
KI-Bilder von Bären im Yellowstone-Nationalpark kursieren mit falschen Katastrophenwarnungen
- Veröffentlicht am 30. Juli 2025 um 17:03
- 8 Minuten Lesezeit
- Von: Pierre MOUTOT, AFP Frankreich
- Übersetzung und Adaptierung: Katharina ZWINS , AFP Österreich
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"WILDTIEREXODUS IM YELLOWSTONE – WAS PASSIERT WIRKLICH? Tausende Wildtiere fliehen plötzlich aus dem Yellowstone-Nationalpark, und das Internet explodiert vor Fragen. Von panischen Bisonherden bis hin zu Bären, die Autobahnen blockieren – die Natur setzt ein klares Zeichen", hieß es in einem Facebook-Beitrag vom 18. Juli 2025. Dazu teilte der Nutzer ein Bild, das eine Straße in einem bewaldeten Gebiet zeigt, auf der Dutzende Bären liegen. "Wissenschaftler und Überlebensexperten beobachten die Situation aufmerksam, da der Yellowstone auf einem der gefährlichsten Supervulkane der Welt liegt", lautete der Text in Beitrag weiter.
Auch auf Instagram kursierte die Behauptung. Auf Rumänisch kursierte das Bild ebenfalls und auch auf Ungarisch wurde das Bild mit der Aussage geteilt – jedoch spiegelverkehrt und mit einem anderen Bildausschnitt.

Dasselbe Bild sowie andere Bilder und Videos, die Tiere zeigen, verbreiteten sich zudem auf Französisch, wie AFP berichtete. Die falschen und irreführenden Behauptungen folgen alle einer ähnlichen Erzählung: Tiere würden in großer Zahl den Yellowstone-Nationalpark verlassen – einen der bekanntesten Nationalparks der Vereinigten Staaten –, weil eine Naturkatastrophe wie etwa ein Ausbruch des Vulkans in der Region drohe.
Doch auf AFP-Anfrage erklärte der Nationalpark, dass aktuell keine Rede davon sei, dass Tiere massenhaft aus dem Park fliehen würden. Fachleute fügten hinzu, dass die seismische Aktivität in der Gegend kontinuierlich überwacht werde, bisher jedoch nichts Ungewöhnliches festgestellt worden sei. Zudem wurde festgestellt, dass das auf Deutsch und Ungarisch besonders weit verbreitete Bild – aufgrund visueller Widersprüche und der Ergebnisse digitaler Analysen – mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurde.
Bild von Bären ist KI-generiert
Mehrere Nutzerinnen und Nutzer äußerten unter einem ungarischen Facebook-Beitrag Zweifel, ob das Bild echt sei. Eine Analyse des Bildes mit dem Verifizierungswerkzeug InVID-WeVerify, an dessen Entwicklung auch AFP beteiligt ist, ergab, dass die Aufnahme höchstwahrscheinlich mithilfe von KI erstellt wurde.
Wie auch Snopes in einem Faktencheck berichtete, lassen sich mit einer umgekehrten Bildsuche Varianten der Aufnahme bis zurück in den Februar 2025 finden – so wie ein Bild, das von der Facebook-Seite "Bear's Word" ("Die Welt der Bären") geteilt wurde und eine qualitativ hochwertigere Version des auf Deutsch verbreiteten Fotos darstellt. Die Seite veröffentlichte das Bild ursprünglich mit der Beschreibung "wunderschönes, mit künstlicher Intelligenz erzeugtes Bild", wie sich aus den Bearbeitungshistorien des Beitrags ergibt, löschte diese Beschreibung jedoch im März 2025 wieder.

Das Bild ist von besserer Qualität als die Version in den aktuell geteilten Postings und verfügt über zahlreiche, die auf eine Erstellung mithilfe von KI hinweisen. Im Yellowstone-Nationalpark leben Grizzly- und Schwarzbären. Auf der Website des Nationalparks sind auch die typischen Pfotenabdrücke der Bären zu finden (hier archiviert). In dem in sozialen Medien verbreiteten Bild hat einer der Bären jedoch eine glatte, schuhsohlenähnliche Pfote ohne Krallen:

Aber auch weitere Hinweise deuten auf eine Erstellung mithilfe von KI hin: So liegt etwa einer der Bären in der Bildmitte in einer unnatürlich verdrehten Position. Hinter ihm wirken zwei weitere Bären eher wie amorphe, braune Flecken ohne Kopf und Gliedmaßen – kaum wie echte Tiere.

Eine erweiterte Websuche mit verschiedenen Schlüsselwörtern lieferte keinen glaubwürdigen Bericht darüber, dass massenhaft Bären auf den Straßen im und um den Yellowstone-Nationalpark gesichtet wurden oder dass es in einem der betroffenen Bundesstaaten – Wyoming, Idaho oder Montana – wegen Bären zu Straßensperrungen gekommen wäre.
In der rechten oberen Ecke des geteilten Beitrags auf Deutsch ist zudem ein weiteres Bild zu sehen. Darauf sind mehrere Bisons abgebildet, die einen Hügel hinauflaufen. Mittels umgekehrter Bildsuche konnte AFP herausfinden, dass die Aufnahme alt ist. Das Bild wurde bereits im Jahr 2014 von Alamy, einer Bildagentur mit einer Sammlung lizenzfreier und redaktioneller Fotos, auf ihrer Website veröffentlicht. Laut Beschreibung zeigt das Bild zwar tatsächlich den Yellowstone-Nationalpark, ist jedoch über zehn Jahre alt und wurde am 12. Juli 2014 aufgenommen.

Eine Suche nach dem Namen der auf Alamy angegebenen Fotografin führte AFP zudem auf die Fotoplattform Shutterstock, auf der dasselbe Foto im Jahr 2020 publiziert wurde.
Keine Flucht von Tieren und normale seismische Aktivität
Auf AFP-Anfrage hieß es von Seiten des Yellowstone-Nationalparks, dass "die Wildtiere den Yellowstone-Park nicht in großer Zahl verlassen". Die Gerüchte über eine Massenflucht seien "falsch" und würden "auf von künstlicher Intelligenz generierten Bildern basieren".
Das Hochplateau, das den Yellowstone-Nationalpark umgibt und zu den aktivsten geothermischen Zonen des nordamerikanischen Kontinents zählt, ist bekannt für häufige Erdbeben. Doch in den Wochen und Monaten vor der Veröffentlichung dieses Faktenchecks registrierten die seismographischen Stationen der Universität von Utah in Salt Lake City, die die unterirdischen geologischen Aktivitäten in der Region überwachen, keine bedeutenden Erdbeben (hier archiviert).
"Diese Art von Geschichte taucht alle paar Jahre wieder auf. Viele der derzeit kursierenden Videos sind nicht neu und wurden auch nicht im Yellowstone aufgenommen", sagte Jamie Farrell, Professor am Department für Geologie und Geophysik der Universität von Utah, gegenüber AFP. Er schloss aus, dass die auf den vielfach verbreiteten Aufnahmen gezeigten Tiere vor einem Erdbeben fliehen würden.
"Was die seismische Aktivität betrifft", so der Experte weiter, "haben wir in der Region nichts Ungewöhnliches festgestellt – weder in Bezug auf die Anzahl noch auf die Intensität oder die Orte der Beben".
Zur seismischen und vulkanischen Lage in der Yellowstone-Region veröffentlicht der Geologische Dienst der Vereinigten Staaten (United States Geological Survey, USGS) monatliche Berichte auf seiner Website, die auf Analysen der seismischen Stationen der Universität von Utah basieren (hier und hier archiviert). Zwar wurden im Juni 2025 rund sechzig Erdbeben registriert, doch das stärkste erreichte lediglich eine Magnitude von 2,7 auf der Richterskala – ein messbares, an der Oberfläche aber nicht oder nur schwach spürbares Ereignis.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Falschbehauptung verbreitet wird, dass Tiere im Yellowstone-Nationalpark ein ungewöhnliches Verhalten zeigen und dies eine bevorstehende Katastrophe ankündige.
Wiederkehrende Panik um den Yellowstone-Vulkan
Bereits im Jahr 2015 veröffentlichte die Website Snopes einen Artikel, in dem ähnliche Aussagen überprüft wurden. Im Jahr 2014 berichtete auch AFP über den "Supervulkan" von Yellowstone, nachdem ähnliche Spekulationen die Runde machten.
Die fragliche Falschmeldung beruht oft auf der wissenschaftlich unbegründeten Vorstellung, dass einige Tiere Erdbeben bereits lange vor ihrem Eintreten spüren könnten. Wissenschaftliche Studien haben jedoch nie belegt, dass Tiere in der Lage sind, Erdbeben vorherzusagen, wie Sebastian Hainzl, Experte für seismische Bewegungen, AFP für diesen Artikel im Jahr 2023 erklärte.
Eine der wiederkehrenden Behauptungen betrifft die Yellowstone-Kaldera, einen sogenannten Supervulkan unter dem Nationalpark.
Dieser mehrere zehn Kilometer im Durchmesser messende vulkanische Krater ist einer der größten "Supervulkane" der Erde. Die meisten dieser Vulkane sind bereits erloschen. Das gilt jedoch nicht für die Yellowstone-Kaldera, die mehrere besonders intensive Superausbrüche erlebt hat, zuletzt vor etwa 630.000 bis 640.000 Jahren. Der letzte "normale" Ausbruch des Vulkans ereignete sich laut USGS vor ungefähr 70.000 Jahren (hier archiviert).
Das Interesse an dem beeindruckenden geologischen Phänomen, das seit seiner Entdeckung in den 1960er-Jahren besteht, geht oft mit der wiederkehrenden Angst einher, dass es erneut zu einem "Superausbruch" kommen könnte – mit potenziell verheerenden Folgen, etwa dass damit mehrere Milliarden Tonnen Asche in die Luft geschleudert und damit die Menschheit gefährdet würde. Fachleuten zufolge gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass derartiges bald geschehen wird.
"Yellowstone ist heute nicht näher an einem Ausbruch als gestern", fasste David Pyle, Professor für Geowissenschaften an der Universität Oxford, gegenüber AFP zusammen. "Und am wahrscheinlichsten ist, dass es auf der Erde noch Tausende von Jahren keinen weiteren Superausbruch geben wird."
Fazit: Online kursierten Aufnahmen mit der Falschbehauptung, dass Tiere aus Angst vor einer Naturkatastrophe aus dem Yellowstone-Nationalpark fliehen würden. Dazu wurde unter anderem ein Bild von Dutzenden Bären auf einer Straße geteilt. Das Bild ist jedoch KI-generiert. AFP fand zudem keine offiziellen Berichte über ein solches Ereignis. Der Nationalpark sowie Fachleute erklärten außerdem, dass keines der geteilten Bilder tatsächlich Tiere zeige, die aus dem Park fliehen.