Diese Fotos einer australischen Meeresfestung widerlegen nicht den Anstieg des Meeresspiegels

In sozialen Medien wurden zwei Fotos der historischen Festung Fort Denison in Sydney, Australien, geteilt. Die Aufnahmen liegen fast ein Jahrhundert auseinander und wurden als vermeintlicher Beweis dafür angeführt, dass der Meeresspiegel gar nicht steige. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklärten jedoch gegenüber AFP, dass diese Behauptung den Einfluss der Gezeiten außer Acht lassen würde. Daten würden zudem eindeutig belegen, dass der Meeresspiegel aufgrund menschlicher Emissionen lokal und weltweit deutlich ansteigt.

"Uns wurde ein massiver Anstieg des Meeresspiegels verkauft und unseren Kindern beigebracht", heißt es in einem Beitrag vom 8. Juni 2025, der tausende Male auf Facebook geteilt wurde.

In dem Beitrag werden zwei Fotos von Fort Denison in Sydney, Australien, gegenübergestellt. Das heute denkmalgeschützte Fort Denison, auch bekannt als Muddawahnyuh in der Sprache der Eora (hier und hier archiviert), ist eine ehemalige Strafkolonie und Verteidigungsanlage. Die beiden Fotos, die angeblich im Abstand von 93 Jahren aufgenommen wurden, scheinen zu zeigen, dass der Wasserpegel an der Fassade die gleiche Höhe aufweist. Der Text über den Aufnahmen lautet: "Beispielloser Anstieg des Meeresspiegels".

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 20. Juni 2025

Posts mit denselben Fotos wurden auch an anderer Stelle auf Facebook sowie auf LinkedIn und X geteilt.

Eine umgekehrte Bildsuche und eine Stichwortsuche ergaben, dass die beiden Fotos tatsächlich fast ein Jahrhundert auseinander liegen: Das erste erscheint auf dem Flickr-Account des australischen Powerhouse Museum mit der Bildunterschrift "aufgenommen um 1934". Das zweite wurde in einem Artikel aus dem Jahr 2023 auf einem Tourismus-Blog veröffentlicht (hier und hier archiviert).

Die Aufnahmen widerlegen jedoch nicht, dass der Meeresspiegel – sowohl global als auch regional – steigt.

Anstieg des Meeresspiegels um Fort Denison

Die US-amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) kontrolliert seit 1886 den relativen Meeresspiegel – also die Höhe des Wassers (Wasserstand) im Verhältnis zum Land – um Fort Denison (hier archiviert).

Daten bis 2022 zeigen, dass der Meeresspiegel laut der US-Behörde um durchschnittlich etwa 0,8 Millimeter pro Jahr gestiegen ist, was einer Veränderung von etwas mehr als acht Zentimetern über 100 Jahre entspricht.

Eine Sprecherin des australischen Bureau of Meteorology erklärte gegenüber AFP, dass zwischen 1914 und April 2025 der lokale jährliche Mittelwert des Meeresspiegels ebenfalls gestiegen sei (hier archiviert).

"Genau wie bei anderen Wetter- und Ozeanvariablen auch, gibt es Jahre mit einem überdurchschnittlich hohen Meeresspiegel und Jahre mit einem unterdurchschnittlich niedrigen Meeresspiegel", erklärte sie am 16. Juni 2025.

Mehrere Studien haben ebenfalls Veränderungen des Meeresspiegels in Australien im Laufe der Zeit beobachtet (hier und hier archiviert).

"Die Realität ist, dass der globale Meeresspiegel steigt, und der Meeresspiegel um Fort Denison ist keine Ausnahme", erklärte die Klimawissenschaftlerin Shaina Sadai am 13. Juni 2025 gegenüber AFP (hier archiviert).

"Ein Foto ist nur eine Momentaufnahme und kann uns kein vollständiges Bild von langfristigen Veränderungen vermitteln", sagte sie. "Viele Faktoren können den Wasserstand zu einem bestimmten Zeitpunkt beeinflussen, beispielsweise der tägliche Gezeitenzyklus."

Aufgrund der Größe der Anlage wäre der Anstieg des Meeresspiegels in Fort Denison aus der Ferne nicht zu erkennen.

Einem Bericht aus dem Jahr 2012 zufolge haben lokale Behörden aufgrund des Klimawandels Pläne zur Anpassung und Befestigung des Geländes ausgearbeitet (hier archiviert).

Aktuelle und zukünftige Bedrohung

Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine ernsthafte und anhaltende Bedrohung für alle Lebewesen und Ökosysteme.

Laut der Nasa würden frühere Schätzungen zeigen, dass menschliche Aktivitäten für etwa 70 Prozent des beobachteten Meeresspiegelanstiegs seit 1970 verantwortlich seien, wobei sich der Prozentsatz im Laufe der Zeit auf 100 Prozent zubewegen würde (hier archiviert).

Untersuchungen des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) zeigen eine anhaltende Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs (hier archiviert).

Bestimmte Orte wie die pazifischen Inselregionen sind laut Nasa stärker gefährdet als andere Gegenden der Welt und werden in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich irreversibel verändert werden.

Ein Anstieg des Meeresspiegels um 23 Zentimeter in den letzten 125 Jahren hat sich als ausreichend erwiesen, um die Existenz vieler kleiner Inselstaaten zu gefährden und die zerstörerische Kraft von Sturmfluten weltweit enorm zu verstärken.

"Küstenökosysteme können als Reaktion auf den Meeresspiegelanstieg landeinwärts migrieren oder vertikal wachsen, aber ihre Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit, mit dem Meeresspiegelanstieg Schritt zu halten, wird durch die Erwärmung der Ozeane und andere Faktoren je nach Region und Art beeinträchtigt", stellte der IPCC in seinem Bericht aus dem Jahr 2022 fest (hier archiviert).

AFP hat bereits andere Beiträge widerlegt, in denen historische Aufnahmen falsch dargestellt wurden, um den vom Menschen verursachten Klimawandel und seine Auswirkungen zu leugnen. Weitere Faktenchecks zum Thema Klima finden sich auf der AFP-Website.

Fazit: Die Fotos des australischen Fort Denison aus dem 20. und 21. Jahrhundert beweisen nicht, dass der Meeresspiegel seit 100 Jahren nicht angestiegen ist. Fotos sind immer Momentaufnahmen und können daher nicht als Beweismittel für langfristige Veränderungen herangezogen werden. Die Wissenschaft ist sich einig, dass die globale Erwärmung und somit auch der Anstieg des Meeresspiegels mit ungebremster Beschleunigung voranschreitet und somit eine existenzielle Bedrohung darstellt.

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