
Trump-Kabinettsmitglied verbreitet nach Wolfswelpen-Ankündigung Falschinfos über "Wiederbelebung" ausgestorbener Arten
- Veröffentlicht am 23. April 2025 um 09:36
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Manon JACOB, AFP USA
- Übersetzung: Lisa-Marie ROZSA
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In Social-Media-Beiträgen – darunter auch von Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk auf seiner Plattform X – wurden Fotos und Videos von Wolfswelpen geteilt. Dabei wurde behauptet, dass die Arbeit des privaten Biotechnologieunternehmens Colossal Biosciences "die Wiederauferstehung" des Schattenwolfs, einer vor etwa 12.000 Jahren ausgestorbenen Art, ermöglicht habe.
Die Trump-Regierung nutzte die Nachricht schnell, um auf eine Abschwächung der Politik zum Schutz gefährdeter Arten in den USA zu drängen. Am 7. April 2025 behauptete US-Innenminister Doug Burgum auf X, dass die "Wiederbelebung des Schattenwolfs den Beginn einer aufregenden neuen Ära wissenschaftlicher Wunder signalisiert, die zeigt, wie das Konzept der 'Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten' als Grundlage für den modernen Artenschutz dienen kann". Burgum legte während einer live übertragenen Bürgerversammlung am 9. April 2025 noch einmal nach und sagte: "Wenn wir uns über den Verlust einer Art sorgen, haben wir jetzt die Möglichkeit, sie wieder zum Leben zu erwecken". "Wählen Sie Ihre Lieblingsart aus und rufen Sie Colossal an", forderte er, während die derzeitige Bundesregierung weiterhin den Schutzstatus verschiedener gefährdeter Arten angreift, oft gestützt auf irreführenden Darstellungen.

Fachleute erklärten gegenüber AFP jedoch, dass es nicht möglich sei, ein Tier zu erschaffen, das zu 100 Prozent genetisch identisch mit einer ausgestorbenen Art ist. Das Potenzial der Technologie, bestehende Arten vor aktuellen Gefahren, einschließlich menschlicher Bedrohungen, zu bewahren, beruhe auf irreführenden Annahmen.
Schattenwolf ... oder nicht?
Colossal Biosciences, das von einer "funktionellen De-Extinktion" durch sein Experiment spricht, gibt an, die DNA eines modernen Wolfs mit sorgfältig ausgewählten Genen aus Fossilien des Aenocyon dirus (im Deutschen etwa "Schattenwolf") manipuliert zu haben. Dieses modifizierte genetische Material wurde dann in eine Eizelle eines Wolfs eingesetzt und einer gewöhnlichen Hündin als Hunde-Leihmutter implantiert. Das Team untersuchte die DNA von zwei Schattenwolf-Fossilien – einem Zahn aus der Zeit vor 13.000 Jahren und einem Schädelfragment aus der Zeit vor 72.000 Jahren – und verglich sie mit der DNA des heute lebenden Wolfs.
Dies mache sie jedoch nicht zu "Schattenwölfen", sagten unabhängige Expertinnen und Experten gegenüber AFP. "Schattenwölfe und Wölfe haben einen gemeinsamen Vorfahren, der vor etwa sechs Millionen Jahren lebte, was bedeutet, dass sie nicht besonders eng miteinander verwandt sind – das ist in etwa die gleiche zeitliche Distanz, die uns von den Vorfahren der Schimpansen trennt", erklärte der Genetiker Adam Rutherford am 10. April 2025 gegenüber AFP.
Das Genom der drei Welpen wurde leicht verändert, damit sie physisch Schattenwölfen ähneln, fügte Rutherford hinzu. "Das Fell ist weiß, da man davon ausgeht, dass Schattenwölfe weiß waren – was eigentlich nie bewiesen wurde, aber so sehen sie in 'Game of Thrones' aus, was vermutlich die Motivation für diese genetische Veränderung war", sagte Rutherford. Der ursprüngliche Schattenwolf, so Rutherford, sei eher mit Schakalen als mit Wölfen verwandt gewesen. Heute gebe es keine ökologische Nische mehr, die derjenigen ähnelt, in die sie historisch gepasst hätten.
Adrian Treves, Professor für Umweltwissenschaften und Gründer des Carnivore Coexistence Lab von der University of Wisconsin-Madison im US-Bundesstaat Wisconsin, sagte, da Colossal plane, die Welpen in Gefangenschaft zu halten, könnten sie weder funktionell noch vom Verhalten her Schattenwölfe sein.

"Das ist ein in Gefangenschaft lebender Wolf mit Schattenwolf-Genen, der von einem Hund aufgezogen wird und von Menschen mit Nahrung, Schutz und Stimuli versorgt wird, die ein Schattenwolf niemals erfahren würde", sagte Treves am 11. April 2025 gegenüber AFP.
Keine "Wiederbelebung einer ausgestorbenen Tierart"
Bridgett vonHoldt, Professorin für evolutionäre Genomik an der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Colossal, erklärte gegenüber AFP am 8. April 2025, dass das Experiment einen "monumentalen Schritt" für die Biotechnologie darstelle.
Während mehrere Mitglieder, die an der Arbeit des Start-ups beteiligt sind, von einer "Wiederbelebung" einer Spezies sprechen, sagen unabhängige Fachleute, mit denen AFP gesprochen hat, dass dieser Begriff falsch verstanden werde.
Die quantitative Paläobiologin Emma Dunne erklärte gegenüber AFP, dass eine "Wiederbelebung" wissenschaftlich nicht erreichbar sei. "'De-Extinktion' erfordert nicht nur, dass ein Organismus genetisch und physisch vorhanden ist, sondern auch, dass er sich fortpflanzt und mit seiner Umwelt interagiert", erklärte sie AFP am 9. April 2025. "Diese Experimente finden ausschließlich im Labor statt und sagen nichts darüber aus, wie diese Tiere tatsächlich in ihrer Umgebung leben und sich fortpflanzen würden." Sie verwies auf einen gescheiterten Versuch der "Wiederbelebung" in den frühen 2000er-Jahren, bei dem ein Pyrenäen-Steinbock genetisch geklont wurde (hier archiviert).
Die wissenschaftliche Leiterin von Colossal, Beth Shapiro, erklärte jedoch am 8. April 2025: "Unser Ziel ist es nicht, perfekte genetische Kopien von etwas zu schaffen, das nicht mehr existiert. Es geht darum, etwas zu tun, das zur Gestaltung von Ökosystemen beiträgt, indem das Gleichgewicht wiederhergestellt wird." Es solle diese Ökosysteme "hoffentlich" widerstandsfähiger gegenüber Störungen machen, die hauptsächlich vom Menschen verursacht werden, fügte sie hinzu.
Die Wirbeltierpaläontologin Julie Meachen von der Des Moines University im US-Bundesstaat Iowa hat 2021 zusammen mit Shapiro eine wissenschaftliche Arbeit über die gemeinsamen Vorfahren von Schattenwölfen und heute lebenden Wölfen verfasst. "Ich denke, dass die Technologie zum Überleben und zur Erhaltung mehrerer gefährdeter Arten beitragen kann", argumentierte sie am 10. April 2025. Dies gelte insbesondere für Arten wie den Rotwolf, den laut Angaben des Start-ups am stärksten gefährdeten Wolf der Welt, an dessen Erhaltung das Unternehmen arbeitet (hier archiviert).
Überschätztes Potenzial für den Artenschutz
Unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Grundlagenforschungsinstitute warnen jedoch davor, dass solche Experimente von anderen notwendigen Maßnahmen zum Artenschutz ablenken könnten. Der Klimawandel bedroht über 10.000 Arten auf der Roten Liste (IUCN, International Union for Conservation of Nature and Natural Resources), eine Zahl, die mit der weiteren Erwärmung bis 2100 erheblich steigen dürfte.
"Wenn jemand entschlossen wäre, bedrohte Arten mit Hilfe der Genetik zu retten, wäre seine Zeit und sein Geld besser in die Züchtung klimaresistenter Individuen investiert, was natürlich angesichts der komplexen Zusammenhänge zwischen Klima und Organismen in der Realität praktisch unmöglich ist", sagte die Paläobiologin Dunne.
Das Wolf Conservation Center im US-Bundesstaat New York erklärte gegenüber AFP am 11. April 2025, dass es "notwendig ist, sich auf den Schutz der Wildtiere und Wildgebiete zu konzentrieren, die wir derzeit haben, anstatt Maßnahmen zu untergraben, die es uns ermöglichen, gefährdete Arten wirklich zu retten" (hier archiviert).
Die größte Bedrohung für Wölfe sind nach wie vor Menschen, wie in mehreren Studien berichtet wurde (hier und hier archiviert). Diese Bedrohung werde durch übertriebene Ängste vor Angriffen auf Menschen und ihre Nutztiere noch verstärkt.
"Wenn man die Ablehnung gegenüber lebenden Wölfen bedenkt, warum sollte diese Nation dann jemals ausgestorbene Arten wiederbeleben wollen?", sagte der Wolfsexperte Carter Niemeyer am 11. April 2025.
Während die Gentechnik das Potenzial bietet, bestimmte Pflanzen und Nutzpflanzen an den Klimawandel anzupassen, kann die Einführung veränderter Exemplare laut Forscherinnen und Forschern auch Wildtierarten stören oder schädigen (hier und hier archiviert).
AFP hat bereits über weitere irreführende Behauptungen zu Bedrohungen für Arten berichtet.
Fazit: Die Züchtung dreier Wolfswelpen, die möglicherweise Merkmale des ausgestorbenen Schattenwolfs aufweisen, bedeutet nicht, dass Arten nicht vor (menschlichen) Bedrohungen geschützt werden müssen. Das wurde von einem Kabinettsmitglied Trumps fälschlicherweise verbreitet.