Vitali Klitschko wurde bereits 2014 mit einem Feuerlöscher angegriffen
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- Veröffentlicht am 18. Oktober 2022 um 14:40
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich
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Hunderte User haben Anfang Oktober das Klitschko-Foto mit der Behauptung auf Facebook geteilt, Tausende verbreiteten es auf Twitter.
Die Behauptung: Das Foto zeigt Vitali Klitschko inmitten einer chaotischen Menge, seine Kleidung ist schmutzig. Während der ukrainische Politiker im Vordergrund "totale Panik" vorspiele, könnten im Hintergrund entspannt "reißerische Fotos" aufgenommen werden. Durch die Erwähnung eines Bombeneinschlages sowie flüchtender Menschen entsteht eine Verbindung zum aktuellen Kriegsgeschehen.
Die Behauptung, Kriegshandlungen in der Ukraine seien lediglich inszeniert, taucht immer wieder auf. AFP prüfte in der Vergangenheit die Behauptung, Leichenfunde in Butscha seien gestellt worden, genauso wie Kriegsopfer, eine Massenpanik oder der Beschuss einer ukrainischen Stadt angeblich nur von Medien vorgetäuscht worden seien. Auch die Klitschkos waren in der Vergangenheit bereits Thema von Falschinformationen. Faktenchecks zum Ukrainekrieg sammelt AFP hier.
Szene aus dem Jahr 2014
Eine Rückwärtssuche nach dem geteilten Bild führte AFP zu mehreren Medienberichten aus dem Januar 2014, die die US-Nachrichtenagentur AP als Bildquelle anführen. In der Datenbank von AP ist das Bild ebenfalls zu finden. Dort ist es auf den 19. Januar 2014 datiert. Fotograf Efrem Lukatsky hat es in Kiew aufgenommen, als es dort zu Antiregierungsprotesten kam.
Bei Massenprotesten der ukrainischen Opposition kam es damals zu schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden im Kiewer Stadtzentrum. Polizeikräfte setzten Knüppel und Tränengas gegen die Regierungsgegnerinnen und -gegner ein. Einige Demonstrierende warfen Steine und Molotow-Cocktails. Bombeneinschläge wie im Posting erwähnt gab es bei den Protesten allerdings nicht. Auch AFP berichtete damals aus Kiew.
Die Proteste richteten sich gegen eine Verschärfung des Demonstrationsrechts. Der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte zuvor ein Gesetzespaket unterzeichnet, welches unter anderem Geldstrafen für Demonstranten vorsah, die sich vermummen oder Helme tragen.
Im November 2013 begannen am Kiewer Unabhängigkeitsplatz, Maidan genannt, Proteste gegen Janukowitschs Entscheidung, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen.
Angriff mit einem Feuerlöscher
Der damalige Oppositionspolitiker Klitschko versuchte die Demonstrierenden zu beruhigen und wurde daraufhin mit Löschschaum besprüht. Mehrere deutsche Medien berichteten über den Zwischenfall (hier, hier, hier, hier), genauso wie internationale Medien (hier, hier). Die britische Nachrichtenseite "Belfast Telegraph" veröffentlichte ein Video des Vorfalls, das auch auf Youtube verbreitet wurde. Details aus dem geteilten Foto wie Klitschkos Jacke und ein rotes Megafon sind im damals veröffentlichten Video ebenfalls zu sehen. Zumindest in dem kurzen Videoausschnit ist von keinem Bombenanschlag die Rede. Stattdessen sagt Klitschko einem Mann, er solle aufhören, einen Bus zu zerstören.
In der deutschen "Bild"-Zeitung schrieb Klitschko am Tag danach einen Beitrag, in dem er selbst die Szene beschrieb: "Als ich zu vermitteln versuchte, sprühte mir ein wütender Demonstrant mit einem Feuerlöscher direkt ins Gesicht." Und weiter: "Ich bekam in dem Augenblick kaum noch Luft und meine Augen waren wie verätzt." Die Situation sei "wie im Krieg" gewesen, schrieb Klitschko damals.
Tatsächlich zählte das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) zwischen dem Start der russischen Invasion am 24. Februar 2022 und dem 9. Oktober mehr als 6000 zivile Todesopfer in der Ukraine.
Fazit: Ein Foto, das Vitali Klitschko völlig verdreckt zeigt, hat nichts mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu tun. Das Foto ist mehr als acht Jahre alt und zeigt ihn von Löschschaum bedeckt während einer regierungskritischen Demonstration.