Bill Gates wird in einer Zivilklage genannt, muss jedoch nicht in den Niederlanden vor Gericht erscheinen

In den Niederlanden reichte eine Gruppe von Impfkritikerinnen und -kritikern eine Zivilklage gegen Bill Gates ein. Ein niederländisches Gericht entschied im Oktober 2024, dass es in diesem Fall zuständig sei. Online kursierten daraufhin zahlreiche irreführende Behauptungen, Bill Gates sei "schuldig gesprochen" oder müsse in den Niederlanden vor Gericht. Doch Gates wird weder strafrechtlich verfolgt, noch muss er vor Gericht erscheinen, erklärten Rechtsexperten.

"Nun könnte Bill Gates endgültig Probleme bekommen", heißt es in einem Facebook-Post vom 27. Oktober 2024. "Er wurde in den Niederlanden angeklagt, weil er die Öffentlichkeit über den Covid-Impfstoff belogen hat, und er muss vor Gericht gehen." Dazu teilte der Nutzer ein Video mit dem Ausschnitt einer Wahlkampfrede des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten und von Donald Trump zum Gesundheitsminister nominierten Robert F. Kennedy Jr. 

In weiteren Posts mit ähnlichen Behauptungen wurde ein Artikel der Website "tkp" geteilt. Bei "tkp" handelt es sich um einen Blog, der bereits Falschinformationen verbreitete, mit denen sich AFP in der Vergangenheit beschäftigt hat. Teilweise variieren die online verbreiteten Aussagen leicht: "Bill Gates verurteilt," schrieb etwa ein Facebook-Nutzer am 25. Oktober 2024 und behauptete, Gates sei bereits schuldig gesprochen worden, ein "Projekt namens Covid 19: The Great Reset" durchgeführt zu haben.

Auf X kursierten vielfach ähnliche Posts, beispielsweise mit der Aussage, Gates müsse in den Niederlanden "persönlich vor Gericht antreten". Auch in anderen Sprachen, wie Englisch, Kroatisch und Niederländisch zirkulierten die Behauptungen.

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X- und Facebook-Screenshots der Behauptung: 20. November 2024

Die online geteilten Beiträge implizieren mit Aussagen wie "schuldig gesprochen" und "er muss sich vor Gericht verantworten", dass Gates von den niederländischen Behörden im Rahmen eines Strafverfahrens offiziell eines Verbrechens beschuldigt wurde. Das ist jedoch irreführend: Bill Gates steht nicht unter dem Verdacht einer kriminellen Handlung und muss sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels auch nicht persönlich vor einem Gericht in den Niederlanden verantworten. Er wird von Privatpersonen vor einem Zivilgericht auf Schadensersatz verklagt, erklärten Experten gegenüber AFP.

Kein Strafverfahren, sondern Zivilklage

Eine erweiterte Websuche ergab, dass sich die online kursierenden Posts auf ein existentes Urteil vom 16. Oktober 2024 beziehen. Die niederländische Website "Zebrainspiratie.nl" veröffentlichte das Urteil in englischer Sprache, wobei die Namen der Klägerinnen und Kläger geschwärzt, die verklagten Personen jedoch sichtbar waren. Daraus lässt sich entnehmen, dass Anwälte von Bill Gates eine niederländische Zivilklage gegen ihn mit der Begründung angefochten haben, dass Gates nicht in den Niederlanden lebe. Das Gericht stellte jedoch fest, dass das Zivilgericht zuständig sei und Gates somit Anwaltskosten in Höhe von 1406 Euro für die Beschwerde im Zusammenhang mit der Zuständigkeit übernehmen müsse.

AFP fand dasselbe Urteil (hier archiviert) mit identischer Fallnummer auf der offiziellen Website der niederländischen Justiz, dort jedoch mit geschwärzten Namen aller Beteiligten. Auch in niederländischen Medien, wie "De Telegraaf" und "RTV Noord", wurde darüber berichtet. Aus dem Urteilstext und der medialen Berichterstattung geht allerdings hervor, dass es sich bei der Klage gegen Gates nicht um ein Strafverfahren handelt, sondern um eine Zivilklage, die vor dem Zivilgericht in Leeuwarden im Norden der Niederlande eingereicht wurde.

17 Beklagte, darunter der niederländische Staat

Die Klage selbst wurde von sieben niederländischen Bürgerinnen und Bürger gegen insgesamt 17 Beklagte eingereicht. An erster Stelle der Beklagten steht Everhard Hofstra, ein Beamter des niederländischen öffentlichen Gesundheitswesens. Danach folgen der niederländische Staat, der ehemalige niederländische Premierminister Mark Rutte, der ehemalige Gesundheitsminister Hugo de Jonge, mehrere Regierungsberater aus Pandemiezeiten und schließlich Bill Gates in seiner Funktion als Leiter der Bill and Melinda Gates Foundation. Die Stiftung wird explizit für ihre Öffentlichkeitsarbeit während der Covid-19-Pandemie beschuldigt.

Die Kläger, die von der Zeitung "De Telegraaf" als "eine Gruppe von Corona-Skeptikern" bezeichnet wurden, behaupteten dabei, dass sie von den Beklagten über die Gefahren von Covid-Impfstoffen getäuscht worden seien und dass sie seit einer Covid-19-Impfung unter psychischen und physischen Problemen leiden würden.

In den Niederlanden ist das Zivilrecht vom Verwaltungs- und Strafrecht separiert. Laut der niederländischen Justiz-Website befasst sich das Zivilrecht mit "Konflikten zwischen Menschen, Konflikten zwischen Organisationen und Konflikten zwischen Menschen und Organisationen", wobei das Zivilrecht auch als "Privatrecht" bezeichnet wird.

Ein Sprecher des zuständigen Bezirksgerichts im Norden der Niederlande, der von AFP um eine Stellungnahme gebeten wurde, erklärte in einer E-Mail vom 31. Oktober 2024, dass es sich bei dem Fall um eine private Streitigkeit handele: "Der Fall ist kein Strafverfahren, sondern ein Zivilverfahren, in dem mehrere Kläger gegen eine Reihe von anderen Parteien geklagt haben", so der Sprecher. Während Urteile im Strafrecht auf Bestrafung, Prävention und Rehabilitation des Täters abzielten, ginge es bei Urteilen im Zivilrecht um Schadensersatz, Handlungsverbote, oder die Aufhebung von Verträgen und Vereinbarungen.

Dass die Klage vom Gericht angenommen wurde, bedeute jedoch keineswegs, dass der Fall auch begründet sei, erklärte Zivilrechtsexperte Remme Verkerk, Professor an der Universität Utrecht, in einem Telefongespräch mit AFP am 1. November 2024: "In unserem Rechtssystem gilt die Hauptregel, dass jeder vor Gericht gehen kann und ein Verfahren einleiten darf", führte er aus. Ob der Fall gerechtfertigt sei oder nicht, werde erst im Lauf des Verfahrens festgestellt. Der Fall gegen Gates, der höchstens zu zugesprochenem Schadensersatz für die Kläger führen kann, stehe am 27. November 2024 wieder auf der Tagesordnung des zuständigen Gerichts.

Gates muss nicht in den Niederlanden vor Gericht erscheinen

Die online kursierenden Behauptungen, Gates müsse persönlich vor Gericht erscheinen, treffen laut Verkerk nicht zu: Das online verbreitete Urteil des Zivilgerichts in Leeuwarden besage lediglich, dass ein niederländischer Richter oder eine Richterin diesen Fall verhandeln dürfe. Doch dafür müsse Bill Gates nicht in die Niederlande reisen. "So läuft das in Zivilverfahren nicht. Es kommt kein Polizeiwagen vorbei, um jemanden für die Anhörung abzuholen", erklärte Verkerk gegenüber AFP. In Zivilverfahren könne zwar ein Zeuge gezwungen werden, vor Gericht zu erscheinen, jedoch nicht eine Partei eines Rechtsstreits, was bei Gates der Fall sei.

Auch der Sprecher des zuständigen Bezirksgerichts der Nordniederlande bestätigte gegenüber AFP, dass Gates nicht persönlich zu den Gerichtsverhandlungen in den Niederlanden erscheinen müsse. Er könne sich von seinem Anwalt vertreten lassen.

Klägerinnen und Kläger argumentieren mit Verschwörungserzählung einer geplanten Pandemie

Im Urteilstext des Zivilgerichts in Leeuwarden lassen sich einige Argumente der Klägerinnen und Kläger nachlesen, die bekannte Verschwörungserzählungen bedienen: Darin wird unter anderem behauptet, Gates sei Teil einer weltweiten Gruppe, die die Agenda "Great Reset" vorangetrieben hätte. Diese Agenda habe die globale Krise der Covid-19-Pandemie vorgetäuscht und den Ausnahmezustand ausgenutzt, um unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung weitreichende gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen. In einigen online kursierenden Beiträgen werden diese Behauptungen der Kläger fälschlicherweise als offizielles Gerichtsurteil wiedergegeben. 

Der "Great Reset" ist in den vergangenen Jahren zu einem wiederholten Ziel von Verschwörungserzählungen geworden. "Great Reset" bezieht sich dabei auf eine Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF), die dazu aufruft, die in der Agenda 2030 festgelegten Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. AFP hat bereits mehrfach Falschbehauptungen über diese Initiative, den WEF-Gründer Klaus Schwab oder Mitglieder seiner Familie widerlegt. 

Bill Gates wird häufig zum Ziel von online kursierenden Falschinformationen und Verschwörungserzählungen, die AFP wiederholt untersucht hat. Weitere Faktenchecks zu Covid-19 und Impfungen finden sich auf der AFP-Website. 

Fazit: Online kursierende Behauptungen, Bill Gates müsse vor einem Gericht in den Niederlanden erscheinen oder sei gar schuldig gesprochen worden, sind irreführend. Gates und 16 andere Parteien wurden von einer Gruppe von Menschen aus impfskeptischen Kreisen vor einem Zivilgericht angeklagt, weil sie angeblich irreführende Aussagen über Covid-Impfstoffe verbreitet hätten. Bei der Klage handelt es sich jedoch um ein Zivilverfahren, das höchstens zu zugesprochenem Schadensersatz für die Klägerinnen und Kläger führen kann. Es ist kein Strafprozess und Gates muss laut Fachleuten auch nicht für Anhörungen in den Niederlanden erscheinen.

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