A medical worker wearing protective equipment uses a swab to do a PCR test for Covid-19 on a woman wearing a face mask in front of the city hall of Paris on August 31, 2020. (Photo by ALAIN JOCARD / AFP) (AFP / Alain Jocard)

WHO-Empfehlungen zu PCR-Tests werden fehlinterpretiert

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  • Veröffentlicht am 2. Februar 2021 um 16:35
  • Aktualisiert am 2. Februar 2021 um 17:28
  • 5 Minuten Lesezeit
  • Von: AFP France
  • Übersetzung: Eva WACKENREUTHER
Tausende Facebook-User haben seit Ende Januar eine Behauptung geteilt, wonach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugegeben habe, dass PCR-Tests nicht geeignet sind, um eine Infektion zu erkennen. Tatsächlich hat die WHO aber nur Labore an die korrekte Anwendung von PCR-Test erinnert und aufgefordert, sich an Herstelleranweisungen zu halten.

Seit Ende Januar haben Tausende Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer eine von der WHO herausgegebene Empfehlung zu PCR-Tests fehlinterpretiert. "WHO erklärt PCR-Tests für unzuverlässig", heißt es in Postings, oder: "Wär blöd, wenn man ein Jahr falsche Zahlen geliefert hätte?" Hintergrund für diese Aussagen ist eine Notiz der WHO vom 20. Januar, die von corona-kritischen Blogs entsprechend interpretiert wurde (hier, hier).

Viele Postings, darunter beispielsweise eines AfD-Kreisverbandes, stellen außerdem einen zeitlichen Zusammenhang zur Vereidigung Joe Bidens als US-Präsident her. "Na so ein Zufall! (..) Eine Stunde nach der 'Amtseinführung' von Biden verkündete die WHO Erstaunliches: Der weltweit seit rund einem Jahr exzessiv verwendete PCR-Test ist nicht geeignet, eine Infektion zu erkennen", heißt es im Posting des AfD-Kreisverbandes Landkreis Leipzig. Aus der Richtlinie leitet der Kreisverband sogar das Ende der epidemischen Lage ab: Wenn PCR-Tests nicht aussagekräftig seien, dann wäre auch die Grundlage zur Annahme einer Pandemie falsch. Auch FPÖ-Politikerin Susanne Fürst teilte in Österreich auf Facebook den Screenshot eines Tweets, in dem steht: "Die WHO hat am Tag der Amtseinführung von Biden ihre Leitlinien zur Verwendung von PCR-Tests geändert." Mehr als 1600 Menschen haben allein ihr Facebook-Posting seither geteilt.

Weitere tausend Views erreichte die Behauptung auf Telegram (hier, hier).

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Facebook-Screenshot: 01.02.2021

Die Polymerase-Kettenreaktion, oft mit PCR abgekürzt, ist ein häufig verwendetes Testverfahren, um die Anwesenheit von SARS-CoV-2 zu identifizieren, das Covid-19 auslöst. Die Fallzahlen, die sich aus diesen Tests ergeben, finden in vielen Ländern Verwendung, um den Verlauf der Krankheit nachzuverfolgen und um festzustellen, wann Beschränkungsmaßnahmen verschärft oder gelockert werden sollen.

Um das SARS-CoV-2-Genom in einer biologischen Probe nachweisen zu können, vervielfältigt das für den Test verwendete Gerät im Labor das genetische Material in einer festgelegten Anzahl von Durchgängen bei unterschiedlichen Temperaturen: Diese Vervielfältigungen werden als Amplifikationszyklen bezeichnet, sie sind ein wesentlicher Bestandteil des PCR-Tests. Muss man viele solche Wiederholungen vornehmen, um das Virus-Erbgut nachzuweisen, bedeutete das eine niedrigere Viruslast. Reichen nur wenige Wiederholungen, befindet sich eine große Menge Viren im Körper.

Dieser Schwellenwert, ab wie vielen Wiederholungen ein Test positiv ausfällt, heißt "Cycle Threshold" oder abgekürzt CT-Wert. Er ist von angewendetem Gerät zu Gerät unterschiedlich. Das macht es für die Gesundheitsämter unmöglich, sich auf eine allgemeingültige Anzahl von Zyklen festzulegen. Das Robert Koch-Institut verweist beispielsweise auf eine Zahl von 31 bis 34 Zyklen, hält aber auch fest, dass auch in Proben mit einem Schwellenwert von über 35 noch replikationsfähige Viren nachweisbar sind: "Dies verdeutlicht, welch große Varianz sich bei Verwendung des Ct-Wertes aus den verschiedenen Testsystemen ergibt."

Am 20. Januar hat die Weltgesundheitsorganisation nun tatsächlich eine Empfehlung für Labore veröffentlicht, um diese daran zu erinnern, PCR-Testgeräte gemäß den Herstelleranweisungen zu verwenden. Die Notiz "2020/5, Version 2" trägt auf Deutsch übersetzt den Titel "WHO-Informationsblatt für IVD-Anwender 2020/05" und lässt sich hier auf Englisch auf der WHO-Website einsehen. IVD steht für In-Vitro-Diagnostik, also Laboruntersuchungen von Proben aus dem menschlichen Körper, etwa der PCR-Test.

Die Version 1 des Papiers veröffentlichte die WHO schon am 14. Dezember 2020 und sprach darin dasselbe Thema an. "Am 14. Dezember 2020 veröffentlichte die WHO eine Informationsbroschüre, um zu erklären, was passiert war, und empfahl die ordnungsgemäße Verwendung der Gebrauchsanweisung", und dann wurde die Notiz "mit den gleichen Empfehlungen am 20. Januar mit Formulierungsänderungen für mehr Klarheit erneut herausgegeben", schrieb die WHO am 22. Januar an AFP.

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Screenshot von der WHO-Website: 28.01.2021

Was die WHO sagt

Von AFP nach den Gründen der Notiz befragt, antwortete die WHO am 22. Januar, dass der Organisation eine gewissen Anzahl von Problemen mit PCR-Testergebnissen gemeldet worden sei. Deshalb habe man eine Erinnerung veranlasst: "Seit Anfang 2020 hat die WHO 10 Berichte über Probleme im Zusammenhang mit PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 erhalten. (..) Die Berichte betrafen Fehldiagnosen, sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse", schrieb die WHO-Sprecherin.

Angesichts der Anzahl der vorgenommenen Tests ist das eine sehr kleine Zahl. Es ist daher falsch zu sagen, dass die WHO aufgrund des hohen Anteils an falsch positiven Testergebnissen alarmiert sei oder dass sie gesagt habe, dass PCR-Tests die positiven Fälle überschätzt hätten.

"Nach gründlicher Untersuchung bestätigte die WHO, dass die Tests nicht immer angemessen und in Übereinstimmung mit den Anweisungen des Herstellers verwendet wurden", erklärte die WHO-Sprecherin. "Insbesondere stießen die Anwender in den Labors auf Probleme mit diesen Tests, wenn sie nicht den empfohlenen Positivitäts-Schwellenwert anwandten – dies kann entweder zu falsch negativen Ergebnissen führen (wenn der angewendete Schwellenwert niedriger ist) oder zu falsch positiven Ergebnissen (wenn der Schwellenwert höher ist)", hieß es weiter.

Die oben bereits erwähnte 14. Dezember-Version sprach genau solche falsch positiven Testergebnisse an: "Die WHO hat Rückmeldungen von Anwendern über ein erhöhtes Risiko für falsche SARS-CoV-2-Ergebnisse bei der Untersuchung von Proben mit RT-PCR-Reagenzien auf offenen Systemen erhalten." Diese Version erklärt damit, warum ältere englische und französische Beiträge oftmals von falsch positiven Testergebnissen sprechen.

Es ist aber nicht das erste Mal, dass die WHO die Möglichkeit von falsch positiven Testergebnissen bei falscher Anwendung anerkennt. In einem Dokument vom 11. September 2020 mit dem Namen "Diagnostische Tests für SARS-CoV-2" erklärte die Organisation bereits, dass "es auch ein Risiko für falsch positive oder falsch negative SARS-CoV-2-Ergebnisse gibt, wenn die Verfahren nicht mit adäquaten Mitteln oder nicht unter geeigneten Bedingungen durchgeführt werden."

Die WHO weist außerdem lediglich darauf hin, dass das Testergebnis immer im Gesamtbild gesehen werden solle. "Wenn die Ergebnisse des Tests nicht mit dem klinischen Bild übereinstimmen, sollte eine neue Probe entnommen und der Test mit der gleichen oder einer anderen Nukleinsäure-Amplifikationsmethode wiederholt werden", so die WHO in ihrer aktuellen Notiz. Weiterhin warnte die WHO, wie bereits in der Notiz vom 11. September, dass nur gering positive Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind: "Gesundheitsdienstleister sollten daher die Ergebnisse auch unter Berücksichtigung des Entnahmedatums, der Art der Probe, der spezifischen Merkmale des Tests, klinischer Beobachtungen, der Krankengeschichte des Patienten, des bestätigten Status möglicher Kontakte und epidemiologischer Informationen überprüfen."

AFP hat die WHO außerdem am 27. Januar nochmals explizit gefragt, ob die in der Notiz angesprochenen Probleme ihre Haltung zu PCR-Tests verändere. Die WHO schrieb daraufhin: "Wir möchten noch einmal unsere Überzeugung bekräftigen, dass PCR-Tests bei richtiger Anwendung ein sehr zuverlässiges Werkzeug für die COVID-19-Diagnose sind." Die Behauptung, dass die WHO PCR-Tests aufgrund ihrer neuen Notiz als unzuverlässig ansieht, ist damit falsch.

Fazit: Die WHO hat zwar tatsächlich eine Empfehlung veröffentlicht, in der sie Labore aufgrund einer geringen Zahl an falschen Testergebnissen auf die richtige Anwendung von PCR-Tests hinweist. Wenn das Testergebnis nicht mit dem klinischen Bild übereinstimmt, sollte der Test wiederholt werden. Diese Empfehlung, andere Faktoren zu berücksichtigen, ist aber weder gänzlich neu, noch bedeutet sie, dass die WHO PCR-Tests als ungeeignet ansieht, um eine Infektion zu erkennen. Im Gegenteil, sie sieht das Verfahren weiterhin als "höchst zuverlässiges Diagnose-Werkzeug". PCR-Tests sind laut WHO weiterhin geeignet, Coronafälle und damit eine Pandemie festzustellen.

AFP hat in der Vergangenheit andere Behauptungen über PCR-Tests hier oder hier überprüft.

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