Kein Stacheldraht in 2025: Bildvergleich eines Weihnachtsmarkts ist KI-generiert

Seit 2016 und 2024 Anschläge auf Weihnachtsmärkte in Deutschland verübt wurden, sollen Betonpoller und andere Sicherheitsmaßnahmen die Besucherinnen und Besucher schützen. Ein online geteiltes Bild suggeriert nun, in einer Stadt würde der Weihnachtsmarkt von meterhohem Stacheldraht umzäunt und von Polizei und Kameras überwacht, während 2014 noch keine solchen Maßnahmen zu sehen gewesen seien. Das Bild ist jedoch mit Künstlicher Intelligenz generiert, wie visuelle Unstimmigkeiten und Analysetools zeigen.  

Früher ein Riesenrad, ein Kinderkarussell und viel Platz zum Flanieren, heute Stacheldraht, Überwachungskameras und Polizeiautos – so soll sich ein Weihnachtsmarkt angeblich vom Jahr 2014 zu 2025 verändert haben. Dieser Bildvergleich wurde im November 2025 auf X, Facebook, Telegram und Tiktok geteilt. 

Mit dem Wort "Stadtbild" im Sharepic spielen Nutzerinnen und Nutzer auf eine Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im migrationspolitischen Kontext an, Deutschland hätte "im Stadtbild noch dieses Problem" und suggerieren damit, dass im Bild ein Weihnachtsmarkt in Deutschland abgebildet ist. Auch auf anderen Sprachen wie Englisch, Finnisch, Niederländisch, Slowakisch, Tschechisch und Ungarisch wurde das Bild verbreitet.

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X-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 27. November 2025

Am 14. Oktober 2025 äußerte sich Bundeskanzler Merz zu der Tatsache, dass die Zahl der neuen Asylanträge im Zeitraum von August 2024 bis August 2025 stark zurückgegangen sei. Anschließend sagte er den Satz: "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen." Diese Aussage wurde kontrovers aufgefasst: Während die einen Merz Rassismus oder gar Volksverhetzung vorwarfen, stimmten ihm andere zu. Einige Tage später präzisierte er, dass seine "Stadtbild"-Aussage auf Menschen ohne Arbeit und Aufenthaltserlaubnis abgezielt habe, "die sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln halten". 

Diese Aussage wird in dem geteilten Bild mit dem Umstand kombiniert, dass Weihnachtsmärkte in Deutschland inzwischen mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen geschützt werden, da ein Berliner Weihnachtsmarkt 2016 und der Magdeburger Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr Ziel von Anschlägen wurden. Auch in Städten in Frankreich wurden in der jüngeren Vergangenheit Anschläge auf Weihnachtsmärkte verübt, zuletzt in Straßburg im Jahr 2018.

Das online verbreitete Bild ist jedoch mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt worden.

Bild weist visuelle Unstimmigkeiten auf 

In beiden Darstellungen des Weihnachtsmarktes sind Elemente zu erkennen, die darauf hindeuten, dass es sich um keine echten Bilder eines Marktes handelt. Einige Passantinnen und Passanten im oberen Bild haben verzerrte Gesichter, wie Vergrößerungen zeigen: 

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Screenshot der Falschbehauptung, rotes Kreuz und gelbe Hervorhebung von AFP hinzugefügt, Unstimmigkeiten mit dem InVID-Tool vergrößert: 26. November 2025

Auch die Gesichter der Polizistinnen und Polizisten sehen unförmig und unecht aus: 

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Screenshot der Falschbehauptung, rotes Kreuz und gelbe Hervorhebung von AFP hinzugefügt, Unstimmigkeiten mit dem InVID-Tool vergrößert: 26. November 2025

Auch die Aufschriften unter den Dächern der Weihnachtsmarktstände und der "Polizei"-Schriftzug auf einem der Autos sind nicht lesbar und scheinen keine Buchstaben darzustellen: 

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Screenshot der Falschbehauptung, rotes Kreuz und gelbe Hervorhebung von AFP hinzugefügt, Unstimmigkeiten mit dem InVID-Tool vergrößert: 28. November 2025
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Screenshot der Falschbehauptung, rotes Kreuz und gelbe Hervorhebung von AFP hinzugefügt, Unstimmigkeiten mit dem InVID-Tool vergrößert: 28. November 2025

Zudem führt der hohe Stacheldrahtzaun im Bild, das aus dem Jahr 2025 stammen soll, in der Mitte des Bildes quer durch den Weihnachtsmarkt und teilt ihn in zwei Teile, was merkwürdig erscheint.

Ein Weihnachtsmarkt, viele Orte

Daneben stellt sich die Frage, in welcher Stadt der abgebildete Weihnachtsmarkt sein soll. Dazu hat AFP den Bildausschnitt mit der Kirche und der Statue überprüft, da sie die markantesten Elemente sind, die sich außerdem im Gegensatz zu Aussehen und Anordnung von Weihnachtsmarktständen nicht maßgeblich verändern. 

Das Tool Backstory von Google Deepmind, das zusätzliche Infos zu Bildern liefert, verortete das Bild am Roten Rathaus in Berlin. Die einzige Kirche in der Nähe stimmt allerdings nicht mit der abgebildeten Kirche überein, wie ein Vergleich mit Google Street View zeigt.

Googles KI-Assistent Gemini sagte, das Bild zeige die Frauenkirche in München. Der Abgleich mit Aufnahmen der Münchner Kirche auf Google Street View ergibt jedoch, dass sie anders aussieht.

Eine umgekehrte Bildsuche nach dem Ausschnitt des Bildes, auf dem nur die Kirche zu sehen ist, führte zu unterschiedlichen Verortungen. Eines der häufigsten Ergebnisse war die Marienkirche in Lübeck. Direkt vor dieser Kirche befindet sich jedoch kein Platz und sie sieht anders aus als jene im Bild. Von einem nahegelegenen Platz, auf dem ein Weihnachtsmarkt stattfindet, ist sie gemäß Street View zudem nicht einmal zu sehen.

Auch weitere Ergebnisse der Bildsuche stimmten nicht mit der abgebildeten Kirche überein. Die Verortungen in vielen unterschiedlichen Städten können darauf hindeuten, dass es den abgebildeten Ort gar nicht gibt.

Analysetools: Bild ist KI-generiert

AFP untersuchte das Bild zusätzlich mit dem Verifizierungstool InVID WeVerify, an dessen Entwicklung AFP beteiligt ist. Die Analyse ergab mit einer Erkennungsrate von 99 Prozent, dass das Bild mit KI generiert wurde. 

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Screenshot des Analyseergebnisses von InVID WeVerify, das eine hohe Wahrscheinlichkeit zeigt, dass das Bild mit KI erstellt wurde: 28. November 2025

Dass es sich um ein manipuliertes Bild handelt, zeigt auch die Analyse des SynthID Detector-Tools von Google. Das Werkzeug kann feststellen, ob ein mit Google KI erstelltes Bild ein SynthID-Wasserzeichen enthält und somit manipuliert ist. Laut dem SynthID Detector wurde das Bild mit einer "sehr hohen Wahrscheinlichkeit" mit Google KI verändert. 

Der erste Beitrag mit dem Bildvergleich, den AFP finden konnte, wurde am 14. November 2025 auf Tiktok veröffentlicht. Laut Selbstbeschreibung des Accounts, der den Beitrag postete, handelt es sich um einen Satire-Account. In der Beschreibung des Beitrags findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass der Inhalt satirisch gemeint sei. Gleiches gilt für die weiteren Beiträge, die AFP gefunden hat. Auf eine Anfrage von AFP, ob er der Urheber des Bildes sei, ging der Tiktok-Nutzer in einer Antwort am 27. November 2025 inhaltlich nicht ein, widersprach dem aber auch nicht explizit.

AFP hat bereits weitere Falschbehauptungen, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen, überprüft, unter anderem ein weiteres KI-Bild eines Weihnachtsmarktes. 

Fazit: Ein Bildvergleich eines Weihnachtsmarktes, der im Jahr 2025 im Gegensatz zu 2014 mit Stacheldraht umzäunt und stark bewacht sein soll, ist KI-generiert. Das zeigen visuelle Unstimmigkeiten im Bild und Analyseergebnisse von Verifizierungstools für KI-generierte Inhalte. Außerdem gibt es widersprüchliche Hinweise, wo das Bild verortet sein soll, was zusätzlich auf ein künstlich erstelltes Bild hinweist.

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