Doch, CO2 hat einen wesentlichen Einfluss auf das Klima

Es besteht seit langem wissenschaftlicher Konsens darüber, dass CO2 einen Einfluss auf das Klima hat. In sozialen Medien kursieren allerdings Videos, die behaupten, dass die von Menschen verursachten Treibhausgase – insbesondere das aus der Verbrennung fossiler Energien stammende Kohlendioxid – nicht wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich seien. Laut Fachleuten spielt CO2 jedoch eine entscheidende Rolle als Treiber des Klimas.

"CO2 war nie ein Klimatreiber", heißt es in einem Facebook-Posting vom 22. September 2023. Userinnen und User teilen ein rund einminütiges Video. Darin erklären mehrere Personen, CO2 hätte keinen wesentlichen Einfluss auf das Klima. Es wird behauptet, nicht eine der großen Klimaveränderungen der letzten 1000 Jahre könnte durch den Ausstoß von Kohlendioxid erklärt werden. Zudem wird der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel angezweifelt.

Der Clip wurde auf Facebook insgesamt über 4000 Mal geteilt und mehr als 70.000 Mal angesehen. Auch auf Tiktok wird der Beitrag verbreitet.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 25. September 2023

Userinnen und User stellen immer wieder die Existenz des menschengemachten Klimawandels infrage. Sie sehen die Ursache der Erderwärmung beispielsweise in natürlichen Zyklen des Magnetfeldes, Sonnenzyklen oder sehen in Temperaturveränderungen natürliche Wetterereignisse. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Ausschnitte aus vielfach kritisierter britischer Doku

Eine Rückwärtssuche nach Ausschnitten aus dem Video zeigt, dass es sich um Auszüge aus der wegen Fehlern heftig kritisierten (etwa hier und hier) britischen Dokumentation "The Great Global Warming Swindle" aus dem Jahr 2007 handelt. Kernaussage des Filmes des Senders Channel 4 ist, dass der menschengemachte Klimawandel "Betrug" sei. 2007 hatte der Privatsender RTL eine bearbeitete Fassung der Doku innerhalb seines Formats "RTL Extra" gezeigt. "Der Klima-Schwindel" betitelte RTL den Beitrag. Die darin gebrachten Argumente halten einer Überprüfung jedoch nicht stand. AFP hat bereits zahlreiche Falschaussagen in dem Video widerlegt.

Alle in dem geteilten Video auftretenden Personen sind dem menschengemachten Klimawandel gegenüber weitgehend skeptisch eingestellt. Einige von ihnen haben enge Verbindungen zu Interessenvertretungen (hier, hier), während andere Verbindungen zu Organisationen haben, die den Klimawandel skeptisch sehen (hier, hier). Einige der Experten haben Hintergründe in der Klimaforschung, während andere in den Bereichen Wirtschaft und Journalismus tätig sind.

In dem aktuell geteilten Ausschnitt kommt unter anderem Nir Shahiv zu Wort. Er forscht am Racah-Institut für Physik in Jerusalem. Der Physiker bezeichnete sich in der Vergangenheit selbst als "Klimaskeptiker". Auf Einladung der deutschen AfD sprach er 2018 im Deutschen Bundestag über seine Einschätzungen zum Klima. Der Großteil der Erderwärmung sei nicht menschengemacht, natürliche Effekte seien hingegen entscheidend, meinte er.

Auch John Christy spricht in dem verbreiteten Clip. Der Experte für Atmosphärenwissenschaft und Landesklimatologe Alabamas behauptete etwa, dass Klimamodelle die Reaktion von Temperaturen auf Treibhausgase überschätzen. Eine drohende Klimakatastrophe sehe er nicht, genauso wenig wie harte Beweise für menschengemachte Erderwärmung, schrieb er 2007 im Wall Street Journal. Ähnliches wiederholte er in aktuelleren Interviews wie etwa hier.

Schließlich spricht auch Klimaforscher Piers Corbyn. Der studierte Astrophysiker betreibt ein Unternehmen für Wettervorhersagen und vertritt zahlreiche Verschwörungserzählungen rund um Covid-19. Piers Corbyn basiert seine Wettervorhersagen primär auf Sonnenaktivitäten. Er behauptete etwa, dass die Sonne für die Veränderung des Klimas verantwortlich sei, nicht CO2. Im aktuell verbreiteten Clip führt er ebenfalls ins Treffen: CO2 sei für die Erderwärmung angeblich nicht wesentlich verantwortlich. AFP hat ähnliche Behauptungen bereits widerlegt.

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Blick auf rissige Erde im Gebiet der Bahia (Bucht) Cohana des Titicacasees, den sich Bolivien und Peru teilen, im bolivianischen Altiplano am 22. September 2023. Der Wasserstand des Titicacasees ist aufgrund des Klimawandels und einer schweren Dürre auf einem historischen Tiefstand ( AFP / AIZAR RALDES)

CO2-Emissionen sind wesentlich für Klimawandel verantwortlich

Forscherinnen und Forscher sind sich allerdings einig: Kohlendioxid stellt ein bedeutendes Treibhausgas dar und spielt eine entscheidende Rolle als Treiber des Klimawandels. Ein Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre wirke sich eindeutig auf die Temperatur der Erde aus, erklärte etwa Douglas Maraun, Leiter der Forschungsgruppe Regionales Klima am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. Er schrieb AFP am 25. September 2023: "Die aktuelle globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte wird im wesentlichen durch Treibhausgasemissionen verursacht, davon vor allem durch CO2. Das ist eine gesicherte Tatsache und keine Theorie mehr."

In der Vergangenheit habe es zwar Zeiten gegeben, in denen CO2 kein Klimatreiber war. Der Fachmann führte etwa die Eiszeitzyklen der letzten Million Jahre an: "Da waren Änderungen der Sonneneinstrahlung auf der Erde durch die sogenannten Milanković-Zyklen (langfristige Schwankungen in der weltweiten Verteilung der einfallenden Sonneneinstrahlung auf der Erde, Anm. d. Red.) der Treiber." CO2 sei da nur Teil einer Rückkopplungsschleife gewesen und habe die Erwärmung beziehungsweise Abkühlung noch verstärkt. Der Fachmann betonte jedoch: "Natürlich lässt sich die stärkste Klimaerwärmung der letzten 1000 Jahre durch CO2 erklären, nämlich die Erwärmung der letzten 150 Jahre, insbesondere seit den 1970er-Jahren." Auch Behauptungen, wonach Milanković-Zyklen die derzeitige Erderwärmung erklären könnten, hat AFP bereits widerlegt.

Stefan Brönnimann vom Geographischen Institut der Universität Bern schrieb AFP dazu am 26. September 2023: "Seit über 100 Jahren sind Treibhausgase (allen voran CO2) ein wesentlicher Einfluss auf das globale Klima, seit 60 Jahren sind sie der klar wichtigste Einfluss. Vorher waren die menschgemachten CO2-Emissionen gering und die CO2-Konzentration (zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit) relativ konstant." Aiko Voigt, Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, erklärte gegenüber AFP am 26. September 2023 ebenfalls: "Die heutige Erwärmung der Erde gegenüber dem präindustriellen Klima um rund ein Grad ist vollständig auf den Menschen zurückzuführen. CO2 spielt dabei die Hauptrolle, CH4 (Methan, Anm. d. Red.) trägt auch bei." Die heute stattfindende globale Erwärmung sei somit eindeutig eine Folge der von Menschen verursachten CO2 Emissionen.

In einer Nachricht an AFP am 26. September 2023 verwies das österreichische Umweltbundesamt auf aktuelle Ausführungen des Weltklimarats (hier archiviert) diesbezüglich. "Die wichtigsten vom Menschen verursachten Faktoren des Klimawandels sind der Anstieg der atmosphärischen Konzentrationen von Treibhausgasen und Aerosolen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Landnutzung und andere Quellen", heißt es etwa vom Weltklimarat (hier archiviert). Und eindeutig: "Mehrere Beweisketten zeigen, dass der Mensch die Hauptursache für die jüngsten Klimaveränderungen ist." Das hat teils dramatische Auswirkungen auf den Planeten.

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Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Umwelt ( AFP / Gal ROMA, Sophie RAMIS)

Vergangene Phasen mit höherer CO2-Konzentration und höheren Temperaturen

Aktuell beträgt der Anteil an CO2 in der Atmosphäre rund 419 ppm (Teile pro Million, Anm. d. Red.). In der Erdgeschichte gab es allerdings auch Phasen mit deutlich höherer CO2-Konzentration. Das spiegelte sich jedoch auch in den Temperaturen wider, wie etwa Brönnimann analysierte: "Vor dem Beginn des Eiszeitalters vor circa drei Millionen Jahren waren die CO2-Konzentrationen und auch die Temperatur meistens höher als heute."

Allerdings besteht ein entscheidender Unterschied, wie auch der Weltklimarat in seinem Bericht 2021 (hier archiviert) anführt: "Mehrere Beweise zeigen, dass die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den Jahren zwischen 1900 und 2019 mindestens zehn Mal schneller ist als zu jedem anderen Zeit während der letzten 800.000 Jahre." Zudem sei die aktuelle Erwärmung seit mehr als 2000 Jahren beispiellos (hier archiviert).

Die globale Oberflächentemperatur ist laut Weltklimarat seit 1970 außerdem schneller gestiegen (hier archiviert) als in jedem anderen 50-Jahres-Zeitraum der letzten 2000 Jahre.

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Copernicus-Programm verzeichnet weltweiten Hitzerekord in erster Junihälfte: Temperaturabweichungen seit 1940 ( AFP / Julia Han JANICKI, Jan MROZINSKI, Thorsten EBERDING)

Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung bei der österreichischen Bundesanstalt Geosphere Austria, verwies in einer Nachricht an AFP am 26. September 2023 auf eine wissenschaftliche Erklärung zu Treibhausgasen, die auf der Website von Geosphere Austria veröffentlicht wurde (hier archiviert). Darin heißt es unter anderem: "Dass der CO2-Gehalt und die Temperatur so verblüffend im gleichen Takt schwingen, zeigt die Klimawirksamkeit des Treibhauseffekts ganz deutlich."

In den vergangenen 500.000 Jahren durchlief die Erde langanhaltende Eiszeiten, die periodisch von kurzen Warmzeiten unterbrochen wurden. Die Veränderungen in der Konzentration von CO2 in der Atmosphäre stimmen eng mit diesem Zyklus überein. Der CO2-Gehalt erhöht sich um etwa 80 bis 100 ppm, während die arktischen Temperaturen um etwa zehn Grad Celsius steigen, wie das Projekt "Klimafakten" der European Climate Foundation, eine Stiftung, die Treibhausgase reduzieren will, erklärt. Eine genauere Analyse zeige jedoch, dass der Anstieg des CO2-Gehalts rund 1000 Jahre nach dem Temperaturanstieg erfolgt wie aus Studien (etwa hier und hier) hervorgeht.

Diese Verzögerung widerlege laut Fachleuten allerdings nicht den Einfluss von CO2 auf die Erderwärmung und basiere unter anderem auf natürlichen Rückkopplungseffekten des Kohlenstoffzyklus. Der Kreislauf ist der Weg des Kohlenstoffs durch das Erdsystem und umfasst verschiedene Phasen, die den Kohlenstoff durch Land, Wasser, Luft und Biosphäre führen. Teile des Erdsystems, wie beispielsweise das Festland und der Ozean, fungieren als Speicher, in denen Kohlenstoff für eine gewisse Zeit gespeichert wird, bevor er wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird. Einige dieser Prozesse verlaufen äußerst langsam.

Maraun erklärte gegenüber AFP ebenfalls: "Vor 60 Millionen Jahren war der CO2 Gehalt der Atmosphäre um einen Faktor drei bis fünf höher als heute. Aber damals war es auch circa zehn Grad wärmer auf der Erde, es gab keine Eischilde, kein Meereis oder Gletscher und es herrschte auch auf Spitzbergen (zu Norwegen gehörende Inselgruppe, Anm. d. Red.) ein warmes Klima."

Die Ursache für die Abnahme der CO2-Konzentration über die letzten 60 Millionen Jahre bis zum Holozän sei im Übrigen die Plattentektonik, so Maraun weiter: "Zum Beispiel wurde durch die Kollision Indiens mit Asien der Himalaya aufgebaut. Durch die Niederschläge im Gebirge wurde die chemische Verwitterung stärker, die über Jahrmillionen der Atmosphäre das CO2 entzogen hat. Hier war CO2 also wieder der Klimatreiber."

Anders als in dem aktuell geteilten Clip behauptet, ist der Einfluss von CO2 demnach auch an den Temperaturrekonstruktionen sichtbar. Experte Voigt führte zur Veranschaulichung schließlich eine extreme Erwärmungsphase der Erde, das sogenannte Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM) vor etwa 56 Millionen Jahren, ins Treffen. In weniger als 10.000 Jahren stieg die globale Temperatur um rund sechs Grad. "Hier betrug der CO2-Gehalt bis zu 2000 ppm, die Temperatur war etwa 15 Grad C höher als heute." Die genauen Ursachen hierfür sind noch nicht eindeutig geklärt. Vielfach wird dieses Temperaturmaximum auf starken Vulkanismus zurückgeführt (etwa hier und hier).

Fazit: Es ist wissenschaftlicher Fakt, dass CO2 das Klima beeinflusst. Online wirdjedoch fälschlich behauptet, dass die von Menschen verursachten Treibhausgase – insbesondere Kohlendioxid – nicht wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich seien. Das ist falsch. Laut Fachleuten spielt CO2 eine entscheidende Rolle als Treiber des Klimas, denn mit steigender CO2-Konzentration erhöhen sich auch die globalen Temperaturen. Menschliche Aktivitäten stellen die Hauptursache der laufenden globalen Erwärmung dar.

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