Nein, das Paul-Ehrlich-Institut sprach nicht von 223 Corona-Impftoten
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- Veröffentlicht am 2. März 2021 um 12:39
- Aktualisiert am 2. März 2021 um 12:39
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- Von: Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich, AFP Deutschland
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Am 24. Februar postete der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert auf seiner Facebookseite ein Bild. Es zeigt eine Collage mit zahlreichen grauen Särgen, eine große Spritze und den Schriftzug: "Bereits 223 Corona-Impftote in Deutschland!" Quelle dafür: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dazu schrieb Sichert: "Stand 12.2.2021 wurden in Deutschland 223 Todesfälle bei Geimpften gemeldet."
Mehr als 1900 Menschen haben die Behauptung über die PEI-Zahlen seitdem verbreitet, viele auch ohne diese Einordnung (hier, hier, hier).
Den sogenannten Sicherheitsbericht des PEI gibt es tatsächlich. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht das Institut auf seiner Website Berichte, in denen es alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen seit dem Starttermin der Impfungen am 27. Dezember 2020 aufzeichnet. Darunter ist auch der Bericht bis zum 12. Februar 2021, auf den sich das aktuell geteilte Posting bezieht.
Der genannte Bericht nennt auch tatsächlich die Zahl 223. Auf Seite 7 steht: "Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden 223 Todesfälle bei Geimpften im Alter von 46 bis 101 Jahren (125 Frauen, 84 Männer, in 14 Fällen wurde das Geschlecht nicht angegeben) gemeldet." Das bedeutet aber nicht, dass 223 Menschen an der Impfung verstorben sind. Diese Angabe bedeutet nur, dass 223 geimpfte Personen in unterschiedlichem Abstand zur Impfung verstorben sind und eine Meldung darüber ans PEI erfolgte. Das PEI weist im Bericht hin: "Dabei ist jedoch zu beachten, dass unerwünschte Reaktionen im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden."
Insgesamt sind bis zum 12. Februar 3.967.246 Personen geimpft worden, 7690 von ihnen meldeten eine Nebenwirkung. Das bedeutet eine Melderate von 1,9 Fällen pro 1000 Impfdosen, für schwerwiegende Fällen betrug sie 0,3 pro 1000 Impfdosen. Unter schwerwiegenden Impfreaktionen versteht etwa das Gesundheitsamt Berlin solche, bei denen eine stationäre Behandlung notwendig wird. Impfkomplikationen sind Nebenwirkungen, die über das übliche Ausmaß von Impfreaktionen wie leichte Schmerzen an der Einstichstelle hinausgehen. Das PEI erhält Meldungen von Gesundheitsämtern, direkt von Ärztinnen und Ärzten, durch die Arzneimittelkommissionen der Apotheken, Ärztinnen und der Ärzte, über die Datenbank der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und von Geimpften oder ihren Angehörigen direkt über sein Meldeportal.
Das PEI untersuchte die gemeldeten Todesfälle im Bericht genauer. Im Durchschnitt waren die verstorbenen Personen 85 Jahre alt, also älter als die durchschnittliche Lebenserwartung. 52 der geimpften Personen starben an Covid-19, nahezu alle davon hatten noch einen unvollständigen Impfschutz, da die Erkrankung nach der ersten Impfdosis erfolgte. 75 Personen sind an Vorerkrankungen gestorben, die nichts mit Covid-19 zu tun hatten. In 96 Fällen ist die Todesursache unbekannt. In einzelnen Fällen forderte das PEI weitere Informationen zur Untersuchung an.
Im Bericht hält das PEI fest: "Bei der überwiegenden Mehrzahl der anderen Personen bestanden zum Teil multiple Vorerkrankungen, wie z. B. Karzinome, Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen und arteriosklerotische Veränderungen, die vermutlich todesursächlich waren."
AFP hat außerdem dem PEI am 25. Februar das Posting gezeigt. Sprecherin Susanne Stöcker verwies auf den Sicherheitsbericht und bestätigte, dass darin nicht von 223 Impftoten die Rede ist. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle nach Impfungen übersteige nicht die statistisch zu erwartenden Zahlen.
Ein Kommunikations-Handbuch über Corona-Impfungen, entwickelt von zahlreichen Forscherinnen und Forschern verschiedener Universitäten unter der Leitung von Stephan Lewandowsky von der Universität Bristol in Großbritannien, warnt ebenfalls vor falsch zugeordneten Nebenwirkungen und spricht die zu erwartenden Zahlen an zusammenhanglosen Krankheiten an: "Wenn wir beispielsweise 10 Millionen Menschen impfen und der Impfstoff überhaupt gar keine Nebenwirkungen hat, können wir in den kommenden zwei Monaten trotzdem 4025 geimpfte Personen mit Herzinfarkt, 3975 mit Schlaganfall und 9500 mit einer neuen Krebsdiagnose erwarten. 14.000 von ihnen werden leider sterben." Diese Todesfälle hätten aber nicht automatisch etwas mit der Impfung zu tun: "Einige tragische Ereignisse nach einer Impfung passieren, auch wenn der Impfstoff nichts damit zu tun hat."
Fazit: Das auf Facebook geteilte Bild interpretiert die Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts falsch. Im Berichtszeitraum gab es zwar 223 geimpfte Menschen, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung verstorben sind, einen ursächlichen Zusammenhang stellt das PEI aber nicht her. Es ist daher falsch, von 223 Corona-Impftoten zu sprechen, es sind lediglich 223 geimpfte Personen in zeitlichem, nicht aber in einem kausalen Zusammenhang mit der Impfung verstorben.