Diese Zahlen zum Energieverbrauch einer Tesla-Batterie und eines LNG-Schiffes sind falsch

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  • Veröffentlicht am 20. Mai 2022 um 17:01
  • 7 Minuten Lesezeit
  • Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Hunderte User haben Mitte Mai eine Bild-Collage auf Facebook geteilt, in der zwei Vergleiche bemüht werden. Der erste Vergleich zielt auf die angebliche umweltschädliche Produktion von Tesla-Batterien für E-Autos, der zweite auf den angeblich enormen Verbrauch von transatlantischen Flüssiggas-Transportschiffen. Die Rechnungen in den Vergleichen sind allerdings beide falsch, wie AFP bereits in früheren Faktenchecks erklärte.

Hunderte User haben Mitte Mai 2022 das Bild mit den beiden Vergleichen auf Facebook geteilt. Auf Twitter kursierte die Behauptung ebenfalls.

Die Behauptung: Im ersten Vergleich heißt es, der Radlader “CAT994A” verbrauche 1800 Gallonen Sprint pro 12 Stunden Schicht, um in dieser Zeit eine halbe Million Pfund Erde zu bewegen. Das sei nötig, um eine einzelne Tesla-Batterie zu produzieren. Im zweiten Vergleich heißt es, 20 Gastransportschiffe würden auf ihrem Weg von den USA nach Europa 1140 Tonnen Treibstoff pro Tag verbrauchen. Dabei würden zwei Dutzend Schiffe so viel wie alle Autos der Welt zusammen verbrauchen. Unter diesen Vergleichen steht: “Dieser verlogene Öko-Faschismus geht mir gehörig auf den Sack.”

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Screenshot der Behauptung auf Facebook: 20.05.2022

Die beiden Vergleichen kursieren zum Teil mit gleichen Bildern bereits Ende April und Anfang Mai 2022 in sozialen Netzwerken. Das aktuell geteilte Bild hat die beiden Vergleiche in einem Bild zusammengeführt. AFP hat beide Vergleiche bereits in früheren Faktenchecks geprüft und als falsch bewertet (hier, hier).

Radlader verbraucht nicht 6800 Liter Diesel in zwölf Stunden

AFP prüfte den Diesel-Verbrauch des links im Bild genannten Radladers bereits in einem Faktencheck von Anfang Mai 2022. Der behauptete Verbrauch von 1800 Gallonen, also umgerechnet 6800 Litern, ist laut mehrerer Experten falsch.

Klaus Finzel, Pressesprecher der Zeppelin Baumaschinen GmbH, dem deutschen Vertriebs- und Serviceunternehmen der Marke Caterpillar, nannte am 4. Mai 2022 den Verbrauch eines aktuelleren Modells der Radlader-Baureihe: "In einer Zwölf-Stunden-Schicht sind das dann zwischen 1150 und 2600 Liter Diesel." Selbst wenn das Vorgängermodell 994A mehr Kraftstoff verbraucht habe, komme dessen Durchschnittsverbrauch nicht an den maximalen Verbrauch des 994K von 2600 Liter pro Zwölf-Stunden-Schicht heran, erklärte Finzel. Mit 6800 Litern aus den Postings ist ein mehr als doppelt so hoher Verbrauch angegeben.

Auch Tankred Müller, Professor für Elektrotechnik und elektrische Antriebstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, bestätigt am 5. Mai 2022 gegenüber AFP den ungefähren Kraftstoffverbrauch eines Radladers wie dem 994K.

Zahlen zur bewegten Erde sind ebenfalls falsch

Laut der Postings müsse man rund 227 Tonnen Erde zur Herstellung einer einzelnen Batterie bewegen. Wie viel Erde samt Rohstoffen abgebaut werden muss, lässt sich nicht ganz genau sagen, erklärte hingegen Jens Buchgeister am 4. Mai 2022 gegenüber AFP. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe "Forschung für nachhaltige Energietechnologien" am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Allerdings ist die Angabe von 227 Tonnen deutlich zu hoch, da die gewonnenen Erze mehrere der hier betrachteten metallischen Rohstoffe als auch weitere wertvolle Rohstoffe beinhalten, die gemeinsam gefördert und über verschiedene Prozesse separat für jeweilige Anwendungsgebiete zur Verfügung gestellt werden", schrieb Buchgeister.

Das bestätigte Marko Paakkinen, Forschungsgruppenleiter für Elektroantriebe und Energiespeicher am Technischen Forschungszentrum Finnland (VTT) in Espoo gegenüber AFP: "Die Zahlen gehen scheinbar von einem Tagebau aus. Bei der Berechnung wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass beispielsweise 95 Prozent des Kobalts im Rahmen des Abbaus anderer Metalle produziert werden, das benötigte Erz also nur einmal abgebaut werden muss."

Selbst wenn für eine Elektroauto-Batterie tatsächlich 227 Tonnen Erde bewegt werden müssten, könne ein Radlader wie der Caterpillar 994K das in nur einer Stunde bewegen – theoretisch sogar für 21 Batterien, erklärte Klaus Finzel. "Geht man vom Maximalverbrauch aus, kann man bei 217 Liter pro Stunde mit dem 994K ein Materialgewicht von 4800 Tonnen pro Stunde umsetzen." Das wäre ein Dieselverbrauch von 10,3 Litern pro Batterie. Bei einem CO2-Ausstoß von 2,64 Kilogramm pro Liter fielen demnach beim Rohstoffabbau 27,2 Kilogramm CO2 pro Batterie an. "Das ist so viel, wie ein Diesel-Pkw auf einer Strecke von 200 Kilometern emittiert", schrieb Finzel.

Auch wenn die Zahlen aus der Behauptung nicht stimmen, seien laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) vom Januar 2020 E-Autos insgesamt tatsächlich energieintensiver in der Produktion: "Elektrofahrzeuge verursachen bei der Herstellung in der Regel mehr Treibhausgasemissionen als konventionelle Pkw, die mit Diesel oder Benzin betrieben werden", heißt es dort. Je nach Energiequelle, Energieeffizienz der Produktion und Batteriegröße fielen zwischen 70 und 130 Prozent höhere Treibhausgasemissionen an als bei der Herstellung von Benzin- oder Dieselfahrzeugen.

20 LNG-Gastransportschiffe verbrauchen nicht so viel Treibstoff wie alle Autos der Welt

Im zweiten Vergleich heißt es, 20 Gastransportschiffe würden auf ihrem Weg von den USA nach Europa 1140 Tonnen Treibstoff pro Tag verbrauchen. Dabei würde ein Frachtschiff allein die Umwelt so sehr verschmutzen wie 50 Millionen Autos – zwei Dutzend Schiffe so viel wie alle Autos der Welt zusammengenommen. Auch diese Behauptung hat AFP bereits Ende April 2022 in einem Faktencheck geprüft.

LNG-Tanker verwenden Teile ihrer Ladung für den Antrieb

Flüssiggas oder Liquified Natural Gas (LNG) ist eigentlich gasförmiges Erdgas, das so stark heruntergekühlt wird, dass es flüssig wird. LNG hat weniger als 0,2 Prozent des Volumens von Erdgas und lässt sich so in großen Mengen auf Schiffen und Fahrzeugen transportieren.

Moderne Flüssiggastanker verbrauchen bei ihrer Überfahrt kaum Öl. Sie verwenden hauptsächlich Teile ihrer Ladung. Die Menge an Rohöl, die für die globale Jahresproduktion von Treibstoffen für Autos verwendet wird, liegt vielfach höher – selbst wenn 20 Tanker ausschließlich Schweröl für ihren Antrieb verwenden würden. Das erklärten mehrere Experten.

Würden 20 LNG-Tanker über die gesamte Strecke ihrer Überfahrt von den USA nach Europa ausschließlich mit Schweröl betrieben, beliefe sich der gesamte Verbrauch auf weniger als ein Tausendstel des globalen Jahresverbrauchs für Fahrzeuge, erklärte Gregor Schellenberger, Professor für Schiffbau und Meerestechnik an der Hochschule Bremen. Er verdeutlichte das am 25. April 2022 in einer Beispielrechnung:

Schellenberger rechnete mit den Daten des 2018 außer Dienst gestellten LNG-Tankers "British Pioneer", der rund 150.000 Kubikmeter Transportkapazität hat. "In unserem Beispiel fährt dieser Tanker mit einer Geschwindigkeit von circa 20 Knoten. Das sind 20 Seemeilen in der Stunde, was einer zurückgelegten Strecke von 480 Seemeilen oder rund 890 Kilometern am Tag entspricht."

Die fiktive Route des Tankers verliefe vom US-Bundesstaat Louisiana nach Rotterdam in den Niederlanden und zurück nach Louisiana – insgesamt rund 10.000 Seemeilen oder 18.500 Kilometer. Diese Strecke fahren viele Tanker tatsächlich. Tanker wie die "British Pioneer" verbrauche im Schnitt etwa 75 Tonnen Schweröl am Tag, erklärte Schellenberger. Um die Berechnung zu vereinfachen, ging er von einem großzügigen Verbrauch von täglich 100 Tonnen Schweröl aus.

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GoogleMaps-Screenshot einer Beispielroute eines LNG-Tankers von Louisiana nach Rotterdam: 26.04.2022

"Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 20 Knoten benötigt das Schiff für seine Rundreise von 10.000 Seemeilen 500 Stunden oder gut 20 Tage Fahrzeit", sagte Schellenberger. "Bei einem angenommen Verbrauch von 100 Tonnen Schweröl pro Tag entspricht das 2000 Tonnen Schweröl pro Fahrt. Dementsprechend würden 20 solcher Tanker insgesamt 40.000 Tonnen Schweröl für die gesamte Strecke verbrauchen."

Weltweiter Kraftstoffverbrauch für den Straßenverkehr liegt vielfach höher

Für den zweiten Teil der Beispielrechnung, wie viele Autos wie lange mit der gleichen Treibstoffmenge fahren könnten, ging Schellenberger von einem Auto mit einem Durschnittsverbrauch von fünf Liter auf 100 Kilometern aus. Die angenommene Jahresleistung von 10.000 Kilometern entspricht einem jährlichen Verbrauch von 500 Litern Benzin oder Diesel.

"Wenn die 20 Tanker in unserer anfänglichen Rechnung 40.000 Tonnen oder mit anderen Worten rund 40 Millionen Liter Treibstoff verbrauchen, entspricht das in etwa dem Verbrauch von 80.000 Fahrzeugen, die 500 Liter Sprit pro Jahr verbrauchen", sagte Schellenberg. "Hier sind Busse und Lkw, die teilweise deutlich mehr Kraftstoff verbrauchen, nicht mit einberechnet."

2,3 Milliarden Tonnen Öl pro Jahr für den Straßenverkehr

Laut Kraftfahrtbundesamt waren zum 1. Januar 2022 in Deutschland allein insgesamt 67,7 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Laut Umweltbundesamt lag der Kraftstoffverbrauch aller Kraftfahrzeuge 2020 in Deutschland bei 42 Milliarden Litern. Yves van der Straaten, Generalsekretär der Internationalen Automobilherstellervereinigung (OICA) schrieb am 6. April an AFP, dass es Daten der OICA zufolge im Jahr 2015 1,3 Milliarden Autos inklusive Busse und Lkw auf der Welt gab – zwei- und dreirädrige Fahrzeuge nicht mit einbezogen.

Vincent Demoury, Generaldelegierter der Internationalen Gruppe von Flüssiggasimporteuren (GIIGNL), bestätigte am 15. April 2022 gegenüber AFP, dass 20 LNG-Tanker auf ihrer Fahrt von den USA nach Europa weitaus weniger Treibstoff verbrauchen würden, als alle Autos der Welt in einem Jahr zusammen.

Laut Energie-Portal BloombergNEF würden 2019 täglich rund 42,5 Millionen Barrel Rohöl für die Treibstofferzeugung für Fahrzeuge benötigt. Das entspricht 15 Milliarden Barrel oder 2,3 Milliarden Tonnen Öl pro Jahr. "Im schlechtesten Fall benötigen 20 LNG-Tanker bei maximalem Verbrauch in einem ganzen Jahr insgesamt 1,1 Millionen Tonnen Schweröl", sagte Demoury. Das bedeute im Vergleich, “nicht einmal 0,5 Prozent des weltweiten jährlichen Ölbedarfs für den Straßenverkehr”.

Auch bei zwei Dutzend Tankern, also vier Tankern mehr als in der Beispielrechnung, wäre der Unterschied noch so groß, dass die Behauptung noch immer nicht stimmen würde.

Fazit: Die Behauptungen mit den Vergleichen zum nötigen Verbrauch des Radlader-Modells “CAT994A” für eine einzelne Tesla-Batterie und zum Verbrauch von Gastransportschiffen im Vergleich zum weltweiten Autoverkehr sind falsch. Die Verbrauchsangaben und auch die herangezogenen Vergleichsdaten sind falsch, wie mehrere Experten gegenüber AFP erklärten.

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