, warum er von einem "Kinderhygienemasken-Sortiment" in seinem Geschäft absieht.
Auf dem Schild heißt es: "Es ist erwiesen, dass ein mehrstündiges Tragen von Hygienemasken die Sauerstoffzufuhr negativ beeinträchtigt und Auswirkungen auf die Hirnfunktion und die Hirnentwicklung haben kann! Neben den körperlichen Risiken, sind die psychischen Folgen nicht außer acht zu lassen! Angst und Panik schwächt das Immunsystem und auch hier steht das Nutzen in keinem Verhältnis zum Risiko!"

Das Schild steht tatsächlich in der Drogerie. In einem Telefonat mit AFP am 26. Januar 2021 bestätigte deren Geschäftsführer dessen Echtheit, und dass er die darauf aufgestellten Behauptungen verfasst habe. Das Foto müsse von einem Kunden fotografiert und veröffentlicht worden sein, sagte er.
Beeinträchtigen Masken die Sauerstoffzufuhr bei Kindern?
Die Behauptung, dass Masken die Sauerstoffzufuhr bei Erwachsenen und Kindern beeinträchtigen würden, ist nicht neu. AFP hat sie bereits im Oktober 2020 in diesem Faktencheck geprüft.
Im Oktober bereits schrieb etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ihrer "Mythbusters"-Website: "Die längere Verwendung medizinischer Masken kann unangenehm sein. Sie führt jedoch weder zu einer CO2-Vergiftung noch zu einem Sauerstoffmangel."
AFP kontaktierte am 6. Oktober 2020 außerdem Dr. med. Dominic Dellweg, Chefarzt für Pneumologie und Intensivmedizin am Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Er schrieb per E-Mail:
"Die Maske stellt einen zusätzlichen Widerstand für unsere Atmung dar, das heißt, unsere Atemmuskeln, hauptsächlich unser Zwerchfell, müssen sich mehr anstrengen, um die Luft durch die Maske zu atmen. Diese vermehrte Anstrengung wird über Rezeptoren in den Atemmuskeln dem Gehirn als Luftnot gemeldet, obwohl die Werte für Sauerstoff und Kohlendioxid im Normbereich liegen."
Bei einer erneuten Anfrage am 27. Januar 2021 bekräftigte Dellweg: Zwar verändere sich die Atmung auch bei Kindern, allerdings sei diese Veränderung für gesunde Menschen nicht gesundheitlich gefährlich. Eine Maske halte keine der Komponenten aus der Luft zurück – keinen Sauerstoff und auch kein CO2.
Auf der Homepage des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte schreibt deren Präsident Dr. Thomas Fischbach weiterhin: "Die chirurgische oder auch die sogenannten Alltags-Maske mögen ein wenig unbequem sein für Kinder, sie schränken aber das Ein- und Ausatmen nicht ein, führen weder zu einer Einschränkung der Sauerstoffversorgung noch zu einer gefährlichen Anreicherung von Kohlendioxid. Sie gefährden auch sonst in keiner Weise die Gesundheit; sogar Kinder mit kontrolliertem Asthma ab sechs Jahren können sie gefahrlos tragen; es gibt keine Hinweise darauf, dass die Maske bei ihnen CO2 zurückhält oder ihre Atmung einschränkt."
Schließlich schreibt auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin auf ihrer Homepage, dass Menschen mit einer Maske genug Sauerstoff bekommen. "Das gilt für alle Altersgruppen", heißt es dort und: "Es gibt keinen Grund, bei Kindern anderes anzunehmen."
Zu den vom Geschäftsführer behaupteten psychologischen Auswirkungen von Masken (Angst, Panik) auf das Immunsystem von Kindern hat AFP keine Studien in den wissenschaftlichen Datenbanken Pubmed und Google Scholar gefunden, die dies stützen würden. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schreibt auf seiner Homepage im Gegenteil: "Inzwischen liegen uns auch Studien vor zur psychischen Belastung von Kindern und Jugendlichen durch die Corona Pandemie. Keine dieser Studien enthält Hinweise darauf, dass das Tragen von Masken an sich die Kinder in ihrer seelischen Gesundheit beeinträchtigt."
Auf welche Quellen stützt der Geschäftsführer seine Behauptungen?
Das Schild selbst gibt keine Quellen für die aufgestellten Behauptungen an. AFP bat den Geschäftsführer der Drogerie "Süess" deshalb um Belege. Es gebe viele Erfahrungen und auch "Studien aus Deutschland, die aber leider nicht richtig publiziert oder gelöscht werden", erklärte er in dem Telefonat mit AFP. Dazu schickte er AFP nach dem Gespräch vier Quellen, die seine Behauptungen auf dem Schild stützen sollen. AFP hat die Behauptungen und angegebenen Quellen geprüft.
Dazu gehörte ein vermeintlich wissenschaftlicher Versuch des Kinderarztes Eugen Janzen aus Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen. Der Arzt gibt auf seiner Homepage die Ergebnisse seiner Untersuchungen an. Weil seine Ergebnisse in keinem Fachjournal veröffentlicht sind und damit ein qualitätssicherndes sogenanntes Peer-Review-Verfahren fehlt, hat AFP Teile seines Versuches gemeinsam mit Experten bereits in der Vergangenheit einem Faktencheck unterzogen. Ergebnis: Sein Versuchsaufbau ist unwissenschaftlich, und seine Behauptungen nicht haltbar.
Die zweite Quelle des Geschäftsführers ist die Homepage einer Gruppe von angeblichen Ärzten und Ärztinnen. Dort finden sich zahlreiche offene Briefe und Statements von Kritikern der Corona-Maßnahmen. AFP hat sie gesichtet. Darunter befindet sich etwa prominent ein Video der Neurologin Dr. Margareta Griesz-Brisson zum Thema. Dieses Video hat AFP bereits in diesem ausführlichen Faktencheck geprüft. Auch die darin aufgestellte Behauptung, dass das Tragen von Masken zu Sauerstoffmangel führt, ist nachgewiesenermaßen falsch.
Auch die dritte und vierte Quelle des Geschäftsführers belegen seine Behauptungen nicht. Bei der dritten Quelle handelt es sich um eine "Situationsanalyse" eines "Expertenkollektiv Ch". Unabhängig von ihrer Nachvollziehbarkeit geht es darin allerdings lediglich um die Auslastung von Schweizer Krankenhäusern, nicht aber um das Thema Sauerstoff. Auch die vierte Quelle ist kein Beleg. Es handelt sich dabei um eine bisher nicht in Fachjournalen veröffentlichte Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Witten/Herdecke. Darin geht es zwar um subjektive Beschwerden von Kindern, die deren Eltern meldeten – Immunschwächen oder nachweisbarer Sauerstoffmangel waren dort aber kein Thema. Lediglich in Bezug auf psychische Folgen von Masken kommen hier Aussagen der Eltern über ihre Kinder vor. Eine unabhängige wissenschaftliche Begutachtung dieser Studie gibt es noch nicht.
Fazit: Der Geschäftsführer der Schweizer Drogerie verbreitete auf einem Schild in seinem Laden falsche Informationen, die sich anschließend auch in Sozialen Medien verbreiteten. Das Tragen von Masken führt nicht zu einer schlechteren Sauerstoffzufuhr oder gar zu einem Sauerstoffmangel. Damit führen Masken folglich auch nicht zu Beeinträchtigungen der Hirnfunktion und der Hirnentwicklung bei Kindern.