Italienisches Dokument beweist nicht, dass mRNA-Impfstoffe gefährlich sind

Irreführende Behauptungen über mRNA-Impfstoffe verbreiten sich Jahre nach der Corona-Pandemie noch immer. Im jüngsten Fall wurde ein italienisches Gesundheitsdokument aus dem Jahr 2020 fälschlicherweise als Beweis dafür geteilt, dass mRNA-Impfstoffe "gefährlich" seien, weil das Personal angewiesen wurde, verschütteten Impfstoff mit Bleichmittel und in vollständiger Schutzkleidung zu beseitigen. Ein Virologe erklärte, dass das Dokument nicht darauf hindeute, dass der Impfstoff gefährlich sei. Die italienische lokale Gesundheitsbehörde teilte mit, dass es sich bei der Notiz um eine "interne Mitteilung" handele und sie "keineswegs ein außergewöhnliches Protokoll" darstelle.

"Wenn eine Ampulle zerbricht und auf den Boden fällt, muss ein Dekontaminierungsprotokoll für giftige Substanzen durchgeführt werden.... Aber wenn man sich damit impfen ließ, war es absolut sicher?", fragt ein X-Nutzer in einem Beitrag vom 3. November 2025, in dem er ein Bild eines italienischen Gesundheitsdokuments mit Anweisungen zum Umgang mit verschüttetem Impfstoff teilt.

Die Behauptung wurde zudem auf Facebook sowie auf Französisch, Italienisch, Polnisch oder auch Rumänisch geteilt. 

Den Posts ist ein Bild eines Dokuments vom 31. Dezember 2020 mit dem Logo von Asl4 Liguria beigefügt. Dabei handelt es sich um eine lokale Gesundheitsbehörde der Region Ligurien in Norditalien.

Das Dokument, das auf Italienisch verfasst wurde, trägt den Titel "Betriebliche Handhabung bei versehentlichem Verschütten aufgrund eines Bruchs der Impfstoff-Ampulle". Erwähnt wird dann der Impfstoff Comirnaty, ein mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 von Biontech/Pfizer. Anschließend sind mehrere Maßnahmen aufgeführt, die im Falle eines Unfalls befolgt werden müssen. 

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X-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 13. November 2025

Das Dokument enthält jedoch lediglich Standardmaßnahmen zur biologischen Sicherheit, die das medizinische Personal schützen sollen, wenn Impfstoffe versehentlich verschüttet wurden. Es ist kein Beweis dafür, dass die Impfstoffe giftig sind, wie in den Beiträgen behauptet wird.

Dokument ist interner Sicherheitshinweis

AFP fand heraus, dass das Dokument vom 31. Dezember 2020 von Asl4 Liguria, einer lokalen Gesundheitsbehörde mit Sitz in Chiavari in Norditalien, ausgestellt und von Ingenieur Gianfranco Venturino vom Präventions- und Schutzdienst der Behörde unterzeichnet wurde.

"Sollte es während der Handhabung oder Verabreichung des Comirnaty-Impfstoffs zu einem versehentlichen Verschütten kommen, nachdem die Ampulle mit dem Impfstoff zerbrochen ist", wies das Dokument das Personal an, müsse der Bereich abgegrenzt und der Raum gelüftet sowie Schutzausrüstung mit wasserdichtem Kittel, Überschuhen, einer FFP2-Maske, Gesichtsschutz oder Schutzbrille sowie Handschuhen getragen werden. 

Außerdem wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen, "die Bruchstücke der Ampulle zu entfernen und in einem Behälter für scharfe Gegenstände zu entsorgen" und anschließend "die Flüssigkeit mit saugfähigem Material aufzunehmen, wobei von außen nach innen vorgegangen werden sollte". Schließlich heißt es in dem Dokument, dass der Bereich "mit Natriumhypochlorit dekontaminiert" werden solle, wobei alle Einweggeräte im biologischen Abfall zu entsorgen seien, während wiederverwendbare Gegenstände "gemäß den Standardverfahren desinfiziert" werden müssen. Natriumhypochlorit ist in verdünnter Form auch als Bleichmittel oder Chlorbleiche bekannt.

In einer E-Mail an AFP vom 8. November 2025 bestätigte Asl4 Liguria die Echtheit des Dokuments. Die Gesundheitsbehörde erklärte jedoch, dass es eine interne Mitteilung sei, die Handlungsanweisungen für das Gesundheitspersonal zu Beginn der Impfkampagne enthalte. 

Das Dokument habe "keinen externen regulatorischen Wert und keinen pharmakologischen Bewertungscharakter", sondern sei "ein internes Dokument, das darauf abzielt, die Sicherheit der Beschäftigten im Gesundheitswesen in der Anfangsphase der Einführung des Impfstoffs zu gewährleisten", so die Behörde. Es sei als Vorsichtsmaßnahme gemäß der italienischen Gesetzgebung zur Sicherheit am Arbeitsplatz, Gesetzesdekret 81/2008 ( Artikel 15 und 18), herausgegeben worden.

"Es wurde als angemessen erachtet, maximale Schutzmaßnahmen für den Fall eines versehentlichen Bruchs der Fläschchen zu ergreifen", erklärte Asl4, um "potenzielle Risiken durch versehentlichen Haut- oder Augenkontakt, Einatmen von Aerosolen und Verschütten des Präparats auf Arbeitsflächen zu vermeiden".

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde stellten die Anweisungen dar, wie gute Laborpraktiken anzuwenden sind, wenn biologische oder pharmazeutische Produkte verschüttet wurden. Außerdem werde darin die Standardausrüstung von Gesundheitspersonal genannt, die während des Pandemiehöhepunkts täglich in Kontakt mit Anwenderinnen und Anwendern gewesen seien. Asl4 erklärte gegenüber AFP: "Die in dem Dokument beschriebenen Verfahren waren keineswegs ein Ausnahmeprotokoll."

Erwähnte Maßnahmen sind Standard

Die Anweisungen umfassen Standard-Sicherheitsmaßnahmen für den Fall, dass injizierbare Arzneimittel oder biologische Flüssigkeiten verschüttet wurden, für den Umgang mit pharmazeutischen Produkten, wenn Menschen damit in Berührung kommen könnten, und "die Reinigung und Desinfektion kontaminierter Oberflächen", fügte Asl4 hinzu und wies darauf hin, dass das italienische Gesundheitsministerium und das medizinische Forschungsinstitut Istituto Superiore di Sanità (ISS) für solche Verfahren eine Bleichekonzentration zwischen 0,1 Prozent und 0,5 Prozent empfehlen.

Der Virologe Fabrizio Pregliasco, Direktor der Fachschule für Hygiene und Präventivmedizin an der Universität Mailand, erklärte gegenüber AFP am 5. November 2025, dass das Dokument "nicht darauf hindeutet, dass der Impfstoff gefährlich ist".

Er sagte, dass "gute Biosicherheitspraktiken der Stufe BSL-1+ angewendet werden, das heißt Standard-Vorsichtsmaßnahmen für den Umgang mit biologischen Produkten mit geringem Risiko". Solche Maßnahmen seien "notwendig und angemessen, um die Sicherheit des Gesundheitspersonals und die Einhaltung des italienischen Arbeitsschutzgesetzes zu gewährleisten".

Die Standardrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen ebenfalls, Bleichmittel oder ähnliche Desinfektionsmittel zu verwenden, um biologisches Material zu reinigen und so eine Kontamination zu verhindern.

Während der Pandemie empfahl die WHO Desinfektionsmittel mit 0,1 Prozent Natriumhypochlorit auch für die Reinigung gewöhnlicher Oberflächen im Haushalt, um das Risiko einer Virusübertragung zu verringern. Wie Untersuchungen zeigen, wurde festgestellt, dass Natriumhypochlorit das SARS-CoV-2-Virus innerhalb weniger Minuten wirksam inaktiviert.

Impfungen reduzierten Todesfälle um 57 Prozent

Italien startete seine nationale Impfkampagne gegen Covid-19 am 27. Dezember 2020. Seitdem hat das EU-Land mehr als 150 Millionen Impfdosen verabreicht und eine Impfquote von fast 85 Prozent der Bevölkerung erreicht.

Eine italienische Studie aus dem Jahr 2022 zeigte, dass das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, auf die Intensivstation zu kommen oder sogar zu sterben, für Nicht-Geimpfte viel höher war als für vollständig Geimpfte, "wodurch die Bedeutung der Priorisierung der Covid-19-Impfung deutlich wird".

Die WHO erklärte im Jahr 2024, dass die Covid-19-Impfstoffe seit ihrer Einführung im Dezember 2020 die Zahl der Todesfälle aufgrund der Pandemie um mindestens 57 Prozent reduziert und damit mehr als 1,4 Millionen Menschenleben in Europa gerettet haben. "Die meisten der geretteten Menschen waren 60 Jahre oder älter, also die Gruppe mit dem höchsten Risiko für schwere Erkrankungen und Todesfälle durch das SARS-CoV-2-Virus", hieß es.

Eine weitere Studie, die 2025 in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurde, ergab, dass Covid-19-Impfungen zwischen 2020 und 2024 2,5 Millionen Todesfälle verhindert haben.

Obwohl die Sicherheit von Impfstoffen weitgehend bestätigt wurde, haben Untersuchungen auch einige seltene Nebenwirkungen aufgezeigt. Die weltweit größte Studie zu den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna sowie dem Vektor-Impfstoff von Astrazeneca gegen Covid-19, an der Millionen von Menschen teilnahmen und deren Ergebnisse im Februar 2024 vorgestellt wurden, bestätigte die Seltenheit der nach der Impfung gegen Covid-19 festgestellten Nebenwirkungen, darunter Myokarditis, Perikarditis, Guillain-Barré-Syndrom und zerebrale Venenthrombose.

Forschende dieser Studie des Global Vaccine Data Network (GVDN), an der mehr als 99 Millionen mit einem Covid-19-Impfstoff geimpfte Menschen in Australien, Argentinien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Neuseeland und Schottland teilgenommen hatten, betonten jedoch, dass die Vorteile der Covid-19-Impfstoffe immer noch "die Risiken bei weitem überwiegen". Sie wiesen beispielsweise darauf hin, dass "die Wahrscheinlichkeit eines neurologischen Ereignisses nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion bis zu 617-mal höher war als nach einer Covid-Impfung".

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Patientinnen und Patienten bekommen im Dezember 2020 in Mailand ihre erste Covid-19-Impfung (POOL / MATTEO BAZZI)

Die italienischen Gesundheitsbehörden haben den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer nicht als gefährlich eingestuft. Sowohl die Agenzia Italiana del Farmaco als auch das ISS haben erklärt, dass er sicher ist und zur Vorbeugung von Covid-19 empfohlen wird.

Im September 2025 startete das italienische Gesundheitsministerium eine neue Covid-19-Impfkampagne für die Herbst- und Wintersaison und führte einen neuen Impfstoff ein, der aktualisiert wurde, um die am stärksten gefährdeten Gruppen vor einer neuen Variante zu schützen. 

Weiter Faktenchecks zu Impfungen und Covid-19 sammelt AFP auf der Website. 

Fazit: Ein italienisches Dokument enthält Sicherheitshinweise zur Entsorgung zerbrochener Ampullen des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty. Dieses Dokument aus dem Jahr 2020 belegt jedoch nicht, dass der mRNA-Impfstoff toxisch ist, wie ein Virologe und die Behörde, die diese Hinweise herausgegeben hatte, bestätigten. 

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