Kein Abbruch: ARD-Interview zu russischem Rubel nach Tonproblemen regulär fortgesetzt

Während der russische Angriffskrieg in der Ukraine andauert, werden online gezielt Falschinformationen verbreitet. Anfang September 2025 kursierte eine Sequenz aus einem ARD-Interview mit einem Politikwissenschaftler zum russischen Rubel. Das Interview sei wegen "unerwünschter" Aussagen "plötzlich" abgebrochen worden, hieß es fälschlich. Tatsächlich traten in der Sendung zwischenzeitlich Tonprobleme auf. Das Interview wurde jedoch regulär weitergeführt, wie aus der vollständigen Fassung des Beitrags hervorgeht. Der interviewte Politikwissenschaftler konnte seine Ausführungen zur russischen Wirtschaft ungestört fortführen, wie er auch auf Anfrage bestätigte.

In einem rund zweiminütigen Youtube-Video, das am 27. August 2025 hochgeladen wurde, ist ein Interview-Ausschnitt aus einer Fernsehsendung zu sehen (hier archiviert). In roter Schrift ist im Bild eingeblendet: "'Tonprobleme' Damit haben sie nicht gerechnet." In der Beschreibung heißt es: "Experte sagt das Falsche. Moderatorin plötzlich 'Wir haben Tonprobleme...'." Seit der Veröffentlichung des Clips wurde er über 500.000 Mal aufgerufen.

In dem Video interviewt eine Journalistin einen per Videocall zugeschalteten Experten zum Rubel, der Währung der russischen Föderation. Der befragte Politikwissenschaftler Alexander Libman von der Freien Universität Berlin – wie im Bild zu lesen ist – erklärt etwa, dass der im Beitrag zuvor geschilderte "extreme Verfall" des Rubels nur "begrenzte Effekte" auf die russische Wirtschaft habe und von keinem Kollaps die Rede sein könne. Die russische Wirtschaft sei "in diesem Jahr" sogar um drei bis vier Prozent gewachsen. "Das sind keine schlechten Wachstumsraten." Zudem gebe es in Russland Vollbeschäftigung. Danach scheint die Verbindung unterbrochen. In der nächsten Szene erklärt die Moderatorin, dass sie den Experten wieder höre: "Gerade wenn es interessant wurde", antwortet dieser. In der Folge wendet sich die Moderatorin an das Publikum und entschuldigt sich für die Tonprobleme, bevor der Clip abrupt endet.

Eine Userin teilte das Video zudem auf Facebook und schrieb dazu am 3. September 2025: "Da schaltet die #Tagesschau einen 'Rubel-Experten' zu und weil der das komplette Gegenteil von der gewünschten Propaganda erzählt, wird einfach der Stecker gezogen." Die Behauptung zu dem Video kursierte bereits im Dezember 2024 unter anderem auf Facebook. Auch auf Instagram wurde die Aussage mit dem Video geteilt.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 10. September 2025

Die geteilten Behauptungen sind jedoch falsch. Das Video wurde irreführend geschnitten. Zwischenzeitlich traten in der Sendung tatsächlich Tonprobleme auf, das Interview wurde danach jedoch regulär weitergeführt.

Mithilfe einer erweiterten Websuche konnte AFP das Originalvideo finden. Es handelt sich um ein Gespräch aus dem Format "Update Wirtschaft" des ARD-Nachrichtenkanals "tagesschau24", das am 3. Dezember 2024 um 9.00 Uhr ausgestrahlt wurde. Bei dem Format handelt es sich laut Angaben der ARD um eine "Marktübersicht am Morgen". Das Team der ARD-Finanzredaktion moderiert dabei direkt vom Parkett der Börse in Frankfurt am Main, die im Hintergrund auch sichtbar ist.

Vollständige Sendung ist online abrufbar

In der ARD Mediathek kann die betreffende Sendung vom 3. Dezember 2024 in voller Länge abgerufen und angesehen werden (hier archiviert). Diese dauert insgesamt rund 25 Minuten und wurde an jenem Tag von der Redakteurin und Moderatorin der ARD-Börsenredaktion Bettina Seidl moderiert. Ihr Name ist im Bild unten links eingeblendet.

Die Sendung behandelt unterschiedliche Themengebiete. Ab Minute 6:40 geht es um die russische Wirtschaft, der russische Rubel befinde sich "im freien Fall", heißt es in dem Bericht etwa. Inzwischen müsse man fast 112 Rubel für einen Euro bezahlen, wird weiter ausgeführt. Dann beginnt jene Szene mit dem Experten-Interview, die auch in den online geteilten Videos zu sehen ist. Rund eineinhalb Minuten später treten tatsächlich Verbindungsprobleme auf, die von der Moderatorin kommentiert werden. Doch ungefähr 30 Sekunden später geht das Interview regulär weiter. "Gerade wenn es interessant wurde", kommentiert Alexander Libman die Unterbrechung – eine Szene, die auch in dem online geteilten Clip zu sehen ist. Daraufhin führt er seine Einschätzungen weiter aus.

Er erklärt unter anderem, dass russische Unternehmen unter Arbeitskräftemangel leiden würden. Laut dem Fachmann ist die Inflation in Russland zudem hoch und ein Rückgang nicht zu erwarten. Das Wirtschaftswachstum in Russland sei außerdem nicht stabil. Allerdings betont Libman sowohl vor als auch nach der kurzen Unterbrechung: "Im Kern bleibt die russische Wirtschaft stabil, also von Kollaps können wir nicht reden." Mit diesem Satz endet das Interview bei Minute 14:45 schließlich und die beiden Gesprächspartner verabschieden sich.

Das Interview wurde demnach nicht "plötzlich" wegen "unerwünschter" Aussagen abgebrochen, wie es online fälschlich hieß. Der interviewte Experte Alexander Libman ist Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der Freien Universität Berlin. Auf AFP-Anfrage schrieb er am 9. September 2025: "Ich bestätige, dass das Interview nach der Unterbrechung fortgesetzt wurde, sodass ich meine These bis zum Ende präsentieren konnte und weitere Fragen beantworten konnte." Eine AFP-Anfrage an die ARD blieb bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet.

Wirtschaftliche Situation in Russland bleibt angespannt

Seit dem 24. Februar 2022 dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine an. Russland kontrolliert derzeit rund ein Fünftel des ukrainischen Territoriums, einschließlich der Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektiert hatte. Der Krieg hat zehntausenden Menschen das Leben gekostet, Millionen Menschen zur Flucht gezwungen und Städte und Dörfer vor allem im Osten und Süden der Ukraine verwüstet.

Aktuell steht der Wechselkurs bei ungefähr 99 Rubel pro Euro, womit der Rubel gegenüber dem Euro wieder leicht an Wert gewonnen hat – im Vergleich zum Zeitpunkt um den 3. Dezember 2024, als die ARD-Sendung zu diesem Thema ausgestrahlt wurde. Damals lag der Wechselkurs bei über 110 Rubel pro Euro. Aktuelle Berichte zur russischen Wirtschaft verdeutlichen jedoch die anhaltenden Herausforderungen und die zunehmende Besorgnis über die wirtschaftliche Lage des Landes.

Laut jüngsten Medienberichten hat die russische Regierung aufgrund des anhaltenden Kriegs gegen die Ukraine auf Kriegswirtschaft umgestellt. Während Rüstungsbetriebe hohe Löhne bieten, verlieren andere Branchen Personal. Gleichzeitig fehlen Arbeitskräfte durch Einberufungen und Auswanderung, was die Inflation verstärkt. Zur Eindämmung der Teuerung wurden die Zinsen erhöht, was wiederum Investitionen bremst. Zudem wirken sich westliche Sanktionen auf die russische Wirtschaft aus.

Alle Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP auf der Website.

Fazit: Online verbreitete sich ein Ausschnitt aus einem ARD-Interview mit einem Politikwissenschaftler über den russischen Rubel. Es hieß fälschlich, das Gespräch sei wegen "unerwünschter" Aussagen abrupt abgebrochen worden. Tatsächlich kam es lediglich kurzzeitig zu Tonproblemen, das Interview wurde anschließend regulär fortgesetzt. Das geht aus der Langfassung des Interviews hervor und wurde von dem Experten bestätigt.

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