
Der Klimawandel wird hauptsächlich durch Treibhausgase verursacht, nicht durch Sonnenzyklen
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- Veröffentlicht am 22. Juni 2022 um 15:03
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Feliks TODTMANN, AFP Deutschland
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Seit Anfang Mai kursiert auf Facebook ein Beitrag (hier, hier), der Falschbehauptungen im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel verbreitet. Das Posting wurde hundertfach geteilt. Ähnliche Beiträge kursierten zudem auf Telegram und in Form eines Artikel auf dem Portal "Deutschland Kurier".
Die Behauptungen: In dem Posting heißt es: "Das Erdklima folgt den Sonnenzyklen, und die Erwärmung der letzten 150 Jahre ist weitgehend natürlichen Ursprungs. Für die nächsten 70 Jahre ist mit einer Abkühlung zu rechnen!" Am Ende des Texts findet sich ein Link zu einem Artikel, der im März 2022 unter dem Titel "Drei Sonnenzyklen bestimmen das Erdklima" im Magazin "Fusion" erschien, in dem auch früher schon der menschengemachte Klimawandel infrage gestellt wurde.
Darin behaupten die Autoren, dass sich das Klima auf der Erde regelmäßig aufgrund des Einflusses natürlicher Sonnenzyklen wandele. Die Aktivität der Sonne verändere sich demnach in drei wiederkehrenden Zyklen von 190, 460 und 1000 Jahren. Fallen die Höhepunkte mehrerer dieser Zyklen zusammen, steige die Temperatur auf der Erde besonders stark an, behaupten die Autoren. Der Artikel endet mit der Aussage: "Wir merken an, daß unser Ergebnis die Behauptungen über einen gefährlichen Klimaeinfluß von CO2 definitiv widerlegt."

Der menschengemachte Klimawandel ist immer wieder Gegenstand von Falschmeldungen und Desinformation in sozialen Netzwerken. AFP prüfte in der Vergangenheit bereits Behauptungen, wonach die aktuelle Erderwärmung die Folge natürlicher Prozesse sei oder dass eine gekippte Erdachse die Ursache des Klimawandels sei. Auch eine Veränderung der Sonnenaktivität wurde in diesem Zusammenhang bereits früher als vermeintliche Ursache für den globalen Temperaturanstieg bezeichnet.
Experten widersprechen der Darstellung des Beitrags
Einen Einfluss auf die Temperatur auf der Erde hat die erhöhte Sonnenaktivität jedoch kaum. "Es ist wissenschaftlich belegt, dass die Sonnenaktivität einem Zyklus von rund elf Jahren unterliegt", sagte Sami Solanki, Direktor der Abteilung für Sonnen- und Heliosphärenforschung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen, in einem Telefoninterview mit AFP am 2. Juni 2022. Während dieses Zeitraums erhöhe sich die Aktivität der Sonne auf ein Maximum, was sich an einer erhöhten Zahl von Flecken auf der Sonnenoberfläche, mehr Sonneneruptionen und weiteren messbaren Veränderungen der Sonne beobachten lasse. Einen Einfluss auf die Temperatur auf der Erde hat die erhöhte Sonnenaktivität jedoch kaum.
Im "Fusion"-Beitrag ist die Rede von wiederkehrenden Zyklen der Sonnenaktivität von 190, 460 und 1000 Jahren. Systematische und direkte Beobachtungen der Sonne gebe es jedoch erst seit 1610, nachdem Galileo Galilei ein Jahr zuvor das Teleskop erfunden hatte, erklärte Solanki. Erst seitdem würden regelmäßig Daten über die Aktivität der Sonne erfasst, mit denen sich auch die Sonnenzyklen rekonstruieren ließen. Allerdings erlaubten die Daten aus rund 400 Jahren visueller Beobachtung keine Rückschlüsse auf einen Zyklus von 1000 Jahren, wie in dem Beitrag behauptet wird. "Auch eine Periode von 460 Jahren lässt sich damit nicht darstellen", sagte Solanki.

Bislang lasse sich der Einfluss des Sonnenzyklus auf das Erdklima nicht exakt bestimmen, da das Klima von einer Vielzahl von Variablen beeinflusst werde. Die durch den Sonnenzyklus verursachte Schwankung der Erdtemperatur liege schätzungsweise bei 0,1 Grad oder weniger innerhalb eines Sonnenzyklus von elf Jahren. Sicher sei jedoch, dass der Einfluss des Sonnenzyklus, "weit weniger stark ist, als die Veränderungen der globalen Temperatur in den letzten 100 Jahren", erklärte Solanki.
Verwendete Methodik lässt mehrere Schlüsse zu
In ihrem Text behaupten die Autoren, die Sonnenaktivität weiter zurückliegender Zeiträume lasse sich mit Hilfe des radioaktiven Isotops Beryllium-10 bestimmen. Die Autoren beziehen sich dabei auf eine Studie von 2009, die die historische Sonneneinstrahlung während der letzten 9300 Jahre anhand von Bohrkernen aus dem Polareis rekonstruiert.
Die Konzentration des leicht radioaktiven Isotops Beryllium-10-in diesen Bohrkernen erlaubt Rückschlüsse auf die Sonnenaktivität vergangener Epochen. Beryllium-10 entsteht, wenn kosmische Strahlung auf Berylliumatome in der Erdatmosphäre trifft. Beryllium-10 lagert sich durch Niederschläge auf der Erdoberfläche ab, wo es im Polareis konserviert wird. Die Aktivität der Sonne beeinflusst wiederum die Intensität der kosmischen Strahlung, die auf die Erde trifft. Je höher die Sonnenaktivität ist, desto geringer ist die kosmische Strahlung auf der Erde und desto weniger Beryllium-10 findet sich in der Erdatmosphäre.
Diese Methode sei grundsätzlich nicht falsch, sagte Sami Solanki, allerdings müsse dabei berücksichtigt werden, dass Beryllium-10 in der oberen Erdatmosphäre entstehe und durch Wetterphänomene wie Wind und Niederschläge verteilt werde, die ihrerseits vom Klima beeinflusst sind. "Perioden im Beryllium-10-Vorkommen können also das Ergebnis der Sonnenaktivität sein, müssen es aber nicht", sagte Solanki. "Sie können auch Perioden des Klimas abbilden." Ob die Aktivität der Sonne für diese Klimaperioden ursächlich ist, lasse sich daher mit dieser Methode nicht sicher feststellen.
Strahlungsschwankungen zu gering, um Erdklima zu beeinflussen
Von lang andauernden Sonnenzyklen, wie sie in dem "Fusion"-Aufsatz beschrieben werden, hat auch Christian Vocks vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam vorher zuvor noch nicht gehört. Er bestätigte in einem Telefoninterview mit AFP am 20. Juni 2022 Solankis Darstellung: "Eine Korrelation zwischen den Sonnenzyklen und den Klimaveränderungen auf der Erde ist bislang nicht belegt." Zwar gebe es Schwankungen der Sonnenaktivität in Form der elfjährigen Sonnenzyklen, diese führten jedoch nicht dazu, dass signifikant weniger Sonneneinstrahlung zur Erde gelange. Das erklärt auch die US-amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa in einem FAQ zum Einfluss der Sonne auf den Klimawandel auf ihrer Website.

"Sonnenflecken sind kühlere Gebiete auf der Sonne", erklärte Vocks. Eine höhere Zahl an Sonnenflecken während eines Aktivitätsmaximums bedeute jedoch nicht, dass die Strahlung der Sonne insgesamt geringer sei und so weniger Wärme auf der Erde ankomme.
"Tatsächlich ist der Gesamtstrahlungsoutput der Sonne während eines Aktivitätsmaximums sogar geringfügig höher", sagte Vocks. Das liege daran, dass es um die kühleren Sonnenflecken herum heißere Bereiche gibt, die das Strahlungsdefizit kompensieren. Insgesamt sei die Variation des Strahlungsoutputs der Sonne während eines Zyklus jedoch sehr gering, erklärte Vocks. "Wir reden hier von einer Abweichung von einem Watt pro Quadratmeter (auf der Erdoberfläche, Anm.) und das reicht nicht aus, um eine Schwankung des Erdklimas zu verursachen."
Wissenschaft ist sich einig über Ursachen der Erderwärmung
Die derzeit beobachtete Erderwärmung lässt sich nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand eindeutig auf den Menschen zurückführen. Der Weltklimarat IPCC veröffentlicht regelmäßig Berichte, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Stand der Forschung zusammenfassen. Der sechste Sachstandsbericht vom August 2021 fasste zusammen: "Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat."
Für einen Faktencheck über den Anteil des Menschen an der aktuellen Erderwärmung schrieb Aiko Vogt, Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, im August 2021: "Die Gemeinschaft der Klimaforschenden ist sich einig, dass die Klimakrise real und menschengemacht ist." Natürliche Antriebsfaktoren würden praktische keine Rolle spielen. Stefan Brönnimann vom Geographischen Institut der Universität Bern stimmte ihm damals zu: "Der Mensch trägt zum überwiegenden Teil zum aktuell ablaufenden Klimawandel bei."
Auch zahlreiche internationale wissenschaftliche Organisationen halten die Erderwärmung für menschengemacht. Allein eine Aufstellung des "Office of Planning and Research", eines Forschungsinstituts der Regierung des US-Bundesstaats Kalifornien, listet knapp 200 Wissenschaftsorganisationen auf der ganzen Welt, die die Auffassung teilen, dass der Klimawandel menschengemacht ist.
Fazit: Die Existenz von drei langfristigen Hauptzyklen der Sonnenaktivität ist wissenschaftlich nicht belegt. Tatsächlich schwankt die Aktivität der Sonne in einem Elfjahresrhythmus. Diese Schwankungen haben jedoch nach Auffassung von Experten keinen langfristigen Einfluss auf das Erdklima.Die in dem geteilten Beitrag verwendete Methodik ist zudem nicht geeignet, den Einfluss der Sonne auf historische Klimaperioden eindeutig zu belegen. Die überwiegende Mehrheit der Klimaforschenden ist sich einig, dass der vom Menschen verursachte Ausstoß an Treibhausgasen für den aktuellen Klimawandel verantwortlich ist.