
Dieses Video zeigt Panzer bei einem Festival in Budapest, keinen Militäreinsatz an der ukrainischen Grenze
- Veröffentlicht am 30. Mai 2025 um 15:41
- 7 Minuten Lesezeit
- Von: Maja CZARNECKA, AFP Polen, AFP Ungarn
- Übersetzung: Katharina ZWINS , AFP Österreich
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"Panzer und schwere Panzerfahrzeuge der ungarischen Armee wurden gesichtet, als sie durch Ortschaften nahe der ukrainischen Grenze fuhren. Lage unklar", hieß es in einem X-Beitrag vom 13. Mai 2025. Dazu teilte der User ein kurzes Video, das Militärfahrzeuge zeigt, die nachts durch eine Stadt fahren. Der Clip mit derselben Behauptung kursierte auch auf Facebook, Instagram und Telegram.
"Update: An 5 Hauptkontrollpunkten (Záhony, Beregsurány, Tiszabecs, Barabas und Nagybodos.) der ungarisch-ukrainischen Grenze wurden ungarische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge gesichtet", hieß es in den Postings weiter. Auch einige slowakische Beiträge enthielten diesen Teil der Behauptung. "Bereitet sich Orbán darauf vor, die ungarischen Teile der Ukraine zu übernehmen?", fragte am 13. Mai 2025 auch ein Nutzer auf X auf Polnisch und teilte dasselbe Video.

Das Video und die Behauptung kursierten zudem in anderen Sprachen wie Englisch, Griechisch oder Französisch. Es verbreitete sich auch auf Russisch über Telegram-Konten (etwa hier und hier), in russischen Medien sowie auf Ukrainisch.
Das älteste Posting mit der Behauptung, das AFP fand, stammt vom 12. Mai 2025 und erschien auf einem englischsprachigen, prorussischen X-Account.
Am 9. Mai 2025 entbrannte ein diplomatischer Streit zwischen Ungarn und der Ukraine. Zunächst gab der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU die Festnahme von zwei Militärangehörigen bekannt, die verdächtigt wurden, angeblich für Ungarn spioniert zu haben. Ihre Aktivitäten konzentrierten sich auf die westukrainische Region Transkarpatien, die vor dem Ersten Weltkrieg zu Ungarn gehörte und in der heute eine bedeutende ungarische Minderheit lebt.
Budapest reagierte darauf mit der Ausweisung von "zwei Spionen, die unter diplomatischer Tarnung an der ukrainischen Botschaft in Budapest gearbeitet haben", wie der ungarische Außenminister Péter Szijjártó erklärte. Daraufhin wies die Ukraine zwei ungarische Diplomaten aus.
In den letzten Jahren kam es wiederholt zu Spannungen zwischen Budapest und Kiew hinsichtlich der Rechte der ethnischen Minderheit in jener Region, die an Ungarn grenzt. Zum Zeitpunkt der jüngsten offiziellen Zählung im Jahr 2001 lebten in der ukrainischen Region Transkarpatien etwa 150.000 ethnische Ungarn. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán gehört zu den wenigen EU-Regierungschefs, die dem Kreml nahestehen und jegliche militärische Hilfe für die Ukraine im Krieg gegen die russische Invasion ablehnen. Orbán wirft Kiew vor, die Rechte der ungarischen Minderheit in der Ukraine nicht zu achten. Er lehnt einen Beitritt der Ukraine zur EU ebenso ab wie die westlichen Sanktionen gegen Russland.
Das Video zeigt jedoch keine Panzer, die Städte in Grenznähe zur Ukraine durchqueren, sondern Panzer, die nach ihrer Präsentation auf dem Ludovika-Festival für technische Studien in Budapest am 10. Mai 2025 zu ihren Militärstützpunkten in Tata und Hódmezővásárhely zurückkehrten – weit entfernt von der ukrainischen Grenze.
Ludovika-Festival fand im Mai 2025 statt
AFP suchte nach dem Originalvideo mit dem ungarischen Stichwort "Harcjárművek" (zu Deutsch: Panzer) auf der Website whopostedwhat. Die älteste Version des Videos, die AFP fand, stammt aus einem Facebook-Beitrag vom 11. Mai 2025 eines ungarischen Nutzers. Er schrieb, dass die Szene "gestern Abend gegen 23 Uhr" (also am 10. Mai 2025) "in Pest", einem Stadtteil von Budapest, aufgenommen worden sei.
Eine Stichwortsuche mit den Begriffen "Harcjárművek Budapest" führte zu einem Artikel des ungarischen Nachrichtenportals Telex, worin es hieß, dass die militärische Ausrüstung "im Rahmen des Ludovika-Festivals der Universität für den Öffentlichen Dienst (NKE) präsentiert wurde". Das Festival fand vom 8. bis 10. Mai 2025 statt. In dem Artikel wurde auch das Video eingebettet, das am 11. Mai 2025 gepostet wurde.
Der Artikel erwähnte zudem eine Pressemitteilung des ungarischen Verteidigungsministeriums vom 7. Mai 2025, in der angekündigt wurde, dass schwere Militärfahrzeuge bei der Veranstaltung ausgestellt würden. Dort wurde auch der Weg beschrieben, den die Fahrzeuge zum und vom Festival nehmen sollten: "Der Konvoi wird gegen 1.30 Uhr morgens in die Elnök-Straße in Budapest einrollen, wo die Fahrzeuge von den Anhängern abgeladen werden und auf Gummipolstern selbstständig zum Ludovika-Platz weiterfahren. Die Elnök-Straße wird für etwa eine halbe Stunde während des Abladevorgangs gesperrt. Am Samstagabend um 21.30 Uhr kehren die Fahrzeuge auf demselben Weg zurück in ihre Basis", hieß es in der Mitteilung – bezugnehmend auf Samstag, 10. Mai 2025.
Das Ministerium präzisierte, dass "der Leopard 2A4HU-Panzer, die PzH und das Gidrán-4x4-Fahrzeug aus der 1. Panzerbrigade in Tata" in die ungarische Hauptstadt gebracht worden seien und "der Lynx aus der MH Kinizsi Pál 30. Gepanzerten Infanteriebrigade in Hódmezővásárhely" stamme. Tata, eine Stadt nordwestlich von Budapest, liegt fast 400 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Hódmezővásárhely, in der Nähe der rumänischen Grenze, liegt über 300 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
AFP verglich jedes einzelne Fahrzeug aus dem Video mit im Internet verfügbaren Fotos der in der Pressemitteilung genannten Modelle und konnte bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Lynx, einen Leopard, eine PzH (gepanzertes, selbstfahrendes Artilleriegeschütz) und einen Gidrán handelt.
Video zeigt Straße in Budapest
Ein AFP-Journalist aus dem Büro in Budapest erkannte den im Video gezeigten Ort als die Elnök-Straße wieder, was auch durch die Street-View-Funktion von Google Maps überprüft werden konnte. In der folgenden Gegenüberstellung sind eine übereinstimmende runde Litfaßsäule sowie ein Strommast mit der Aufschrift "Kabel" zu sehen.

Auf der anderen Seite der Kreuzung sind jeweils dasselbe Gebäude, dieselben Verkehrsschilder und derselbe Strommast zu sehen.

Der Vergleich mit dem geteilten Clip zeigt, dass die gepanzerten Fahrzeuge von der Diószegi-Sámuel-Straße zur Elnök-Straße fuhren – also in entgegengesetzter Richtung zum Orczy-Park, wo das Festival stattfand. Dies deutet, zusammen mit dem Datum, an dem das Video erstmals auftauchte, darauf hin, dass der Clip gegen Ende des Festivals entstand.
Clip wurde beim Festival "aufgenommen"
Die Veranstalter bestätigten gegenüber AFP, dass die im Video gezeigten Fahrzeuge am Ludovika-Festival vom 8. bis 10. Mai 2025 in Budapest, das 300 Kilometer von der ungarisch-ukrainischen Grenze entfernt liegt, teilgenommen haben.
Das Video "wurde mit Sicherheit am Samstagabend, dem 10. Mai, aufgenommen – vermutlich von einem Passanten –, als die Militärfahrzeuge das Ludovika-Campusgelände verließen, wo das Ludovika-Festival vom 8. bis 10. Mai stattfand", erklärte Orsolya Horváth, Direktorin des Kommunikations- und Programmamts der Ludovika-Universität für den Öffentlichen Dienst, am 22. Mai 2025 per E-Mail an AFP. "Militärfahrzeuge dürfen nur in den Nachtstunden mit Sondergenehmigungen fahren, deshalb verließen sie das Festivalgelände einige Stunden nach Veranstaltungsende am Samstagabend", fügte sie hinzu.
AFP schickte das Video auch an das ungarische Verteidigungsministerium. Die Fahrzeuge "nahmen vom 8. bis 10. Mai am Ludovika-Festival teil", erklärte ein Sprecher am 20. Mai 2025 per E-Mail an AFP, "wo die ungarischen Streitkräfte eine militärtechnische Vorführung abhielten". Sie seien dann am Abend des 10. Mai 2025, also am Samstag, auf derselben Strecke zurückgekehrt, "wie es in der Mitteilung angekündigt wurde".
Das Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine (CPD) erklärte am 14. Mai 2025, dass es sich bei der geteilten Behauptung um eine Falschinformation handle.
Fazit: Online kursierte ein Video mit der Falschbehauptung, es zeige gepanzerte Fahrzeuge, die Städte in der Nähe der ungarisch-ukrainischen Grenze durchqueren. Tatsächlich sind darin mehrere Panzer bei einem Festival an einer militärtechnischen Schule in Budapest, rund 300 Kilometer von der ungarisch-ukrainischen Grenze entfernt, zu sehen. Das wurde sowohl von Seiten der Veranstalter als auch des Verteidigungsministeriums bestätigt.