
Nein, dieses Moderna-Dokument beweist keine Covid-Impfung im Jahr 2019
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- Veröffentlicht am 25. Juni 2021 um 17:33
- Aktualisiert am 25. Juni 2021 um 20:58
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Julie CHARPENTRAT, AFP Frankreich
- Übersetzung: Max BIEDERBECK
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Hunderte Nutzer haben im Juni einen Blogartikel über die angebliche Enthüllung auf Facebook geteilt (hier, hier, hier). Auf Telegram sahen die Moderna-Behauptung mehr als hunderttausend User (hier, hier). Andere Versionen haben sich auch auf Französisch und Englisch verbreitet. AFP hat diese hier überprüft.
Demnach behandelt eine Übereinkunft zur Übermittlung von Forschungsmaterialien zwischen Moderna und Niaid das Thema "mRNA coronavirus vaccine candidates developed and jointly-owned by Niaid and Moderna" – also "mRNA Impfstoffkandidaten gegen das Coronavirus entwickelt und im Besitz von Niaid und Moderna". Unterzeichnet wurde das Dokument am 12. Dezember 2019, "also vor Ausbruch der "offiziellen Pandemie"", wie der Blogartikel betont. Weiter heißt es in dem Artikel: "Spannend an den aktuellen Unterlagen ist der Zeitpunkt. Die Übermittlung der Forschungsproben von Moderna an das NIAID erfolgte demnach bereits 19 Tage vor dem Auftreten der angeblich neuen Lungenkrankheit in China." Das könne alles Zufall sein, schlussfolgern die Blog-Autoren, müsse es aber nicht.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO informierte erstmals am 31. Dezember 2019 über eine mysteriöse Lungenkrankheit, die sie wenig später auf das damals neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 zurückführte. Am 11. Januar 2020 gab die WHO bekannt, die Genomsequenzierung für das Virus erhalten zu haben. Die WHO-Zeitleiste steht hier online. Aber fand die bisher schlimmste Katastrophe des 21. Jahrhunderts tatsächlich bereits in Dokumenten Erwähnung, die vor dieser Zeit liegen?
Die aktuell geteilten Dokumente zumindest existieren tatsächlich. Sie sind hier unter der Bezeichnung "NIH-Moderna-Confidential-Agreements.pdf" zu finden. Darin erwähnt: Das Unternehmen Moderna, das einen der beiden Boten-RNA-Impfstoffe entwickelt, die derzeit gegen Covid-19 eingesetzt werden, das Institut Niaid, geleitet von Anthony Fauci, der als Berater des Weißen Hauses zu einem der bekanntesten Gesichter der Covid-19-Pandemie in den USA gehört, und die NIH, die National Institutes of Health, zu denen das Niaid gehört.

AFP hat die 153 Seiten gesichtet, die aus mehreren Dokumenten bestehen, einige davon reichen zurück bis zum Jahr 2015. Auf Seite 105 dieses Dokuments ist tatsächlich die von den Postings verbreitete Passage über Coronavirus-Impfstoffe zu finden, und auch das Datum der Unterschrift am 12. Dezember 2019 taucht auf.
Bereits im Juni 2020 hatte das Nachrichtenportal "Axios" in Zusammenhang mit Urheberrechtsfragen über das Dokument berichtet. Auch die US-amerikanische NGO "Public Citizen" hatte die 153 Seiten Dokumente damals detailliert analysiert.
Im "Axios"-Artikel heißt es mit Bezug auf das jetzt verbreitete Dokument schon damals: "Das NIH und Moderna haben Coronaviren wie MERS bereits mehrere Jahre lang untersucht und im vergangenen Dezember einen Vertrag unterzeichnet, der besagt, dass "mRNA-Coronavirus-Impfstoffkandidaten [entwickelt werden] und im gemeinsamen Besitz der beiden Parteien sind. Der Vertrag galt nicht spezifisch für das neue Coronavirus, und er wurde unterzeichnet, bevor das neue Virus sequenziert worden war."
Auch die beteiligten Unterzeichner scheinen diese Aussage zu bestätigen. Das verbreitete Dokument ist auf der nachfolgenden Seite von NIAID, Moderna und der University of North Carolina (UNC) unterzeichnet. Für die Universität steht der Name Ralph Baric unter dem Dokument, dessen Labor an der UNC die Familie der Coronaviren nach eigenen Angaben seit "ungefähr 30 Jahren" untersucht.
Das verbreitete Dokument gibt dabei zu keinem Zeitpunkt eine Auskunft, auf welches Coronavirus sich die Vereinbarung bezieht, noch taucht der Name Sars-CoV-2 irgendwo darin auf.
Die Familie der Coronaviren
Auch wenn man umgangssprachlich von Coronavirus spricht, bei der aktuellen Pandemie handelt es sich um einen ganz bestimmten Vertreter aus der Coronavirus-Familie. Die Familie der menschlichen Coronaviren an sich ist allerdings bereits seit Mitte der 1960er-Jahre bekannt, schreibt das US-amerikanische Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auf seiner Website. Dazu zählen mehrere verschiedene Viren, darunter auch der Erreger der aktuell verbreiteten Krankheit Covid-19. Ihren Namen hat die Familie von den Spike-Proteinen, die einen Kranz, auf Latein Corona, auf der Proteinhülle des Virus bilden.
Zur Familie der humanen Coronaviren (HCoV) zählen die weltweit verbreiteten Viren 229E, NL63, OC43 und HKU1. Infektionen damit sind häufig und führen zu Schnupfen, Bindehaut- und Rachenentzündungen.
Dann gibt es noch drei weitere Virenstämme, die zu schwereren Symptomen führen: Mers-CoV, Sars-CoV und Sars-CoV-2. Das Mers-Coronavirus haben Forschende erstmals im April 2012 nachgewiesen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Website schreibt. Bei der Erkrankung kommt es zu grippeähnlichen Symptomen bis hin zu Lungenentzündungen, auch Durchfall oder Nierenversagen sind möglich. Rund 2400 Menschen waren seit April 2012 weltweit betroffen, schreibt die WHO in ihrem letzten Update im September 2019.
Auf die Frage, ob es sich bei dem in dem aktuell geteilten Dokument erwähnten Coronavirus um ein bestimmtes Coronavirus handle, gab ein Sprecher von Niaid am 23. Juni in einer E-Mail an AFP an, dass es sich um "Kandidaten-Impfstoffe gegen Mers-CoV und nicht um Sars-CoV-2" handelte.
Fazit: Nein, das aktuell geteilte Dokument bezieht sich nicht auf Sars-CoV-2 sondern auf das lange bekannte Mers-Coronavirus. Das bestätigen Medienberichte und Niaid selbst.
25. Juni 2021 Update, 25.06.201 Überschrift und Headerbild konkretisiert