Nein, Natalia Klitschko wohnt nicht in einer staatlich finanzierten Villa nahe Berlin

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Hunderte User haben seit Mitte Februar einen angeblichen Artikel auf Facebook geteilt, wonach Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, seine Frau und Kinder nach Deutschland geschickt habe. In Absprache mit der Bundesregierung lebe die Familie in der Nähe von Berlin in einer kostenlos vom deutschen Staat bereitgestellten Villa. Das Bundesinnenministerium dementiert die Behauptung allerdings. Der Artikel ist gefälscht.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben die Behauptung zu den Klitschkos auf Facebook verbreitet (hier, hier, hier). Auf Telegram sahen Hunderttausende den vermeintlichen Artikel mit der Behauptung (hier, hier). Natalia Klitschko ist Sängerin und mit dem Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxer Vitali Klitschko verheiratet.

Die Behauptung: In dem Screenshot eines vermeintlichen Artikels der Münchner Zeitung "tz" heißt es, Vitali Klitschko habe seine Frau und Kinder nach Berlin geschickt. "In Absprache mit der Bundesregierung wurde seiner Frau und den Kindern bereits kostenlos eine Villa in der Nähe von Berlin zugewiesen", heißt es. Das Innenministerium habe die 24-stündige Überwachung der Villa angeordnet. "Die Elite setzt sich ab, und lebt weiter wie die Made in Speck", schreibt ein User dazu.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 15.03.2022

Im Zusammenhang mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine kursieren zahlreiche Falschinformationen im Netz. AFP sammelt Faktenchecks im Kontext des Kriegs in der Ukraine hier. Auch andere vermeintliche Nachrichtenartikel hat AFP in der Vergangenheit bereits überprüft. In ähnlichem Layout verbreiteten sich bereits angebliche Texte von "ntv", "Bild" und dem "Spiegel" mit Falschbehauptungen zur Corona-Pandemie.

Der Screenshot zeigt eine Fälschung

Auf AFP-Anfrage erklärte ein Sprecher von Ippen Media, dem Verlag hinter der Zeitung "tz", am 15. März, der Screenshot sei eine Fälschung. "Wir haben zu keiner Zeit einen derartigen Artikel publiziert." Es existiere auch kein inhaltlich ähnlich formulierter Artikel auf der tz-Website. Auch eine AFP-Suche nach dem vermeintlichen Artikel stieß auf kein passendes Ergebnis.

Der Sprecher wies zudem auf Fehler im Layout und der Farbgebung hin. Der "Textblock in Fettschrift über dem Artikelbild, dazu ohne Absätze" kämen so bei der "tz" nicht vor. Hier ein Vergleich zwischen der gefälschten tz-Meldung links und dem Screenshot eines tatsächlich publizierten Artikels auf der Website rechts:

Screenshot des auf Facebook verbreiteten Artikels (links) und echter Screenshot eines tz-Artikels (rechts): 16.03.2022, Hervorhebungen durch AFP

Dabei fällt auf, dass der Titel des Artikels in der "tz" nicht in Rot, sondern Schwarz gehalten ist. Auch der Text ist falsch platziert. Im geteilten Bild steht der Artikeltext bereits direkt über dem Artikelbild, was die "tz" üblicherweise anders handhabt. Auf dem gefälschten Screenshot fehlen zudem Angaben zu Datum und Ressort.

In der rechten oberen Ecke ist dort zudem klein der Begriff "Parody" zu erkennen, ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich hier um keinen tatsächlichen Artikel der Zeitung handelt. Zahlreiche User übersehen den klein gehaltenen Parodie-Hinweis, sie kommentieren beispielsweise "Warum bekommt eine ukrainische Millionenschwere Familie eine Villa!" oder "Bürgerunterdrückung und Verarschung".

Keine Belege für Villa nahe Berlin

In dem gefälschten Artikel wird behauptet, die Bundesregierung habe der Familie eine Villa in der Nähe von Berlin zugewiesen, welche auf Anordnung des Innenministeriums 24 Stunden am Tag überwacht werde.

AFP befragte zu der Behauptung am 15. März das Bundesinnenministerium (BMI). Ein Sprecher erklärte in einer E-Mail, es sei keine Zuweisung einer Villa an Natalia Klitschko bekannt und folglich existiere auch kein "Auftrag des BMI zur Überwachung" dieser Unterkunft. "Es handelt sich um eine Falschinformation."

Auch Natalia Klitschkos Präsenz in sozialen Netzwerken lässt nicht darauf schließen, dass sie und Ihre Familie sich in einer Villa nahe Berlin aufhalten. Auf Instagram postete sie im März 2022 vermehrt von Kundgebungen und Veranstaltungen mit Ortsmarke Hamburg (hier, hier, hier). In ihrer Instagram-Biographie gibt Natalia Klitschko ebenfalls als Standort Hamburg an, ihre Künstleragentur sitzt laut ihrer Website ebenfalls dort.

Das Bild, das der vermeintliche Artikel zur Illustration seiner Behauptung verwendet, stammt ebenfalls aus Hamburg. Das Foto zeigt Natalia Klitschko am 5. März bei einer Demonstration gegen den Ukraine-Krieg in Hamburg. Auf eine AFP-Nachfrage zu ihrem Aufenthaltsort reagierte Klitschko bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks nicht.

Aus einem Gespräch in der NDR-Talkshow vom 4. März geht zudem hervor, dass sich gar nicht alle drei Kinder mit Natalia Klitschko in Deutschland aufhielten. Nach ihren Angaben befindet sich einer ihrer Söhne in einem Internat in England. Zudem habe sie eine ukrainische Bekannte auf der Flucht in ihrem Haus aufgenommen. Sie trat außerdem bei einem Solidaritätskonzert für die Ukraine in Hamburg auf.

Fazit: Der vermeintliche Screenshot eines "tz"-Artikels ist eine Fälschung. Das bestätigte der zuständige Verlag. Auch das Layout des Screenshots lässt darauf schließen, dass es sich hier um keine echte Veröffentlichung der Zeitung handelt. Das Bundesinnenministerium dementierte zudem, eine Villa für die Familie Klitschko bereitgestellt zu haben oder diese überwachen zu lassen.

Ukrainisch-Russischer Krieg