Dieses Foto stammt aus einem belarussischen Gefängnis im Jahr 2005

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Hunderte User haben seit Ende Juni ein Foto auf Facebook geteilt, das angeblich einen ukrainischen Kriegsgefangenen zeigen soll. Der Mann werde von einem Militärarzt in Donezk untersucht. Dabei sind mehrere Hakenkreuze auf seinem Körper zu erkennen. Die Aufnahme stammt allerdings nicht aus dem aktuellen Krieg in der Ukraine. Es handelt sich um ein 2005 entstandenes AFP-Foto aus einem Gefängnis in Belarus.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben das angebliche Foto des ukrainischen Kriegsgefangenen Ende Juni 2022 auf Facebook verbreitet. Ein englisches Posting mit gleicher Behauptung teilten ebenfalls Hunderte auf Twitter. Tausende sahen das Bild auf Telegram.

Die Behauptung: Auf dem Foto wird ein Mann mit mehreren klar erkennbaren Hakenkreuzen auf dem Körper untersucht. Dazu heißt es, es handele sich um einen ukrainischen Kriegsgefangenen, der sich in der Donezker Volksrepublik ergab, bei der Untersuchung durch einen Militärarzt. Das Bild illustriere die Rechtsradikalität in einigen ukrainischen Kampfeinheiten, wie zum Beispiel dem Asow-Bataillon.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 30.06.2022

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 kursieren immer wieder falsche Informationen zu Kriegshandlungen sowie angeblich in der Ukraine verbreiteter Nazi-Ideologie (hier, hier). Auch alte oder aus dem Kontext gerissene Bilder werden immer wieder geteilt (hier, hier). Das aktuell geteilte Foto nährt ebenfalls die Erzählung von Ukrainerinnen und Ukrainern als Nationalsozialisten. AFP sammelt Faktenchecks zum Ukraine-Krieg hier.

Foto wurde 2005 in Belarus aufgenommen

Über eine Bild-Rückwärtssuche lässt sich der Ursprung der nun verbreiteten Aufnahme ausfindig machen. Es handelt sich um ein 2005 in Belarus aufgenommenes Foto der Nachrichtenagentur AFP, wie auf der Website der Bildagentur Getty Images nachvollziehbar ist. AFP fand das Bild ebenfalls so datiert in seinem Archiv wieder, das für die Faktencheck-Redaktion einsehbar ist.

In der Bildbeschreibung heißt es, das Foto sei am 22. Juni 2005 vom Fotografen Viktor Drachev in der belarussischen Stadt Mogiljow aufgenommen worden. Dazu wird erläutert: "Ein belarussischer Gefängnisarzt untersucht einen mit Nazi-Tätowierungen übersäten Häftling im 15. Gefängnis in der Stadt Mogiljow, etwa 200 km von Minsk entfernt."

Getty Images führt zudem eine zweite Aufnahme desselben Mannes in der Untersuchung. Auch dieses ist auf den 22. Juni 2005 datiert und zeigt identische Tattoos und den gleichen Arzt.

Bildvergleich der AFP-Aufnahmen im Jahr 2005 via Getty Images: 30.06.2022

Bei dem Mann auf dem Foto kann es sich demnach nicht um einen Kriegsgefangenen handeln, der während des aktuellen Krieges in der Ukraine in Donezk untersucht wird. Das Bild entstand in Belarus fast 17 Jahre bevor Russland seinen Angriff im Februar 2022 begann.

Rechtsextreme Einheiten in der Ukraine

AFP berichtete im März 2022 über die Ursprünge des heutigen Asow-Regiments. Dieses wurde nach Beginn des Ostukraine-Konflikts 2014 als Freiwilligenbataillon gegründet, das heißt etwa neun Jahre nach der Aufnahme aus dem belarussischen Gefängnis. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) datiert die Ursprünge des Regiments auf das Jahr 2014.

In der Tat wird das Asow-Regiment aber von Russland als "faschistisch" bezeichnet, wie AFP weiter berichtete. Die bpb erläutert dazu, das Bataillon "Asow" sei von Rechtsextremisten gegründet worden und dann Ende 2014 "in ein Regiment umgeformt, in die Nationalgarde des Innenministeriums eingegliedert sowie im Weiteren entideologisiert" worden.

In einer Übersicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem April 2022 heißt es, im Regiment Asow sei "die verbreitete und aggressive Verwendung von rechtsextremistischer Symbolik" besonders auffällig. Berichtet werde ebenfalls über die Zusammenarbeit von Mitgliedern des Regiments mit eng verwandten, eindeutig rechtsradikalen Truppen wie der "Misanthropic Division". Dabei handelt es sich um eine ukrainische Neonazi-Gruppierung, die ebenfalls 2014 entstand, als sich verschiedene rechtsextreme Aktivistinnen und Aktivisten den Pro-EU-Protesten auf dem Maidan in Kiew anschlossen, um gegen den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch zu protestierten.

Weiter ordnet der wissenschaftliche Dienst ein: "Das Vorhandensein von neonazistischen, ultranationalen und weiteren menschenverachtenden Tendenzen inklusive Antisemitismus innerhalb des 'Regiments Asow' ist heute tatsächlich wohl nicht zu leugnen, obwohl das Regiment sich im Zuge der Professionalisierung nach 2014 von vielen belasteten Personen losgesagt hat und sich entpolitisiert haben will."

Osteuropa-Experte Andreas Umland erläuterte Ende Mai 2022 im Gespräch mit dem rbb-Inforadio, aus dem 2014 in Erscheinung getretenen Asow-Bataillon sei später mit dem Asow-Regiment eine Untereinheit der Nationalgarde entstanden. Darüber hinaus habe sich die politische Asow-Bewegung entwickelt, in deren Zentrum die rechtsradikale ukrainische Kleinpartei "Nationalkorps" stehe.

Fazit: Das aktuell verbreitete Foto zeigt keinen ukrainischen Kriegsgefangenen bei einer Untersuchung in Donezk. Das Bild entstand im Juni 2005 in einem belarussischen Gefängnis. Ein Bezug zum Asow-Regiment ist nicht nachvollziehbar. Dieses entstand erst im Jahr 2014.

Ukrainisch-Russischer Krieg