Altes Video von Tsunami in Grönland wird als aktuelle Aufnahme aus Russland geteilt

Eines der stärksten jemals gemessenen Erdbeben traf am 30. Juli 2025 den dünn besiedelten Fernen Osten Russlands und löste in verschiedenen Ländern rund um den Pazifik Tsunami-Warnungen aus. Ein Video, das angeblich Menschen zeigt, die vor einer gewaltigen Sturmflut aufgrund des Erdbebens vom Strand fliehen, wurde jedoch tatsächlich während eines Tsunamis in Grönland im Jahr 2017 aufgenommen.

Angeblich rennen Angler in Russland vor einer Sturmflut Ende Juli weg – das soll ein Video zeigen. "Sehen Sie, wie diese Jäger während eines Erdbebens laufen", hieß es in einem Telegram-Beitrag vom 30. Juli 2025, der das Video der Angler beinhaltet. Auch auf Facebook wurde es geteilt. Dort hieß es allerdings in der Videobeschreibung, es zeige den Tsunami in Japan. Dieser wurde durch das Erdbeben in Russland ausgelöst. Das Video kursierte außerdem auf Englisch, Griechisch, Hindi, Indonesisch, Japanisch, Portugiesisch, Spanisch und Thailändisch

Am 30. Juli 2025 hat eines der schwersten jemals aufgezeichneten Erdbeben die dünnbesiedelte Ostküste Russlands getroffen und bis zu vier Meter hohe Tsunamiwellen im Pazifikraum ausgelöst. Nach dem Beben der Stärke 8,8 vor der russischen Halbinsel Kamtschatka riefen am Mittwoch die Behörden in zahlreichen Ländern Tsunami-Warnungen aus, neben Russland und Japan auch Länder in Nord- und Südamerika. Das Beben und die Tsunamis blieben aber offenbar weitestgehend ohne schwerwiegende Folgen.

Für einige Teile des Pazifiks wurden Sturmfluten von bis zu vier Metern Höhe vorhergesagt, woraufhin mehr als ein Dutzend Länder – von Japan über die Vereinigten Staaten bis hin zu Ecuador – ihre Bürgerinnen und Bürger aus den Küstenregionen evakuierten. Die Warnungen wurden später aufgehoben und Millionen von Menschen konnten in ihre Häuser zurückkehren. Der einzige Todesfall war laut lokalen Medienberichten eine Frau, die ums Leben kam, als ihr Auto bei der Flucht in Japan von einer Klippe stürzte.

Das online geteilte Video zeigt zwei Menschen, die am Strand ein Boot bereitmachen, als plötzlich mächtige Wellen an Land rollen und alles in ihrer Nähe ins Meer reißen. Dann sieht man, wie beide Personen vor dem herannahenden Wasser fliehen.

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Telegram-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 1. August 2025

Das Video zeigt jedoch keine aktuellen Auswirkungen des Erdbebens, sondern einen Tsunami in Grönland im Jahr 2017. 

Eine umgekehrte Bildsuche mit Standbildern des Videos führte zu einem Youtube-Video (hier archiviert), das am 10. Mai 2021 von dem britischen Medienunternehmen Newsflare veröffentlicht wurde. Die Überschrift des Videos lautet: "Fischer entkommen knapp einem Tsunami in Grönland."

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Vergleich des Screenshots der Behauptung (links) mit dem Youtube-Video von Newsflare aus dem Jahr 2021 (rechts), rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 1. August 2025

Laut der Beschreibung des Videos wurde es am Abend des 17. Juni 2017 aufgenommen, als drei Fischer an der Westküste Grönlands von der unglaublichen Kraft einer Tsunamiwelle überrascht wurden.

AFP berichtete 2017, dass ein Tsunami die Westküste Grönlands getroffen habe, wobei laut Polizeiangaben vier Menschen vermisst worden seien. Die Flutwelle, die vermutlich durch ein Erdbeben der Stärke 4 ausgelöst wurde, riss auch elf Häuser im Dorf Nuugaatsiaq mit sich. 

Ein Sprecher von Newsflare, Tom Symes Brown, erklärte gegenüber AFP: "Dieses Video wurde uns von einem unserer Content-Partner, Licet Studios, zur Verfügung gestellt. Wir können bestätigen, dass es am 17. Juni 2017 aufgenommen wurde."

Das Unternehmen Licet Studios hat das Video am 9. April 2021 ebenfalls auf Youtube veröffentlicht (hier archiviert). Laut Beschreibung des Videos, das in hoher Auflösung hochgeladen wurde, zeigt es einen schockierenden Moment, in dem Fischer von der enormen Kraft eines Tsunamis überrascht wurden, der 2017 die Westküste Grönlands heimgesucht hat. Außerdem habe ein gewaltiger Erdrutsch auf der Halbinsel Ummiaq Nunaat in Grönland im Juni desselben Jahres einen riesigen Tsunami mit einer anfänglichen Wellenhöhe von über 90 Metern ausgelöst, der das Dorf Nuugaatsiaq zerstört habe.

Im März 2020 veröffentlichte Licet Studios auf Youtube ein weiteres Video desselben Tsunamis.

Die Behauptung wurde auch von der Faktencheckorganisation Snopes überprüft. Im Jahr 2023 widerlegte AFP eine weitere Falschbehauptung zu demselben Video in englischer und spanischer Sprache. Der Clip war damals mit der Falschinformation geteilt worden, er zeige Aufnahmen eines Tsunamis in Alaska in jenem Jahr.

AFP widerlegte in englischer Sprache unter anderem ein weiteres Video, das fälschlicherweise im Zusammenhang mit dem jüngsten Erdbeben in Russland verbreitet worden war.

Fazit: Ein Video, das angeblich eine Sturmflut zeigen soll, die vom Erdbeben in Russland Ende Juli 2025 ausgelöst worden sei, ist tatsächlich älter. Es wurde bereits im Jahr 2017 in Grönland aufgenommen.

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