Nein, diese Studie belegt kein Mikroplastik aus Masken in der Lunge

Hunderte User haben seit Ende April einen Artikel auf Facebook geteilt, wonach eine britische Studie gezeigt habe, dass in der Lunge gefundenes Mikroplastik von Gesichtsmasken stamme. In der Studie selbst wird der Ursprung des gefundenen Mikroplastiks aber gar nicht genannt. Die Risiken von Mikroplastik im Körper sind noch nicht umfassend erforscht.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben die Behauptungen zu der Studie auf Facebook geteilt (hier, hier). Auch auf Telegram sahen Hunderttausende entsprechende Nachrichten.

Die Behauptung: In einem Artikel der Website "Report24" heißt es, menschliche Lungen seien von Mikroplastik aus Masken durchsetzt. Dies habe eine Studie gezeigt. Womöglich seien Langzeitfolgen wie Krebs zu befürchten. Weiter heißt es in dem Artikel, Masken seien unsinnig und zum Schutz vor Viren völlig ungeeignet. Auch das in der Lebensmittelindustrie verwendete Plastik sei hochproblematisch. Dazu zeigen die Postings Bilder von Petrischalen voller Abfall.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 09.05.2022

Belegt die Studie Mikroplastik aus Masken?

Grundlage der online geteilten Behauptungen ist eine am 29. März 2022 online gestellte Studie der Hull York Medical School in Großbritannien. Darin wurde in menschlichem Lungengewebe gefundenes Mikroplastik untersucht. Die Proben stammten aus Operationen zur Krebsentfernung oder Lungenvolumenreduktion. In der Zusammenfassung der Studie heißt es, es seien vor allem Fasern von Polypropylen und Polyethylenterephthalat gefunden worden, zwei häufig verwendete Kunststoffe.

Schon auf der Website der Hull York Medical School heißt es zu der Studie: "Es wurden zwölf Arten von Mikroplastik nachgewiesen, die vielseitig verwendet werden und häufig in Verpackungen, Flaschen, Kleidung, Seilen/Zwirnen und vielen Herstellungsprozessen zu finden sind." Ein eindeutiger Ursprung des gefundenen Mikroplastiks wird nicht genannt. Gesichtsmasken werden in der Studie ebenfalls nicht erwähnt.

Eine Sprecherin der Universität erklärte zudem am 9. Mai gegenüber AFP, die Forschenden hätten in ihrer Studie die Verwendung von Gesichtsmasken nicht berücksichtigt. Weiter erklärte sie: "Die Proben wurden vor 2020 gesammelt", also bevor das Tragen von Gesichtsmasken in Großbritannien verbreitet war. Ein Zusammenhang zu Gesichtsmasken ist daher nicht nachvollziehbar.

Kein Beleg für Zusammenhang zwischen Masken und Gesundheitsgefahr

AFP befragte zudem die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu der Studie. Eine Sprecherin erklärte am 3. Mai in einer E-Mail: "Es gibt keine belastbaren Daten, dass das Tragen von Masken zu so stark erhöhten Belastungen führt, dass sie mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind."

Die von der britischen Studie erhobenen Daten würden aufgrund extrem geringer Probenzahl und Auffinden einzelner Partikel keinen Hinweis auf eine gesundheitlich bedeutsame Erhöhung der Belastung geben.

Zum angeblichen Zusammenhang zwischen dem gefundenen Mikroplastik und Krebs schrieb die BAuA-Sprecherin: "Dass man in Lungengewebeproben von Krebspatienten auch einzelne Mikropartikel findet, ist aufgrund der extrem geringen Partikelzahl keinerlei Hinweis, dass diese Partikel den Krebs verursacht haben."

AFP befragte zudem Friedrich Paulsen, Direktor des Instituts für Funktionelle und Klinische Anatomie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er erklärte am 6. Mai: "Dass über Masken Partikel eingeatmet werden ist gut vorstellbar, dass das jetzt aber 'schlimme Auswirkungen' hat, bezweifle ich. Dann müssten alle Ärzte, die auch schon vor der Coronazeit regelmäßig Masken getragen haben, krank sein".

Die Zahl der Proben, die von lediglich 13 Patientinnen und Patienten stammten, sei zudem verschwindend gering, betonte Paulsen. In zwei Fällen wurde zudem gar kein Mikroplastik nachgewiesen. "Bei Lungentumorgewebe ist natürlich auch das den Tumor umgebende Lungengewebe nicht mehr 100 Prozent intakt, sodass hier nicht von einer gesunden Lunge auszugehen ist, das bedeutet, dass auch die Abwehrmechanismen nicht mehr 100 Prozent intakt sind oder die Reinigungsfunktion der Lunge eingeschränkt sein kann," erklärte Paulsen. Ein Zusammenhang zwischen dem Tragen von Masken und Krebserkrankungen sei ihm nicht bekannt.

Masken haben schützende Wirkung

In dem "Report24"-Artikel heißt es weiter, Gesichtsmasken seien zum Schutz vor Viren "ungeeignet". AFP überprüfte ähnliche Behauptungen bereits mehrfach in der Vergangenheit (hier, hier).

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) in Mainz zeigte dazu im Mai 2021, dass in den meisten Alltagssituationen bereits eine einfache OP-Maske das Infektionsrisiko senken kann. N95- und FFP2-Masken seien vor allem in virenreichen Innenräumen erforderlich.

Masken bieten also durchaus einen Schutz vor dem Coronavirus – vor allem aber schützen sie andere Menschen vor dem eigenen Atem, der möglicherweise kontaminiert sein könnte. Im Mai 2020 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) eine Stellungnahme, die genau das belegt.

Auch eine Studie von Forschern der Universität Pennsylvania und der Universität Cambridge kommt zu diesem Ergebnis. Sie weist darauf hin, dass es immer mehr Beweise dafür gebe, dass die "Verwendung von Masken die Übertragung von SARS-CoV-2 verhindert".

Besonders FFP-Masken sind laut BfArM ein effektives Mittel zum Infektionsschutz. Eine FFP2-Maske müsse in Tests mehr als 94 Prozent der Aerosole filtern. Bei FFP3-Masken seien es sogar 99 Prozent. Ein Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weist darauf hin, dass solche Masken wesentlich teurer seien. Die enge Passform könne zudem als unangenehm empfunden werden und Hautprobleme würden ebenfalls häufiger auftreten. Der zusätzliche Nutzen der FFP-Masken außerhalb des Gesundheitswesens wird vom ECDC allerdings als gering beschrieben.

Die Gesellschaft für Aerosolforschung erklärte zudem in einem Positionspapier zum Thema: "Keine Maßnahme kann für sich alleine funktionieren!" Das Tragen von Masken sei deswegen als Teil mehrerer Maßnahmen zu verstehen, die das Infektionsrisiko senken können.

Plastik in der Lebensmittelindustrie bedarf noch Forschung

Zuletzt wird im Artikel von "Report24" erläutert, dass auch das in der Lebensmittelindustrie verwendete Plastik hochproblematisch sei.

Allerdings heißt es seit 2021 auf der Website des deutschen Bundesumweltministeriums (BMUV): "Nach derzeitigem Stand des Wissens gehen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung davon aus, dass von Mikroplastikpartikeln in Lebensmitteln keine gesundheitlichen Risiken für den Menschen ausgehen."

Es werde davon ausgegangen, dass Mikroplastikpartikel zum überwiegenden Teil wieder aus dem Körper ausgeschieden würden. Für eine abschließende Risikobewertung bedarf es laut BMUV aber weiterer Forschung.

Der Lebensmittelverband Deutschland schrieb ebenfalls mit Stand vom 31. Oktober 2018: "Nach gegenwärtigen Erkenntnissen gibt es aber keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Risiken durch Aufnahme von Mikroplastik mit dem Verzehr von Lebensmitteln."

Um das tatsächliche Risiko von Mikroplastik in der Nahrungskette zu bewerten, würden verlässlichere Daten benötigt. Kunststoffe und Kunststoffprodukte seien aber für die "Gewinnung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln" unerlässlich.

Auch das Umweltbundesamt schrieb 2019: "Aufgrund mangelnder Datenlage kann eine zusammenfassende Bewertung der Wirkung von Mikroplastik auf die intestinale Barriere sowie eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung aktuell noch nicht erfolgen."

Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Andreas Hensel, erklärte 2019 über die Website des Instituts: "Grundsätzlich kann Mikroplastik in die Nahrung gelangen". Wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Mikroplastik in Lebensmitteln ein gesundheitliches Risiko darstellt, würden zu dem Zeitpunkt nicht vorliegen.

Auch der TÜV Süd verweist auf die Einschätzung des BfR und erläutert weiter: "Mit weiterer Forschung sollen Wissenslücken zur Partikelgröße, zum Gehalt in Lebensmitteln sowie zur Wirkung auf die menschliche Gesundheit geschlossen werden."

AFP konfrontierte zudem "Report24" mit den Ergebnissen dieses Faktenchecks. Eine Rückmeldung ging bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht ein.

Fazit: Nein, diese Studie zeigt keinen Zusammenhang zwischen in der Lunge gefundenem Mikroplastik und Gesichtsmasken auf. Eine solche Verbindung wird in der Arbeit nicht hergestellt. Die zuständige Universität betonte, die Lungenproben seien vor Beginn der Pandemie gesammelt worden. Ein Beleg für die Gefahr von Mikroplastik im Körper steht nach wie vor aus.

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