Baerbock in China: Video stammt von früherer Pressekonferenz im Jahr 2023
- Veröffentlicht am 10. Dezember 2024 um 14:54
- Aktualisiert am 16. Dezember 2024 um 09:54
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Johanna LEHN, AFP Deutschland
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Bei ihrem Besuch in Peking Anfang Dezember 2024 hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) China zu Konstruktivität bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs gemahnt. Kurz nach ihrer Reise kursierte ein Video in sozialen Medien mit der Behauptung, sie sei von ihrem chinesischen Amtskollegen "eiskalt abserviert" und vor die Tür gesetzt worden. Das hieß es beispielsweise in einem Tiktok-Video vom 4. Dezember 2024. "Sogar die gemeinsame Pressekonferenz wurde von den Chinesen abgesagt", wurde behauptet. Ähnliche Beiträge wurden auf Facebook, X, Telegram sowie beispielsweise auf Ungarisch verbreitet.
Auch der AfD-Ortsverband Mayen-Koblenz teilte das Video auf seinem Facebook-Profil. Ein Journalist der Russland-nahen Website "Nachdenkseiten" erwähnte das Video in einer Frage während der Regierungspressekonferenz am 4. Dezember 2024 ebenfalls.
In dem geteilten Video deutet ein Mann auf die Tür und geht gemeinsam mit Baerbock aus dem Raum, während er nochmals mit einem Finger nach draußen zeigt. Eingeblendet werden die Worte "Dort ist die Tür". Zusätzlich ist das Datum des 2. Dezember 2024 eingeblendet. An diesem Tag war Baerbock zwar tatsächlich in Peking. Das Video stammt jedoch anders als behauptet nicht von dieser Reise, sondern von einem früheren Besuch Baerbocks in Peking.
Eine Stichwortsuche führte unter anderem zu einem Video des Rundfunksenders Deutsche Welle sowie einem Post eines X-Accounts namens K!News, die jeweils vom 14. April 2023 stammen (hier und hier archiviert). Im Video der Deutschen Welle sind ab Minute 2:57 die Szenen zu sehen, die in sozialen Medien fälschlich als Rauswurf bezeichnet werden. Darin wird ersichtlich, dass der ehemalige chinesische Außenminister Qin Gang Baerbock aus dem Raum bittet und sie gemeinsam den Saal verlassen.
Beim Vergleich mit dem Video auf dem X-Account von K!News fallen zudem die Logos der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und K!News auf, die auch in der online geteilten Version zu erkennen sind:
Einige der Videos nutzen zudem Ausschnitte aus einem ZDF-Beitrag, wie am entsprechenden Logo erkennbar ist. In anderen ist das Logo von AP nicht zu sehen. Die Aufnahmen zeigen jedoch allesamt dieselben Szenen der Pressekonferenz.
Der Ton während dieser Pressekonferenz am 14. April 2023 war zwar laut Medienberichten kühl, aber höflich. Angesichts Chinas Verhaltens gegenüber Taiwan und der Rolle der Chinesen im Ukraine-Krieg vertraten Baerbock und ihr damaliger Amtskollege Qin unterschiedliche Positionen.
Von Baerbocks Besuch in Peking am 2. Dezember 2024 gibt es ebenfalls Aufnahmen. Der Vergleich mit einem Bild der vorherigen Reise zeigt: Baerbock trug nun etwas längere Haare und andere Kleidung als vor über einem Jahr – vor allem aber ist seit Juli 2023 Wang Yi anstelle von Qin Gang chinesischer Außenminister:
Im Gegensatz zu ihrer Reise im April 2023 war bei ihrem jüngsten Besuch keine gemeinsame Pressekonferenz geplant. Die deutsche Außenministerin trat am 2. Dezember 2024 allein vor die Presse (hier archiviert). Auf Nachfrage eines Journalisten erklärte Sebastian Fischer, Sprecher des Auswärtigen Amtes, auf der Regierungspressekonferenz am 4. Dezember 2024, es habe "schon vor Beginn der Reise" festgestanden, "dass es keine Pressekonferenz gibt und dass die Ministerin die Dinge, die sie zu sagen hat, sozusagen in einer eigenen Pressekonferenz ohne ihren chinesischen Amtskollegen äußern wird." Die Behauptung im kursierenden Video bezeichnete er als "Fehlinformation".
Die Differenzen zwischen Deutschland und China bestanden bei Baerbocks jüngstem Besuch fort, der Austausch war jedoch laut Medienberichten freundlich. Eine Stichwortsuche nach Meldungen über einen wie in den Beiträgen geschilderten Eklat lieferte keine Ergebnisse.
Über Baerbocks Antrittsbesuch in Peking im April 2023 wurde bereits in der Vergangenheit eine Falschinformation verbreitet und behauptet, ihr chinesischer Amtskollege habe ihr den Handschlag verwehrt. AFP widerlegte diese Falschbehauptung. Zudem wurde die deutsche Botschafterin von der chinesischen Regierung einbestellt, nachdem Baerbock Staatschef Xi Jinping im September 2023 als Diktator bezeichnet hatte. In diesem Zusammenhang wurde die Falschbehauptung verbreitet, Xi hätte sich in einer Rede direkt an Baerbock gewandt. Auch das widerlegte AFP.
Fazit: Das im Dezember 2024 geteilte Video zeigt Ausschnitte der Pressekonferenz von Annalena Baerbock und dem damaligen chinesischen Außenminister Qin Gang im April 2023. Dabei ist kein Rauswurf zu sehen, sondern das Ende des Pressestatements. Nach ihrem jüngsten Besuch im Dezember 2024 war keine gemeinsame Pressekonferenz anberaumt.
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