
Das Rote Kreuz lässt Blutspenden von Corona-Geimpften zu
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- Veröffentlicht am 27. Mai 2021 um 14:23
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Marion DAUTRY, AFP Belgrad, Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich
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Auf Facebook haben Tausende Nutzerinnen und Nutzer eine Behauptung geteilt, wonach geimpfte Menschen laut US-amerikanischem Roten Kreuz kein Blut mehr spenden dürften (hier, hier). Auf Telegram sahen Zehntausende Menschen die Behauptung (hier, hier, hier). Die vermeintliche Begründung lautet, dass der Impfstoff "natürliche Antikörper vollständig zerstört". Andere Postings sprechen noch allgemeiner von einem generellen Blutspendeverbot für Geimpfte (hier, hier). Auch auf Serbisch und Polnisch teilten ebenfalls Tausende die Behauptung.
Ein in diesem Zusammenhang geteilter Screenshot stammt aus einem auf Telegram verbreiteten Video über Blutspenden eines nicht näher beschriebenen TV-Senders. Die Moderatorin der Nachrichtensendung berichtet darin auf Englisch: "Das Rote Kreuz sagt: Jeder, der einen Covid-19-Impfstoff erhalten hat, kann kein rekonvaleszentes Plasma spenden, um anderen Covid-19-Patienten in Krankenhäusern zu helfen. Das Plasma besteht aus Antikörpern von Menschen, die die Erkrankung überstanden haben. Der Impfstoff löscht diese Antikörper aus, sodass das Rekonvaleszenz-Plasma für die Behandlung anderer Covid-19-Patienten unwirksam ist." Dazu ist im Beitrag ein Schriftzug eingeblendet, auf dem in großen Buchstaben steht: "Rotes Kreuz sucht Blutspender", und kleiner darunter: "aber Geimpfte können kein Plasma spenden".

Facebook-Screenshot: 25.05.2021
Impfkritiker*innen beschreiben Impfungen immer wieder als gefährlich. Sie würden angeblich Unfruchtbarkeit bei Frauen auslösen, unkontrollierbares Zellsterben verursachen oder enthielten gefährliche Giftstoffe. All diese Falschbehauptungen hat AFP widerlegt. Dazu passen auch die aktuell geteilten Postings über die angeblich verbotene Blutspende. Ähnliche Behauptungen zu Blutspenderegelungen in Japan hatte AFP Anfang Mai überprüft.
Richtlinien zur Blutspende in den USA
Die Sprecherin des US-amerikanischen Roten Kreuzes, Emily Osment, schrieb am 24. Mai an AFP: "Solange Sie sich gesund und wohl fühlen, können Sie in den meisten Fällen nach einer COVID-19-Impfung Blut, Blutplättchen und Plasma spenden." Das stellt das US-amerikanische Rote Kreuz auch auf seiner Website klar.
In einem Beitrag zum Thema "Blutspende und Corona" vom 22. April steht dort: "Für berechtigte Blutspender, die mit einem inaktivierten oder RNA-basierten Covid-19-Impfstoff, hergestellt von AstraZeneca, Janssen/J&J, Moderna, Novavax oder Pfizer geimpft wurden, gibt es keine Aufschubzeit." In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) momentan drei Impfstoffe zugelassen: Pfizer-Biontech, Johnson&Johnson und Moderna.
Verschiedene Plasma-Arten
Die Ersteller des Videos verwechseln zwei Dinge: normales Plasma und rekonvaleszentes Plasma, das für die Behandlung von Corona-Patienten verwendet wird.
Plasma ist eine Flüssigkeit, die zu einem Großteil aus Wasser besteht. Der Rest sind Nährstoffe, Hormone, Mineralien und Eiweiße, die zur Blutgerinnung und zur Abwehr von Infektionen lebenswichtig sind. Geimpfte können wie oben beschrieben Blut, Plasma und Blutplättchen spenden.
Rekonvaleszentes Plasma ist hingegen das Plasma eines in diesem Fall mit dem Sars-Cov-2-Virus infizierten und wieder vollständig genesenen Menschen. Dieses Plasma enthält Antikörper, die den Krankheitsverlauf von akut erkrankten Covid-Patienten abmildern können. Die FDA hat die Rekonvaleszenten-Spende als mögliche Behandlungsform für Covid-19 notzugelassen, die Wirksamkeit ist jedoch noch nicht gänzlich untersucht. Die FDA hatte die Nutzung der Methode eingeschränkt, und das US-amerikanische National Institute of Health (NIH) stoppte Versuche im März 2021, nachdem diese keinen signifikanten Nutzen zeigten. Die Anwendung sei jedoch sicher, so das NIH.
Auch das US-amerikanische Rote Kreuz nimmt momentan tatsächlich keine Spenden mit solchem rekonvaleszenten Plasma an. Das sei jedoch nicht aufgrund der Impfung der Fall. Sprecherin Osment schrieb an AFP: Die FDA erlaube zwar eine Rekonvaleszenten-Spende nach der Impfung, das Rote Kreuz in den USA nehme diese momentan aber nicht an. "Aufgrund der sinkenden Nachfrage in Krankenhäusern und des ausreichenden Angebots der Industrie hat das Rote Kreuz Covid-19-Rekonvaleszentplasma-Spenden am 26. März eingestellt", schrieb Osment.
Das Rote Kreuz in den USA gibt allerdings durchaus an, alle Blutspenden auf Covid-19-Antikörper zu testen. Weist eine solche Routine-Blutspende einen hohen Antikörperspiegel auf, darf ihr Rekonvaleszenzplasma unter Umständen verwendet werden. Der Impfstoff "vernichtet" also keine Antikörper, wie behauptet. Auch Sprecherin Osment bestätigte, dass die Behauptung im Video "unzutreffend" sei. Am 24. Mai veröffentlichte das US-amerikanische Rote Kreuz auch einen Beitrag, der die Fragen und Antworten zu Blutspenden und Corona nochmals zusammenfasst.
Die Situation in Deutschland und Österreich
Auch in Deutschland und Österreich ist eine Blutspende für Geimpfte erlaubt. Sprecher Patric Nohe schrieb für den deutschen Blutspendedienst des Roten Kreuzes (DRK) am 25. Mai:
"Eine Blutspende ist generell vor und nach dieser Impfung problemlos möglich. Gegen SARS-CoV-2 geimpfte Personen können weiterhin Vollblut, Plasma und Blutplättchen spenden, sofern sie die geltenden Zulassungskriterien erfüllen."
Für das österreichische Rote Kreuz (ÖRK) antwortete Vera Mair am 26. Mai:
"Diese Behauptung ist falsch, selbstverständlich ist es möglich, nach einer Coronaimpfung Blut zu spenden."
In Österreich gilt nach eine Corona-Impfung, egal mit welchem Impfstoff, eine Wartezeit von zwei Tagen, bis man wieder Blut spenden kann. Bei Impfreaktionen wie etwa Fieber muss man länger warten. Solche Wartezeiten sind auch bei anderen Impfstoffen üblich, wie eine Liste des ÖRK zu Wartefristen bei anderen Impfungen zeigt. Um eventuell auftretende Nebenwirkungen besser abgrenzen zu können, empfiehlt auch das DRK "rein vorsorglich" einen Tag bis zur Blutspende zu warten, auch wenn das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) keine zwingende Wartezeit empfiehlt. Das Robert Koch-Institut (RKI) erklärt auf seiner Website ebenfalls die Wartezeiten verschiedener Impfstoffe.
Nicht nur normales Blut kann gespendet werden, auch Rekonvaleszenzplasma dürfen Geimpfte in Deutschland und Österreich weiterhin abgeben. "Die Impfung ist kein Ausschlussgrund. Menschen, die von einer bestätigten Covid-Erkrankung wieder genesen und geimpft sind, können Rekonvaleszentenplasma spenden", schrieb ÖRK-Sprecherin Mair am 26. Mai. Franz Weinauer, Transfusionsmediziner des Blutspendedienstes des DRK, bestätigte am 25. Mai ebenfalls gegenüber AFP, dass geimpfte Personen in Deutschland Rekonvaleszentenplasma spenden dürfen.
Auch um Antikörper müssen sich Geimpfte und Blutspendende keine Sorgen machen. Dass ein Impfstoff die Antikörper "zerstören" würde, wie die aktuell geteilten Postings behaupten, wies ÖRK-Sprecherin Mair zurück: "Nein, das Gegenteil ist der Fall. Bei einer Impfung werden als Immunantwort neue Antikörper gebildet." Auch die Blutspende hat keinen negativen Effekt. "Der Blutverlust durch Blutspenden führt nicht zu einer schlechteren Wirkung der SARS-COV-2-Impfung. Der Antikörperverlust ist minimal, die Langzeitimmunität über die Gedächtniszellen wird dadurch nicht beeinflusst", schrieb Patric Nohe vom DRK.
Impfungen wirken, indem sie dem körpereigenen Immunsystem beibringen, einen Krankheitserreger, wie beispielsweise einen Virus, zu erkennen und sich dagegen zu verteidigen, indem sie Antikörper bilden. Der Impfstoff "verursacht bei der Person, die den Impfstoff erhält, nicht die Krankheit, aber er veranlasst ihr Immunsystem, ähnlich wie bei der ersten Reaktion auf den eigentlichen Erreger zu reagieren", erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ihrer Website.
Fazit: Blutspenden sind für geimpfte Menschen problemlos möglich. Sowohl in Deutschland und Österreich als auch den USA können Geimpfte Blut, Blutplättchen und Plasma spenden. Das Rote Kreuz in den USA nimmt jedoch eine spezielle Form des Plasmas aus organisatorischen Gründen nicht an. In Deutschland und Österreich ist das möglich. Dass Impfungen Antikörper zerstören, ist falsch.