
Nein, diese Professorin hat Covid-19 nicht als Influenza enttarnt
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- Veröffentlicht am 2. Februar 2021 um 16:35
- Aktualisiert am 2. Februar 2021 um 17:20
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Max BIEDERBECK, AFP Deutschland
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Über 500 User haben die Aussagen zu den PCR-Tests auf Facebook seit dem 1. Februar geteilt (hier). Tausende weitere User sahen sie auf Telegram (hier, hier). Gezeigt wird ein Bild der irischen Professorin für translationale Medizin Dolores Cahill. Dazu stehen die Worte: "Covid-19 als Influenza enttarnt! Professor Dr. Dolores Cahill: 'Im Oktober 2020 wurden 1500 positive Corona-Tests sequenziert. Keiner der Getesteten war an Covid-19 erkrankt, sondern an Influenza A und B. Auch bekannt als normale Grippe'". Die Telegram-Channels teilen außerdem ein Video von Cahill, in denen sie diesen Satz auf Englisch sagt. Das Video findet sich auch hier.
Cahill ist auch Vorsitzende der europakritischen Rechtsaußen-Partei "Irish Freedom Party". Das medizinische Institut des University College Dublin, an dem sie arbeitet, hat sich laut Medienberichten mittlerweile wegen ihrer Äußerungen zu Corona von Cahill distanziert (mehr dazu hier).

AFP suchte zunächst bei Google Scholar und pubmed nach möglichen Publikationen über die vermeintlichen 1500 sequenzierten PCR-Tests, ohne dabei aber einen Treffer zu erzielen.
AFP hat dann am 2. Februar bei der WHO direkt nach dem Fall gefragt. Eine Sprecherin antwortete: "Seit Anfang 2020 hat die WHO 10 Berichte über Probleme im Zusammenhang mit PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 erhalten (...) Bei den Berichten ging es um Fehldiagnosen, sowohl um falsch positive als auch um falsch negative Ergebnisse." Von 1500 falschen Tests oder Influenza-Viren ist keine Rede.
Weiterhin hatte AFP in der Vergangenheit Behauptungen widerlegt, wonach PCR-Tests überhaupt auf Influenza-Viren ausschlagen können (In der Überprüfung ging es konkret um Impfungen). So schrieb etwa Christian Bogdan, Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) und Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobiologie und Infektionsbiologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, am 24. November an AFP: "Eine COVID-19-PCR erfasst keine Influenzaviren (ganz andere Gruppe von Viren) und schon gar nicht einen Influenza-Impfstoff. Eine erregerspezifische PCR wird immer so entwickelt, dass andere Erreger nicht erfasst werden."
AFP hatte damals außerdem beim Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) nachgefragt. Er vertritt einen Großteil der deutschen Unternehmen, die PCR-Tests und Antikörpertests bereitstellen. Sprecherin Gabriele Köhne sagte: "Die angewendeten PCR-Tests sind darauf ausgelegt, die typische Signatur des Gen-Strangs von Coronaviren zu erkennen. Bei der Grippe fehlt genau dieser Baustein, deswegen kann auch ein Test nach der Impfung gegen die Grippe nicht positiv ausschlagen."
Schließlich bestätigte auch der Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Jörn Wegner, im November gegenüber AFP: Mit der PCR-Methode werde eine vorher klar definierte DNA-Sequenz vervielfältigt. "Da im Fall von COVID-19 die DNA eines Coronavirus vervielfältigt wird, ist es bereits ausgeschlossen, dass der PCR-Test außerhalb seiner sehr geringen Fehlertoleranz auf Influenzaviren reagiert, da Influenzaviren nicht aus der Familie der Coronaviren, sondern aus der der Orthomyxoviren stammen." Genetisch unterschieden sie sich komplett.
Allein inhaltlich betrachtet ergibt die Implikation von Cahill, Coronaviren könnten mit Grippeviren verwechselt worden sein, keinen Sinn.
Aber woher kommt ihre Aussage zu den 1500 PCR-Tests dann?
Bereits Anfang Januar hatte AFP die vermeintlichen Aussagen eines ebenso vermeintlichen Virologen aus den USA überprüft. Auch dieser Virologe soll gesagt haben: "Ich habe einen Doktortitel in Virologie und Immunologie. Ich bin Wissenschaftler im klinischen Labor und habe 1500 'angeblich' positive Covid-19-Proben getestet, die hier in Südkalifornien gesammelt wurden." In keiner dieser Proben habe er Covid entdeckt, heißt es weiter, sondern hauptsächlich "Influenza A"- und einige "Influenza B"-Erreger.
Eine Suche nach dem Namen des vermeintlichen Virologen, Robert Oswald, führte AFP damals direkt auf dessen Profil-Seite an der Cornell Universität in Ithaca im US-Bundesstaat New York. Dort ist bereits gut sichtbar, dass Oswald nicht als Virologe, sondern als Professor für Molekular-Medizin am Institut für Veterinärmedizin, also Tiermedizin, arbeitet.
Oswald hält außerdem akademische Titel in Biochemie, Psychologie und Chemie. Von einer Rolle als Immunologe oder Virologe ist in seinem Profil keine Rede, auch seine bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben grundsätzlich nichts mit dem Thema zu tun und sprechen es höchstens in Einzelfällen und am Rande an.
Auch weist Oswald in seinem Profil konkret auf die ihm fälschlicherweise zugeschriebenen Zitate hin. Er schreibt: "Covid-19 ist echt. Jeder Facebook-Beitrag, der etwas anderes vorschlägt, ist ein Scherz und nicht wahr. Tragen Sie eine Maske, üben Sie soziale Distanzierung und holen Sie sich den Impfstoff, sobald er verfügbar ist."
Woher genau die Zahl 1500 stammt, blieb auch in Oswalds Fall offen. Klar ist damit aber: Die Zahl kursiert schon länger als Gerücht über PCR-Tests. Auch die Plattformen Snopes, Politifact und Verify hatten sich damals dem Thema gewidmet. Konkret mit dem Fall "Cahill" hat sich außerdem die Nachrichtenagentur Reuters befasst. Sie alle bestätigen unabhängig voneinander das Ergebnis der AFP-Recherche. Oswald hat diese Aussage nie getätigt, er ist auch kein Virologe.
AFP hat am 2. Februar auch Dolores Cahill selbst nach einer Quelle für ihre Behauptungen gefragt, eine Antwort steht bisher aus.
Fazit: Die aufgestellte Behauptung, 1500 PCR-Tests hätten nicht Covid-19 sondern die Grippe angezeigt, ist falsch. Weder ergibt sie inhaltlich Sinn, noch ist der WHO ein solcher Fall bekannt. Die wahrscheinlichste Quelle, ein vermeintlicher Virologe aus den USA, hat diese Aussagen nie getroffen.