
Video von Demonstrierenden gegen von der Leyen: EU-Kommissionspräsidentin saß nicht im Auto
- Veröffentlicht am 4. September 2025 um 14:03
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Rossen BOSSEV, AFP Bulgarien
- Übersetzung und Adaptierung: Johanna LEHN , AFP Deutschland
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"#vonderLeyen wurde in #Bulgarien mit allen Ehren die ihr gebühren empfangen!", hieß es in einem X-Beitrag vom 31. August 2025 zu einem 19 Sekunden langen Video, in dem Demonstrierende versuchen, ein Auto aufzuhalten. Das Video ist ein Ausschnitt aus einer längeren, etwas mehr als drei Minuten langen Aufnahme, die auf Facebook geteilt wurde. Auch auf Telegram und Tiktok wurde der Ausschnitt verbreitet sowie auf anderen Sprachen wie Bulgarisch, Englisch, Niederländisch, Russisch oder Serbisch.
In dem Video umzingeln Demonstrierende einen schwarzen Audi, in dem ein blaues Polizeilicht auf dem Armaturenbrett blinkt. "Ich will sehen, wer in dem Auto sitzt", ist Kostadin Kostadinow, Vorsitzender der bulgarischen rechtsextremen Partei Wasraschdanje (auf Deutsch: "Wiedergeburt"), zu hören, während andere "Sie soll nach Hause gehen!" und "Nazi, Nazi" rufen. Den Posts zufolge gehen die Demonstrierenden davon aus, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in dem Fahrzeug sitzt. Sie tragen bulgarische und russische Flaggen, einige schlagen mit den Flaggen darauf ein. Polizeibeamte umringen das Auto, aus dem der Direktor der Gendarmerie, Nikolaj Nikolow, und weitere Beamte steigen, ehe es weiterfährt.

Hintergrund des Protests gegen den Besuch von der Leyens ist die Spaltung in der bulgarischen Bevölkerung hinsichtlich der Unterstützung für die Ukraine.
Trotz historischer Verbindungen zu Russland unterstützt Bulgarien die Ukraine seit dem russischen Angriff Februar 2022 unter anderem mit militärischer Ausrüstung. Als Erbe des militärisch-industriellen Komplexes des Warschauer Pakts hat Bulgarien die Kapazitäten, Munition für Waffen nach sowjetischem Standard herzustellen, die die ukrainische Armee noch immer verwendet.
Prorussische Stimmen in Bulgarien haben die Militärhilfen jedoch scharf kritisiert, darunter auch rechtsextreme Parteien wie Wasraschdanje. Sie argumentieren, dass diese Lieferungen den Krieg in der Ukraine verlängern und Bulgarien zu einem Feind Russlands machen würden.
Wasraschdanje unterzeichnete im April 2025 eine Kooperationsvereinbarung mit der Partei "Einiges Russland", der der russische Präsident Wladimir Putin angehört, und steht den EU-Institutionen kritisch gegenüber. AFP widerlegte bereits in der Vergangenheit in bulgarischer Sprache Falschinformationen, die die Partei verbreitete.
Flugzeug landete drei Stunden nach Verbreitung des Videos
Von der Leyen begann am 29. August 2025 eine Reise durch sieben Länder, die an Russland oder Belarus grenzen. Am Morgen des 31. August 2025 war sie in Polen und besuchte zusammen mit dem polnischen Premierminister Donald Tusk die Landesgrenze zu Belarus. Danach reiste die EU-Chefin weiter in die bulgarische Stadt Plowdiw.
Die früheste Version des vielfach geteilten Videos, die AFP finden konnte, wurde um 14.02 Uhr bulgarischer Zeit (13.02 Uhr deutscher Zeit) auf Facebook hochgeladen. Um 16.30 Uhr Ortszeit (15.30 Uhr deutscher Zeit) teilte der Parteivorsitzende der Wasraschdanje, Kostadinow, einen Clip, der dieselbe Szene zeigt.
Mithilfe des Suchfilters für Herkunft und Zielflughafen von Flugzeugen, den die Flugverkehrsüberwachungsplattform Flightradar24 verwendet, hat AFP herausgefunden, wann von der Leyens Flugzeug mit der Kennnummer OO-GPE in Bulgarien gelandet ist. In den Tagen zuvor flog dasselbe Flugzeug die Strecken Brüssel–Riga, Riga–Helsinki und Helsinki–Warschau, was mit von der Leyens Reise übereinstimmt.
Laut Flightradar24 landete das Flugzeug OO-GPE um 17.34 Uhr Ortszeit (16.34 deutscher Zeit) in Bulgarien (siehe Screenshot unten). Die Wiedergabe der ADS-B-Daten auf einer Open-Source-Tracking-Plattform bestätigt die Ankunftszeit (hier archiviert).

In einem Video der bulgarischen Regierung ist ein Flugzeug mit derselben Kennnummer (OO-GPE) zu sehen, das auf das Flugfeld des Flughafens Plowdiw rollt und aus dem anschließend die Kommissionspräsidentin steigt.

Das bedeutet, dass von der Leyen erst etwa drei Stunden und 30 Minuten nach der Veröffentlichung des Videos, in dem Demonstranten ein Auto blockieren, in Plowdiw gelandet ist.
Um 17.58 Uhr Ortszeit (16.58 Uhr deutscher Zeit) veröffentlichte der bulgarische Ministerpräsident Rossen Jeliaskow einen Beitrag auf X, um von der Leyen in Bulgarien willkommen zu heißen und teilte Fotos von ihr neben dem Flugzeug OO-GPE. Um 18.22 Uhr bulgarischer Zeit startete auf der Facebook-Seite des ehemaligen Ministerpräsident Bojko Borissow ein Live-Video, in dem er von der Leyen in der VMZ-Fabrik in Sopot begrüßte.
Innenministerium: "Sie war nicht in dem Auto"
Auf AFP-Anfrage bestätigten die bulgarischen Behörden, dass von der Leyen nicht in dem Fahrzeug saß, das am 31. August 2025 von Demonstrierenden umzingelt wurde. "Ich war mit meinen Kollegen in diesem Auto, es ist ein Fahrzeug des Innenministeriums", erklärte Nikolow, Leiter der Generaldirektion Gendarmerie, Spezialeinsätze und Terrorismusbekämpfung des bulgarischen Innenministeriums, am 2. September 2025.
"Das Video zeigt eine Szene, die sich Stunden vor der Ankunft von der Leyens ereignete; sie war nicht in dem Auto", erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums gegenüber AFP am 1. September 2025. Auch ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsdienstes konnte die Behauptung gegenüber AFP am 1. September 2025 nicht bestätigen: "Wir haben keine Informationen darüber, dass sich ein solcher Zwischenfall ereignet hat."
Der Protest an der Fabrik war nicht unterdessen nicht der einzige Vorfall, der während von der Leyens Besuch in Bulgarien Schlagzeilen machte.
Die Chartermaschine Dassault Falcon 900LX mit der Kommissionspräsidentin an Bord kreiste laut einem Sprecher der EU-Kommission vor der Landung über der Region Plowdiw – wahrscheinlich aufgrund von GPS-Störungen. Laut EU-Kommission gingen die bulgarischen Behörden davon aus, dass Moskau für den Vorfall verantwortlich sei. Dennoch war unklar, ob das Flugzeug absichtlich ins Visier genommen worden war, da solche Angriffe in der Region häufig vorkommen. Die bulgarischen Behörden bestätigten die Störungen, leiteten aber keine Ermittlungen ein. Der Kreml wies die Vorwürfe zurück.
AFP Faktencheck widerlegte bereits weitere Falschbehauptungen über Ursula von der Leyen.
Fazit: Die Behauptung, ein Video zeige Demonstrierende in Bulgarien, wie sie ein Auto umzingeln, in dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sitzen würde, ist falsch. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos war von der Leyens Flugzeug noch nicht gelandet, wie öffentliche Daten zeigen. Bulgarische Behörden dementierten die Falschbehauptung ebenfalls.