Nein, dieses Video bezeugt kein leerstehendes Krankenhaus in Brasilien
- Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
- Veröffentlicht am 3. Mai 2021 um 09:58
- Aktualisiert am 3. Mai 2021 um 09:58
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: AFP Mexiko
- Übersetzung: Max BIEDERBECK
Copyright © AFP 2017-2024. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Tausende User haben das Brasilien-Video Ende April auf Facebook geteilt (hier, hier). Hunderttausende sahen es auf Telegram (hier, hier). Darin ist eine Krankenpflegerin zu sehen, die unter rhythmischem Klatschen ihrer filmenden Kollegin einen Vorhang nach dem anderen aufzieht. Jedes Mal verbirgt sich dahinter ein leeres Krankenhausbett. Für viele User der Beweis: Die schwer Corona-Kranken gebe es nicht, die Berichterstattung über die Pandemie sei falsch.
So heißt es in der Videobeschreibung etwa: "Brasilien‼ Ein medizinisches Team in Brasilien beschloss, die Wahrheit zu zeigen, um die gefälschten Nachrichten im Fernsehen zu stoppen, leere Betten der Covid-Einheit (...) Na, wo sind die ganzen Kranken?"
Behauptungen über leere Krankenhäuser in der Pandemie oder angeblich gestellte Filmaufnahmen von Corona-Kranken tauchen immer wieder auf (etwa hier, hier). Auch die klatschenden Krankenpflegerinnen in Brasilien setzen diese Reihe an irreführenden Behauptungen fort. Das Video teilten bereits weit mehr als 320.000 User auf Englisch, Spanisch, Polnisch und Rumänisch.
AFP hat den Ursprungsort des Videos gefunden. Bei Sekunde 15 des geteilten Clips ist auf dem Aufkleber eines Computerbildschirms ein grünes Symbol zu erkennen. Es sieht aus wie das Logo des Krankenhausbetreibers Unimed, der in ganz Brasilien Kliniken betreibt.
Auf AFP-Nachfrage am 26. April bestätigte eine Sprecherin von Unimed, dass die Bilder in einem der medizinischen Zentren des Betreibers aufgenommen wurden – dem Alberto-Urquiza-Wanderley-Krankenhaus in João Pessoa, der Hauptstadt des Bundesstaates Paraíba im Osten des Landes. Nach Angaben des Unternehmens entstand das Video in einer der mehreren Intensivstationen des Krankenhauses während des Dienstes vom 30. bis 31. März 2021.
Die Sprecherin erklärte gegenüber AFP: "Die Verwendung des Videos in einem anderen Kontext, der versucht, die Tatsache selbst zu verzerren, ist parteiisch und unwahr."
Die freien Betten, die im Video zu sehen sind, seien dadurch zu erklären, dass das Alberto-Urquiza-Krankenhaus einem "Notfallplan folgt, der es ermöglicht, Betten auf der Station oder der Intensivstation je nach Patientenbedarf zu erweitern oder zurückzuziehen." Die Kapazitäten in Bezug auf Corona-Patienten des Krankenhauses waren also optimiert worden.
Am selben Tag, an dem die Bilder aufgenommen wurden, wurden 77 Patienten mit Covid-19 auf anderen Intensivstationen des Krankenhauses aufgenommen, erklärte die Unimed-Sprecherin weiter. Am nächsten Tag seien es 75 gewesen. Am 27. April hätten sich 39 Patienten mit Covid-19 in den Betten der Intensivstation im Alberto-Urquiza-Wanderley-Krankenhaus befunden.
93 Prozent der Betten belegt
Nach den Daten, die die zuständige Gesundheitsbehörde des Bundesstaates Paraíba (SES) veröffentlicht, waren in der Hauptstadt zur Zeit des Videos 93 Prozent der Betten der Intensivstationen für Erwachsene belegt, die für Patienten mit Covid-19 vorgesehen sind. Im gesamten Bundesstaat Paraíba waren es 88 Prozent. Am Folgetag fielen diese Zahlen zwar niedriger aus, aber die Auslastung blieb konstant bei 86 bzw. 85 Prozent.
Aktuelle Daten des SES vom 26. April 2021 zeigen eine Verbesserung der Situation: Im Großraum João Pessoa lag die Belegung der Intensivbetten für Erwachsene zu diesem Zeitpunkt bei 55 Prozent. Im Bundesstaat Paraíba lag die Belegung desselben Bettentyps bei 53 Prozent, wie aus den Informationen vom 27. April der Landesregierung hervorgeht.
In Brasilien als Ganzes blieb die Situation jedoch sehr angespannt. Ein von der Gesundheitsstiftung Fiocruz am 23. April 2021 veröffentlichtes Bulletin zeigte, dass die Belegungsraten der Covid-19-spezifischen Intensivbetten für Erwachsene im Einheitlichen Gesundheitssystem (SUS) "im Allgemeinen auf einem sehr hohen Niveau bleiben".
Die Zahl der Covid-19-Todesfälle im Land spiegelt diese Realität wider. Nach nur sechs Tagen war der April mit fast 68.000 Todesfällen bereits der tödlichste Monat der Pandemie im Land. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurde bereits die Zahl der Corona-Todesfälle von März bis Dezember 2020 in Brasilien übertroffen.
Fazit: Das gezeigte Video zeigt zwar eine leere Station, die aber wegen der Kapazitätserweiterung der Klinik zusätzlich zur Verfügung stand. Es gab durchaus zahlreiche Corona-Fälle in der Klinik zu diesem Zeitpunkt. Die Statistiken Brasiliens bestätigen die dramatische Lage des Landes.