Dieses Video zeigt Hooligans in Bukarest

  • Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
  • Veröffentlicht am 17. November 2020 um 17:20
  • Aktualisiert am 17. November 2020 um 17:34
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: Marion DAUTRY, AFP Belgrad
  • Übersetzung: Eva WACKENREUTHER
Seit Anfang November haben mehr als tausend Menschen ein Facebook-Video über einen angeblichen Einsatz der Pariser Polizei geteilt. Es soll zeigen, wie eine Einsatzgruppe brutal muslimische Passagiere aus der U-Bahn zerrt, nachdem diese angeblich zuvor andere Fahrgäste bespuckt haben sollen. Das Video entstand allerdings am Rande eines Fußballspiels in Bukarest. Es zeigt Zusammenstöße zwischen der dortigen Polizei und mutmaßlichen Hooligans.

Über 580 Mal haben Nutzerinnen und Nutzer seit dem 7. November ein Video über einen Polizeieinsatz geteilt. In der Beschreibung des Clips heißt es: "In der Pariser U-Bahn haben Muslime ohne Maske auf andere Passagiere gespuckt. Schauen Sie, wie die Polizei darauf reagiert, fabelhaft, ob unsere Polizei auch so reagieren darf, der Innenminister müsste natürlich zu 100 Prozent hinter ihnen stehen, da können wir von den Franzosen noch viel lernen." Auch ein Bundestagsabgeordneter der AfD, Armin Paul Hampel, hat das Video einige Tage später auf Facebook veröffentlicht (hier). Über tausend Menschen haben seinen Post geteilt, in dem er von spuckenden "Merkelgästen" und "Integrationsverweigerern" in den Pariser Vororten schreibt. Zahlreiche andere Facebook-Posts verbreiten diese Falschinfo ebenfalls (hier, hier oder hier).

Außerdem teilen User das Video auf Englisch, Serbisch und Spanisch und behaupten, es zeige einen Einsatz der Pariser Polizei gegen Passagiere ohne Schutzmasken. Auch das ist falsch, wie ein Faktencheck von AFP bereits bewiesen hat.

Image
Facebook-Screenshot: 13.11.2020

Im Video lässt sich ein Stimmengewirr ausmachen. Polizei und Anwesende rufen und schreien allerdings nicht auf Französisch, sondern auf Rumänisch. Das AFP-Büro Bukarest überprüfte den Ton des Videos. Die Beamten rufen Befehle wie: "Opriti!" (Halt!), "Lesiti afara!" (Aussteigen!), "Hai, hai!" (Komm, komm!), "Jos!" (Runter!), "Culcat!" (Auf den Boden!) und "Pune-le catuse!" (Leg ihnen Handschellen an!). Auch tragen die U-Bahn-Züge, die im Video zu sehen sind, nicht die Farbe der Pariser Métro-Betreiberfirma RATP. Es tauchen auch keine anderen Schilder auf Französisch im Video auf.

Bei einer Bildersuche nach Screenshots aus dem Video stieß AFP dann auch auf rumänische Postings mit dem Video, beispielsweise von der Partei "Alternativa Dreaptă" ("Rechte Alternative"). Sie berichten in vielen Fällen von einem Zusammenstoß zwischen Fußballfans und der rumänischen Jandarmeria. Dabei handelt es sich um eine Sondereinheit der nationalen Polizei. Auch zitieren die Postings einen Polizeisprecher mit dem Namen Georgian Enache.

Dessen Beschreibung der Geschehnisse fand AFP in einer Mitteilung der Polizei vom 2. Oktober wieder. Darin teilt Sprecher Enache mit: "Die Beamten entfernten die gewalttätigen Personen und nahmen sie schnell fest. Da wir Informationen hatten, dass sie Hieb- und Blankwaffen mit sich führten, wollten wir schnell, streng und effizient eingreifen, um die anderen Passagiere zu schützen."

Wer nach dem Video unter Einbezug des Fußball-Hintergrunds sucht, findet zahlreiche Ergebnisse: Der rumänische Fußballjournalist Emanuel Roşu postet es auf Twitter, der Sportjournalist Christian Scutariu sowie die rumänische Polizeigewerkschaft veröffentlichen es Anfang Oktober 2020 auf Facebook. AFP hat außerdem eine längere Version gefunden sowie diese Version der Festnahme aus einer anderen Perspektive. Die Männer liegen dabei bäuchlings mit angelegten Handschellen am Boden der U-Bahn-Station.  Ein Blog über Fußball-Hooligans ordnet die Szene ebenfalls einem Fußballspiel in Bukarest zu. Auch rumänische Medien berichteten über den Vorfall (hier, hier und hier).

Die Anhänger von Dinamo Bukarest und CSA Steaua Bukarest waren laut einer Beschreibung der Polizei Bukarest vor einem Spiel am 2. Oktober zusammengestoßen.  Einige der Fans hätten beabsichtigt, gegeneinander zu kämpfen, schrieb die Polizei. Die Polizeikräfte versuchten demnach, eine Gruppe von CSA-Anhängern zu blockieren, "die mit der U-Bahn zur Station Stefan cel Mare fuhren, wo sie sich (mit anderen Fans) neu gruppieren wollten, um zum Stadion zu fahren und dort Gewalt zu erzeugen".

Einige der Fußballfans zogen sich den Informationen zufolge ins Zuginnere zurück, die Polizeieinheit nahm auch sie fest. Damals veröffentlichte die Polizei Fotos der konfiszierten Waffen.

Ein Vergleich der Aufnahmen vom Polizeieinsatz mit Fotos und Videos aus der U-Bahn-Station "Ştefan cel Mare" (Foursquare, Google Maps) bestätigt im Übrigen, dass sich die Szene wirklich in Bukarest abspielte. Sie zeigen denselben Zug und dieselben gelben Schilder wie im momentan geteilten Video. Der Zug scheint ein Modell des Unternehmens Bombardier zu sein, wie es in der U-Bahn der rumänischen Hauptstadt eingesetzt wird.

Image
Screenshots aus dem Video (links), Aufnahmen aus der U-Bahn-Station Ştefan cel Mare (Mitte) sowie Screenshots von der Bombardier-Website (rechts) – 03.11.2020

Fazit: Medienberichte, Social-Media-Postings und Berichte der Polizei in Rumänien belegen, dass es sich bei den Szenen aus dem Video um eine Polizeiaktion in Bukarest am Rande eines Fußballspiels handelt. Weder spielt die Aufnahme in Paris, noch waren dort Muslime und spuckende Menschen in den Hergang verwickelt.

Haben Sie eine Behauptung gefunden, die AFP überprüfen soll?

Kontaktieren Sie uns