Dieses Video zeigt keine aktuell inszenierten Toten, sondern Proteste in Ägypten 2013
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- Veröffentlicht am 14. Mai 2021 um 16:34
- Aktualisiert am 14. Mai 2021 um 17:06
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich
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Leichentuch neben Leichentuch reihen sich aneinander, aber dann bewegen sich einige der verdeckten Toten vor laufender Kamera. Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben ein Video mit dieser Szene Mitte Mai auf Facebook geteilt (hier, hier, hier). Auch auf Telegram sahen Zehntausende die gestellten Toten (hier, hier, hier). Auf Youtube hat der Clip mehr als zehntausend Views seit 2018 gesammelt (hier).
Der vermeintliche Kontext des Videos variiert. So fragen User auf Facebook und Telegram etwa: "Werden Sie uns als Corona-Tote verkauft??? Oder als Kriegsopfer???" Auf Youtube heißt es im Titel "tote Palästinenser bewegen sich" und in der Beschreibung "Die Welt will Bilder und Dokus sehen, vom bösen, mordenden Juden! Die Welt bestellt...Antisemiten liefern!"
Tausende User teilten die Aufnahme auch auf Serbisch (falsche Corona-Todesfälle) oder Tschechisch (angeblich gestellte Todesfälle in Indien).
Behauptungen, die Corona-Pandemie sei in Wirklichkeit inszeniert, verbreiten sich immer wieder. AFP hat in der Vergangenheit bereits andere vermeintlich gestellte Bilder von Corona-Todesfällen überprüft (hier, hier, hier). Auch die aktuell verbreiteten angeblich gestellten Todesfälle passen in diese Reihe an Falschinformationen.
Eine Google-Suche nach dem Video führte AFP zu einem italienischen und einem österreichischen Faktencheck aus den Jahren 2017 und 2018. Beide Artikel sind also wesentlich älter als die Corona-Pandemie. Damals stellten Nutzerinnen und Nutzer die Videoaufnahme in den Kontext angeblich inszenierter Todesopfer im Syrienkrieg.
Ägyptische Proteste 2013
Die genannten Faktenchecks weisen aber daraufhin hin, dass das Video in Wirklichkeit aus Ägypten stammt. Bereits am 28. Oktober 2013 postete die ägyptische Nachrichtenseite "Elbadil" auf Youtube eine längere Version des aktuell geteilten Videos. Laut der Videobeschreibung stammt es von einer Demonstration studentischer Muslimbrüder vor einem Gebäude der Al-Azhar-Universität in Kairo.
Im Sommer 2013 war es in Ägypten zu andauernden Massenprotesten gegen den damals amtierenden Präsidenten und Muslimbruder Mohammed Mursi gekommen. Im Juli 2013 putschte das Militär, setzte Mursi ab und übernahm die Macht. Die neu eingesetzte Regierung ließ daraufhin im August 2013 Protestlager der Mursi-Anhänger durch Sicherheitskräfte mit Gewalt räumen. Hunderte Menschen starben. Die Studierenden aus dem Video wiesen mit dem symbolischen Protest auf diese Tötung Hunderter Anhänger*Innen der Muslimbruderschaft rund zwei Monate zuvor hin. AFP hat die Aufschriften auf den weißen Leichentüchern übersetzt. Dort ist jeweils das Wort "Märtyrer" zu lesen, gefolgt von einem Namen.
AFP fand mit diesen Informationen ein weiteres Youtube-Video, das die Protestszene ausführlicher zeigt. Die Seite der ägyptischen Zeitung "Akhbar el-Yom" lud sie ebenfalls am 28. Oktober 2013 hoch. In dieser Aufnahme ist das im Hintergrund gezeigte Gebäude gut sichtbar zu erkennen.
Ein Screenshot davon (links) deckt sich mit einer Aufnahme von AFP-Fotograf Khaled Kamel (rechts) von Protesten am 30. Oktober 2013 aus Kairo. Die weißen Ornamente und die Positionierung der Klimaanlagen stimmen genauso überein wie verschiedene Aufschriften am Gebäude (mit rot hervorgehoben). Außerdem ist in beiden Aufnahmen das R4bia-Symbol, eine Hand mit vier ausgestreckten Fingern, zu sehen, ein Symbol der Protestbewegung in Ägypten 2013.
Fazit: Das Video stammt aus Kairo aus dem Jahr 2013 und wurde seither mehrfach in einen falschen Kontext gesetzt. Nutzerinnen und Nutzer benutzten es, um zu belegen, dass Tote im Syrienkrieg, im Nahostkonflikt oder in der Corona-Krise nur gestellt seien.