Dieser Text über Baerbock ist ein Online-Leserkommentar, kein Artikel der "Neuen Zürcher Zeitung"

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben Anfang August einen vermeintlichen Artikel der "Neuen Zürcher Zeitung" auf Facebook geteilt. Der Inhalt stammt jedoch aus einem Leserkommentar online unter einem Newsletterbeitrag der NZZ. Mit einem redaktionellen Artikel hat der Text damit nichts zu tun. Die NZZ bezeichneten den Text auf AFP-Anfrage ebenfalls als externen Inhalt.

Besser könne man die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, gar nicht charakterisieren. Das haben Hunderte Nutzerinnen und Nutzer Anfang August auf Facebook kommentiert. Sie alle teilten dazu einen angeblichen Ausschnitt eines Artikel der "Neuen Zürcher Zeitung" (hier, hier).

Unter dem Logo der Schweizer Tageszeitung ist zu lesen:

"Frau Baerbock ist in ihrem Persönlichkeitstyp das Produkt der westdeutschen Wohlstandsverwahrlosung. Sie lebt mit ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten in einer ‚Blase‘ von Gesinnung, in der es keine realen Probleme wie Armut, Leistungsdruck, Arbeit bis zur Erschöpfung und mehr gibt. Das Geld kommt in der Regel leistungslos vom Staat, der Strom aus der Steckdose und die Milch aus dem Supermarkt." Und weiter: "Frau Baerbock ist das Produkt der ‚spätrömischen Dekadenz‘, wie schon Westerwelle es prognostizierte. Die Bürger in der ehemaligen DDR sind anders sozialisiert und immun gegen diesen Typ von ‚Besserwessie‘. Dies zeigen die mageren Ergebnisse der Grünen dort. Den Westdeutschen fehlt bis auf Ausnahmen dieser Erfahrungshintergrund. Sie sind häufiger blind gegenüber autokratischen Systemen, haben weniger gesunden Menschenverstand und strotzen vor moralischer Überlegenheit. Sie werden ihre Lektion noch lernen..."

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Facebook-Screenshot der Falschbehauptung: 09.08.2021

Falschbehauptungen über Annalena Baerbock gibt es immer wieder, vor allem seit sie Ende April ihre Kandidatur für das Kanzlerinnenamt bekannt gab. So habe die Politikerin etwa ein Verbot von Haustieren zugunsten des Klimas gefordert, habe sich als Jugendliche für die Legalisierung von Sex mit Kindern ausgesprochen, habe bei ihrer Kandidatinnen-Feier gegen Corona-Regeln verstoßen oder eine Abschaffung der Witwenrente gefordert. All diese Aussagen hat AFP widerlegt. Auch dieser vermeintliche Artikel der NZZ über Baerbock gehört in diese Reihe.

Kein redaktioneller Inhalt

Zunächst fällt an den geteilten Postings auf, dass das Layout nicht zur Neuen Zürcher Zeitung passt. Diese verwendet im Fließtext nicht die Schriftart "Arial", sondern "Pensum Pro".

Eine Google-Suche nach dem ersten Satz des angeblichen Artikels führte ebenfalls nicht zur NZZ, sondern lediglich zu Forenbeiträgen vom Juli 2021, in denen User die Passage als Kommentar gepostet hatten, teilweise mit Verweis auf die NZZ (hier, hier, hier). Eine weitere Suche führte außerdem zu einem Faktencheck der dpa, der den Text bereits als einen Leserkommentar zu einem NZZ-Artikel identifiziert hat.

Auch AFP hat ihn gefunden. Im Juni 2020 hinterließ ihn ein Nutzer unter einem NZZ-Newsletter. Chefredakteur Eric Gujer hatte dort am 4. Juni 2021 eine durchaus kritische Bilanz zu Annalena Baerbock gezogen. "Die grüne Kanzlerkandidatin bleibt Antworten schuldig – zu ihrem Charakter und ihren Überzeugungen" titelte die NZZ. Im Text heißt es: "Ob sie von ihrem Wesen und ihrer Persönlichkeit den Fundus mitbringt, den es dazu braucht, den Belastungen der Kanzlerschaft standzuhalten, ist offen." Die aktuell geteilte Passage kommt in diesem Artikel allerdings nicht vor. Allerdings in den Kommentaren darunter, von einem Hartmut Schmidt, der bereits zahlreiche Kommentare auf der Seite der NZZ hinterlassen hat.

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Screenshot des Leserkommentars auf NZZ.ch

Die Kommentarspalte der NZZ hat allerdings nichts mit den Inhalten der Redaktion zu tun. Seta Thakur, Sprecherin der Neuen Zürcher Zeitung, schrieb am 9. August an AFP: "Ich kann Ihnen bestätigen, dass es sich hierbei nicht um einen redaktionellen Inhalt handelt – sondern um einen externen Leserkommentar."

Fazit: Der Text stammt nicht aus einem Artikel der NZZ, sondern ist der Kommentar eines Lesers.

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