
Dieser Artikel verbreitet zum Teil falsche Informationen über PCR-Tests
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- Veröffentlicht am 11. November 2020 um 16:10
- Aktualisiert am 11. November 2020 um 16:10
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
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Der erste Post mit einem Screenshot des Artikels, den AFP gefunden hat, taucht am 6. November auf Facebook auf (hier). Allein diesen Beitrag haben seitdem mehr als 1.200 User geteilt. Dazu heißt es im Posting: "Jööö, was steht denn da in der Zeitung" und "Es geschehen noch Zeichen und Wunder (...) Positiv, aber nicht infektiös! Und dass der PCR-Test nicht zur Diagnose zugelassen ist!"
Tatsächlich steht im Artikel aus der Tiroler Tageszeitung, den sie am 7. November auf der eigenen Website und auf Facebook veröffentlicht hatte, Folgendes: "Positiv getestet heißt nicht, dass jemand infiziert, infektiös oder erkrankt ist. Der Test ist nicht zur Diagnostik zugelassen."
In der Kommentarspalte des Facebook-Posts finden sich dazu Sätze wie: "Das wissen wir schon lange. Danke für den Mut das öffentlich zu sagen! Danke an die TT, dass sie das schreibt! Ein positiver PCR sagt gar nix (...)" oder "Endlich wird auch in der TT berichtet, was führende Wissenschaftler schon lange sagen, aber trotzdem wird weiterhin Angst geschürt".

Schon seit Monaten verbreiten sich immer wieder solche Behauptungen über PCR-Tests (etwa hier und hier). Der mutmaßliche Grund: Die Tests helfen, die Zahl der Neuinfektionen festzustellen, sie sind damit auch in Deutschland zentraler Bestandteil der Anti-Corona-Strategie der Bundes- und Landesregierungen.
Bedeutet ein positives PCR-Testergebnis eine Coronainfektion?
Im Artikel steht, dass ein positives Testergebnis keine Infektion bedeute. Das PCR-Testverfahren weist allerdings sehr wohl eine Infektion mit Sars-Cov-2 nach.
Darüber sind sich internationale Experten einig. In diesem Faktencheck von Oktober bestätigten etwa das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) und ein Forscher der argentinischen Vereinigung der Virologen bereits die Wirksamkeit von PCR-Tests.
Im selben Faktencheck kamen auch die Gesundheitsbehörden in Europa zu Wort. Dr. Cédric Carbonneil, Leiter der Abteilung für die Bewertung der beruflichen Tätigkeiten von Ärzten bei der obersten französischen Gesundheitsbehörde (HAS), sprach dabei von PCR-Tests als sicherem Werkzeug für die korrekte Bestimmung einer Infektion mit Corona. "Die Spezifität der RT-PCR wird auf etwa 99 Prozent geschätzt", sagte Carbonneil. Das mache "falsch positive" Ergebnisse extrem selten.
Die Schweizer Gesundheitsbehörde weist außerdem in einem Merkblatt explizit darauf hin, dass mit einem PCR-Test "auf eine SARS-CoV-2-Infektion geschlossen werden" kann. Weiter heißt es: "Mit dieser sehr empfindlichen Methode wird in Patientenproben spezifisch die Nukleinsäure eines Erregers nachgewiesen, was eine Infektion mit dem Erreger belegt."
Auch hat AFP bereits das deutsche Robert-Koch-Institut zu dieser Frage kontaktiert. Sprecherin Ronja Wenchel sagte Ende September in Bezug auf missverständliche Behauptungen aus der Schweiz: Die Genauigkeit der PCR-Tests sei wegen ihrer Funktionsweise und ihrer Qualität sehr hoch. Wenchel sagt: "Sie liegt bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 Prozent."
Was der Artikel der Tiroler Tageszeitung durchaus richtig beschreibt, was aber häufig missverstanden wird (etwa hier): Der PCR-Test weist zwar eine Infektion eines Patienten nach, nicht aber, ob er auch infektiös, also ansteckend ist.
Trotz hoher Sicherheit kann der PCR-Test außerdem unter Umständen auch falsche Ergebnisse liefern, was die Gesundheitsämter aber in ihrer Strategie berücksichtigen. Expertinnen und Experten erklärten diese bereits hier gegenüber AFP.
Sind PCR-Tests zur Diagnostik zugelassen?
Sowohl Facebook-Post als auch der Artikel behaupten, dass PCR-Tests nicht zur Diagnose zugelassen seien. Das ist falsch.
Gabriele Köhne, Sprecherin des Verbandes der Diagnostica-Industrie, schreibt AFP am 27. Oktober 2020: "PCR-Tests sind ausdrücklich für die Infektionsdiagnostik zugelassen. Der Hersteller legt fest, für welche Erreger der Test einsetzbar ist."
Medizinprodukte müssen anders als Arzneimittel nicht von Behörden zugelassen werden, sondern sie durchlaufen ein Konformitätsverfahren, an dessen Ende die CE-Kennzeichnung ("Europäische Konformität") steht. In diesem Verfahren muss ein Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden (siehe EU-Richtlinien, Seite 12). Die CE-Kennzeichnung wird dann zur Registrierung in Deutschland beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegt.
Aktuell sind dort mehr als 800 Coronatests verschiedener Verfahren, wie etwa PCR-Tests oder auch Antigentests, für den deutschen Markt freigegeben. Sie alle haben das CE-Kennzeichen. Zusätzlich können weitere in europäischen Mitgliedstaaten registrierte Tests in Deutschland eingesetzt werden. Alle diese genannten Tests sind sehr wohl für die Diagnostik zugelassen.
Es gebe dabei Ausnahmen, sagt Prof. Dr. Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Mitglied im bundesweiten Interessenverband "Akkreditierte Labore in der Medizin", gegenüber AFP in einer Mail am 27. Oktober. Dazu gehörten Hersteller, die ihr Verfahren von Anfang an als "RUO" kennzeichneten. Das steht für Research-Use-Only (Engl.: nur zu Forschungszwecken). Diese Tests würden vom jeweiligen Labor geprüft werden, bevor sie in der Diagnostik zum Einsatz kommen, sagt Kramer. Daher würden vorzugsweise meist bereits zertifizierte Tests eingesetzt.
Fazit
Die Autorin des Artikels in der Tiroler Tageszeitung sagte auf AFP-Anfrage in einem Telefonat am 10. November 2020, dass es sich bei der von ihr ohne Anführungszeichen und im Indikativ geschriebenen Formulierung dennoch um ein Zitat handele. Es komme von einer Quelle, die nicht im Artikel genannt werde. "Meine Quellen sind die Professoren in Innsbruck", führte sie aus, nannte aber keine Namen. Die Autorin sagte außerdem, die "Diagnostik-Geschichte" sei in ihren Augen höchst umstritten.
Es herrscht allerdings international Konsens unter führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darüber, dass PCR-Tests Corona-Infektionen zuverlässig anzeigen. Auch besteht eine Zulassung der Tests für die Diagnostik in Deutschland und der Europäischen Union.