Nein, es gibt keine Probleme mit den Batterien dieser E-Auto-Flotte
Tausende User haben Mitte Mai die Bilder einer stillgelegten Flotte an E-Autos auf Facebook geteilt. Diese würden nahe Paris verrotten und dort den Boden vergiften, heißt es in den Postings. Schuld seien die eingebauten Altbatterien, die ein Recycling der Fahrzeuge unmöglich machten. Die Bilder der E-Autos sind echt, die Batterien der Fahrzeuge allerdings ausgebaut. Die zuständige Umweltbehörde "Dreal" bestätigte den Ausbau der Batterien.
Tausende User haben Mitte Mai die Bilder von Dutzenden zum Teil beschädigten Elektrofahrzeugen auf Facebook geteilt (hier, hier). Auf Telegram erreichten sie Zehntausende (hier).
Zu den Bildern heißt es: "Hunderte ausrangierte Elektroautos von Paris verrotten und vergiften mit ihrem Zerfall den Boden. Recyclingfirmen akzeptieren die Fahrzeuge erst, wenn die Batterien draussen sind. Europa wollte die Batterien nach Indien loswerden, diese weigerten sich aber, die Fahrzeuge einzuführen. Bisher will sich keine Recyclingfirma mit dem Problem der Batterien beschäftigen."

Die Geschichte des Friedhofs
Bereits im Sommer 2018 sind die aktuell gezeigten E-Autos von den Straßen von Paris verschwunden. Damals hatte das französische Unternehmen Bolloré sein E-Carsharing-Angebot "Autolib" eingestellt. Betroffen waren rund 4000 Autos. Ein Großteil dieses Bestands wurde an zwei Unternehmen weiterverkauft: Da ist zum einen das bretonische Unternehmen "Autopuzz", ein ehemaliger Bolloré-Subunternehmer, der die Fahrzeuge in ganz Frankreich weiterverkauft. Und da ist zum anderen die Firma "Atis Production", deren Manager Paul Aouizerate im April 2021 seine Pläne für die Fahrzeuge gegenüber AFP nicht offenlegen wollte (mehr dazu hier, hier, hier).
Hunderte dieser Autolib-Fahrzeuge des Modells "Bluecar" stehen seitdem auf zwei Parkplätzen in einem Industriegebiet im Departement "Loir-et-Cher", rund 200 Kilometer von Paris entfernt. Lokale Zeitungsberichte erwähnten diese ebenfalls bereits 2018. Die Standorte liegen am Rande der Gemeinde Romorantin-Lanthenay. Einer dieser Parkplätze wiederum ist auf zwei unterschiedliche Eigentümer aufgeteilt, es ist also sinnvoll, von insgesamt drei Anlagen zu sprechen.
Die unterschiedlichen Anlagen
1. Asphaltparkplatz "Autopuzz"
Da ist zunächst ein großer Asphalt-Parkplatz (nicht in den Postings zu sehen). Er gehört zu Teilen der Firma “Autopuzz” und zu Teilen “Atis Production”. Und dann gibt es einen Wiesenparkplatz, der ebenfalls “Atis Production” gehört.
Der Autopuzz-Parkplatz wird videoüberwacht und die Fahrzeuge sind in gutem Zustand. AFP hat Ende März mit Autopuzz-CEO Guillaume Ramirez über die hier gelagerten Autos von Autopuzz gesprochen. Er erklärte: "Wir haben uns entschieden, einige der Fahrzeuge zu kaufen. Wir haben erkannt, dass wir ein Elektrofahrzeug zu einem unschlagbaren Preis, nämlich 4.990 Euro, anbieten können."
Die Bluecars dieses Parkplatzes will das Unternehmen aktuell also wieder verkaufen und gerade nicht recyceln. "Autopuzz" verkauft nach eigenen Angaben etwa 50 Autos pro Monat und rechnet damit, dass der Bestand von 800 Fahrzeugen vor dem Sommer 2022 ausverkauft sein wird.
Dementsprechend bestätigte auch ein Sprecher der Umweltbehörde Dreal gegenüber AFP am 31. Mai: "Auf diesem Gelände werden am 20. Mai 2021 333 Fahrzeuge gelagert, davon 302 mit Batterien im Inneren."
2. Demontagewerkstatt von "Atis Production"
Auf diesem geteerten Parkplatz findet sich eine kleine Demontagewerkstatt von Atis Production, auf der Autos zurückgebaut werden. In Bezug auf diese Anlage hatte es im Juli 2020 tatsächlich eine sogenannte “Formale Notiz” der Präfektur gegeben (Anm. d. Red: eine einstweilige Verfügung des zuständigen Amtsbezirks). Darin ging es unter anderem durchaus um Umweltprobleme mit übrig gebliebenen Batterien. Dreal teilte AFP mit: Beim Vorfall sei etwa ein Fahrzeug geladen worden, ”ohne dass die Batterie entfernt wurde." Auch auf diesem Teil des Parkplatzes hat es also Autos mit Batterie gegeben.
Bei einer "unangekündigten" Inspektion im Januar 2021 stellte Dreal fest, dass "die Arbeiten zur Herstellung der Konformität der Anlage durchgeführt worden sind". Auch dies bestätigte die Behörde gegenüber AFP. Der Betreiber verfügt jedoch Stand März 2021 noch immer nicht über eine Genehmigung zum Rückbau der Wagen. (Mehr dazu in dieser AFP-Reportage).
3. Der Wiesenparkplatz
Dies ist der Parkplatz, der in den Fotos der Postings zu sehen ist. Bei einem Besuch dieser einige Hundert Meter von den anderen Parkplätzen entfernten Anlage fiel AFP-Reportern im März 2021 auf: Tatsächlich hatten einige Autos offene Motorhauben, andere zerbrochene Scheiben, zertrümmerte Innenräume oder kaputte Türen.
Zu diesem Parkplatz hatte Dreal bereits 2019 mitgeteilt: "Es ist nur ein Parkplatz wie viele andere auch. Das Risiko einer Verschmutzung, sobald die Batterien ausgebaut sind, ist sehr begrenzt". Auch gegenüber AFP bestätigte die Behörde das im Mai 2021 noch einmal: “Dieser Standort ist eine Grasfläche, auf der etwa 990 Fahrzeuge ohne Batterien gelagert werden. Zu Ihrer Information: Der Standort, der auf den in den sozialen Medien geteilten Fotos abgebildet ist, ist die Grasfläche, auf der Fahrzeuge ohne Batterien stationiert sind."
In Bezug auf alle Anlagen teilte der Sprecher mit: "Ein Besuch der Inspektion von klassifizierten Anlagen fand am 20. Mai 2021 statt. Bei diesem Besuch wurde festgestellt, dass die Demontage- und Lagerungsaktivitäten von Altfahrzeugen eingestellt worden sind", schrieb ein Dreal-Sprecher an AFP.
Auf Nachfrage nach den Batterien schrieb er: "Die Traktionsbatterien sind zur Reparatur oder zum Recycling an BlueSolutions (Bolloré) in der Nähe von Quimper zurückgegeben worden. BlueSolutions ist ein genehmigungspflichtiges Unternehmen im Rahmen der Gesetzgebung für klassifizierte Anlagen."
Was sagt Bolloré?
AFP hat am 18. Mai auch das Unternehmen Bolloré mit der Frage nach übrig gebliebenen Batterien kontaktiert. Dessen stellvertretender Leiter Fabricio Protti sagte: "Es gibt keine Batterien, die undicht sind. Außerdem enthält unsere Technologie keine Flüssigkeiten, so dass sie nicht auslaufen können. Unsere Batterien sind entweder in den Autos und funktionieren, oder wir rangieren sie aus und lagern sie an einem anderen Ort, der dafür vorgesehen und der sicher ist, während wir sie recyceln. Da wir andere Verwendungen dafür haben, entscheiden wir von Fall zu Fall. Wir haben Pläne, die Batterien wiederzuverwenden, aber im Moment sind sie in einem Lager und wenn wir sie nicht wiederverwenden können, werden wir sie recyceln."
Das grundsätzliche Problem mit Elektrobatterien
Die EU erneuert gerade eine seit 2006 bestehende Richtlinie für die Entsorgung von Batterien, die Mitgliedsstaaten bereits Vorgaben zur Entsorgung macht. Darin ist im Artikel 12 festgeschrieben, dass die "gesammelten Altbatterien und -akkumulatoren (...) insbesondere bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Abfallbewirtschaftung entsprechend behandelt und recycelt werden."
Als einer der teuersten und gleichzeitig schwierig zu recycelnden Teile der Elektrofahrzeuge würde es sich für Besitzer kaum lohnen, diese Batterien in den Fahrzeugen einfach "verrotten" zu lassen. Auch zur Wahrheit gehört: "Die Akkus sind weit weg von Recyclingfreundlichkeit", wie Marcel Weil, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technologiefolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie, KIT gegenüber der Zeit betonte (Hier der ausführliche Artikel zum Thema). Oft ist demnach nicht klar, welche Art von Energiezellen genau in den Akkus vorhanden sind. Das erschwert eine energie-effektive Beseitigung.
Fazit
Es gab im vergangenen Jahr tatsächlich Probleme mit Umweltregeln auf Teilen der von Atis Production betriebenen Parkplätze. Die Batterien wurden allerdings aus den Fahrzeugen auf dem in den Postings gezeigten Wiesenparkplatz entfernt. Bei einer kürzlichen Inspektion durch Dreal stellten deren Inspektoren fest, dass es weder auf dem in den sozialen Medien gezeigten Wiesenparkplatz noch auf den anderen Parkplätzen Probleme im Zusammenhang mit der Lagerung der Autos und deren Batterien gab.
Update, 01.06.2021: Header-Bild ausgetauscht. Zusätzliche Zitate von Dreal hinzugefügt sowie den jeweiligen Kontext der unterschiedlichen Parkplätze im Detail hinzugefügt.