Bild von Merz bei Wiedereröffnung einer Synagoge wurde mit KI manipuliert

Bundeskanzler Friedrich Merz hielt bei der Wiedereröffnung einer Synagoge im September 2025 in München eine emotionale Rede. In sozialen Medien kursierte davon ein Bild, das Merz mit aufgerissenem Mund und übertriebenem Gesichtsausdruck darstellt. Doch mehrere Unstimmigkeiten weisen auf eine Bearbeitung mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) hin. Dies belegen Vergleiche mit dem Original-Auftritt.

Der Auftritt von CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz bei der Wiedereröffnung einer Synagoge in München am 15. September 2025 sorgte vielfach für Aufsehen – sowohl in der journalistischen Berichterstattung als auch in sozialen Medien. Bei seiner Rede zeigte sich Merz gerührt, er kämpfte stellenweise gar mit den Tränen. Während seiner Ansprache, in der er die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten an Jüdinnen und Juden in Erinnerung rief, stockte ihm die Stimme.

In sozialen Medien teilten Userinnen und User ein Bild, das Merz besonders verzweifelt aussehen lässt. "Meine Großmutter war Jüdin! Ich glaube sie würde sich für so eine Memme schämen!", schrieb etwa ein User am 17. September 2025 auf X. Ein anderer schrieb spöttisch auf Facebook, Merz würde in dem Bild "künstlich mit Zwiebelsaft in der Tasche über den Judenhass im Land heulen wie ein kleines Mädchen".

Das Bild kursierte außerdem auf Instagram, Threads, Reddit sowie in englischer Sprache.

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Facebook-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 22. September 2025

Inzwischen dient das Bild – etwa auf Threads und Reddit – vielfach als Vorlage für Memes.

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Threads-Screenshots der Behauptung, rote Kreuze von AFP hinzugefügt: 22. September 2025

Doch ein Vergleich mit Original-Mitschnitten aus mehreren Perspektiven ergab, dass Merz während seiner Rede keinen solchen Gesichtsausdruck machte, wie in sozialen Medien illustriert. Mehrere Elemente im Bild liefern zudem Hinweise auf eine Bearbeitung mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Im Umlauf waren weitere Versionen der Szene etwa auf X sowie in unterschiedlicher Form auf Tiktok.

Gesichtsausdruck kommt im Mitschnitt nicht vor

AFP untersuchte die gesamte Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz am 15. September 2025 und verglich Aufnahmen aus mehreren Perspektiven (hier archiviert). Der in den Posts zu sehende Gesichtsausdruck kam in keiner Aufzeichnung zu irgendeinem Zeitpunkt vor.

Merz' Rede fand im Rahmen einer Eröffnung der Synagoge an der Reichenbachstraße in München statt, nachdem sie mehrere Jahre lang restauriert worden war. 

Der Bundeskanzler kündigte dabei einen entschlossenen Kampf gegen jegliche Form von Antisemitismus an: "Ich möchte Ihnen im Namen der Bundesregierung sagen, dass wir alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland ohne Angst leben, feiern und studieren können", sagte Merz. Seine Regierung werde Antisemitismus politisch, "aber auch strafrechtlich und in jedweder gesetzgeberischen Form, die uns möglich ist und die notwendig sein sollte", bekämpfen.

Die Synagoge war ursprünglich am 5. September 1931 eröffnet worden. Rund sieben Jahre später, in der Reichspogromnacht auf den 10. November 1938, wurde sie von den Nationalsozialisten massiv verwüstet und anschließend als Werkstatt und Lager zweckentfremdet.

Elemente deuten auf KI-Bearbeitung hin

Auch anhand mehrerer Gesichtsmerkmale von Merz ist zu erkennen, dass sich die Szene anders zugetragen hatte, als die im Netz kursierenden Bilder suggerierten. Sein Gebiss unterscheidet sich sowohl während der Original-Rede als auch in kürzlich veröffentlichten Porträts von den Posts auf sozialen Plattformen. Die hinteren Zähne auf seiner rechten Gesichtshälfte sehen im geteilten Bild außerdem verwischt aus. Zudem wirkt seine Haut unnatürlich weichgezeichnet. Mögliche Spuren einer nachträglichen Bearbeitung sind auch an seinem Hals zu erkennen.

AFP untersuchte das Bild ebenfalls mithilfe des Verifizierungstools InVid-WeVerify. Die Analyse ergab mit einer Erkennungsrate von 99 Prozent, dass das Bild mittels KI erzeugt wurde.

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Screenshot des Verifizierungstools InVid-WeVerify samt Analyseergebnissen des kursierenden Bildes: 23. September 2025

Mithilfe der forensischen Filter im Tool kann auch annähernd nachvollzogen werden, an welcher Stelle die mutmaßliche Bildbearbeitung vorgenommen wurde:

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Screenshot des Verifizierungstools InVid-WeVerify samt Analyseergebnissen des kursierenden Bildes: 23. September 2025

Denis Teyssou, Leiter der Innovationsabteilung für die Projekte InVID und WeVerify bei AFP, fand am 23. September 2025 mithilfe mehrerer KI-Erkennungstools ebenfalls Anzeichen dafür, dass das Bild manipuliert wurde. Das Projekt "vera.ai" ist eine europäische Forschungs- und Innovationsinitiative, an der AFP Medialab beteiligt ist. "Wir prüfen derzeit noch, welche Modelle allen unseren fortgeschrittenen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt werden sollen", sagte Teyssou.

Das frei zugängliche Tool ImageWhisperer, welches Verifikationsexperte Henk van Ess erstellte und derzeit weiterentwickelt, lieferte ein ähnliches Ergebnis:

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Screenshot der Ergebnisse des Online-Tools zur Bildverifikation ImageWhisperer: 23. September 2025

ImageWhisperer nach weist das Bild "bearbeitete Elemente" auf.

KI-generierte Fälschungen verbreiten sich häufig

Eine umgekehrte Bildsuche der Bilder aus sozialen Medien mithilfe von Google Lens zeigte, dass authentische und gefälschte Versionen des Auftrittes von Merz in der Synagoge in den Ergebnissen vermischt waren, was bei Userinnen und Usern hinsichtlich der Authentizität von Bildern zu Verunsicherungen führen könnte.

Einer der frühesten Posts, die AFP mithilfe einer umgekehrten Bildsuche ausfindig machen konnte, wurde am 16. September 2025 auf X veröffentlicht. In mehreren Kommentaren unter dem Beitrag schrieb der Accountbetreiber, dass er das Bild selbst mithilfe von KI bearbeitet habe. Eine Anfrage von AFP am 22. September 2025 blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet.

Fälschungen wie diese werden im Internet häufig geteilt. Ähnlich kursierten sie in der Vergangenheit von Grünen-Politikerin Ricarda Lang, nachdem diese bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen 2024 Verluste einstecken musste. Online wurde daraufhin ein Videoausschnitt geteilt, der Lang angeblich mit zitterndem Kinn angesichts der Wahlergebnisse zeigte. AFP-Recherchen ergaben jedoch, dass das Video manipuliert wurde.

Fazit: Von einer Rede des Bundeskanzlers Friedrich Merz Mitte September 2025 kursierte ein Bild, das ihn mit übertriebenem Gesichtsausdruck darstellte. Doch Vergleiche mit dem Original-Auftritt und andere Gesichtsmerkmale von Merz weisen auf eine Bearbeitung mithilfe Künstlicher Intelligenz hin.

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