Positive Corona-Tests mit Bier beweisen nicht die Unwirksamkeit von Antigen-Tests
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- Veröffentlicht am 19. März 2021 um 18:24
- Aktualisiert am 19. März 2021 um 18:31
- 6 Minuten Lesezeit
- Von: Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich, AFP Deutschland
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Mehr als 81.000 Menschen haben das Bier-Video seit dem 17. März geteilt (hier). Mit einem Kronkorken werden darin ein paar Tropfen Bier in einen Antigen-Schnelltest gekippt. Mehrere Stimmen aus dem Hintergrund kommentieren den darauffolgenden Prozess. Langsam verfärbt sich zuerst die Testlinie und schließlich auch die Kontrolllinie des Tests. Eine Frauenstimme fasst zusammen: "Damit ist der Test gültig und das gute Warka Strong Beer ist corona-positiv." Eine weitere Frauenstimme kommentiert: "Ist doch nicht normal. Jetzt lass ich mich erst recht nie wieder testen von so einem Idioten!"
Zahlreiche Nutzer interpretieren das positive Testergebnis als Beweis für die Nichtigkeit aller Corona-Tests oder sogar der gesamten Pandemie. "Das ist der Beweis dafür, dass die Fallzahlen einfach fake sind und dass die gesamte Bundesregierung AB SOFORT WEGEN HOCHVERRAT ZURÜCKTRETEN MUSS!", schreibt etwa ein Nutzer (hier).
Auf Telegram sahen weitere Zehntausende das Video (hier, hier, hier). Auch hier zweifeln Nutzerinnen und Nutzer die Aussagekraft von Coronatests an: "Wer noch immer an das Märchen glaubt, man könne mittels PCR-Tests nachweisen, wer und wie viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert seien, der sollte sich dieses kurze Video einmal ganz genau anschauen. Es wird immer klarer, dass wir von vorn bis hinten angelogen und für dumm verkauft werden! Die Corona-Pandemie ist ein groß angelegter Betrug, das wird immer deutlicher!"
Die Genauigkeit von Coronat-Tests, vor allem von Antigen-Tests, steht immer wieder in der Kritik. Zahlreiche Medien haben sich damit beschäftigt (hier, hier, hier). Allerdings sind die Tests auch immer wieder Ziel von Falschinformationen. Mal behaupteten User, die Ergebnisse von Antigentests stünden im Vorhinein fest (hier) oder Teststraßen würden die Ergebnisse fälschen (hier), mal verbreitete sich die Falschbehauptung, PCR-Tests könnten Grippeviren nicht von Coronaviren unterscheiden (hier). Auch den positiv ausschlagenden Corona-Test mit Lebensmitteln gibt es mittlerweile in zahlreichen Versionen, die AFP bereits überprüft hat. Hier wird etwa Cola sowie Apfelmus auf Covid-19 getestet, hier Red Bull und hier Fruchtsaft. Auch der Bier-Test gehört in diese Reihe.
Beim im Video gezeigten Test handelt es sich um einen Panbio Covid-19 Antigenschnelltest der Marke Abbott. Ein Antigentest weist, anders als ein PCR-Test, nicht das Erbgut des Virus direkt nach, sondern überprüft dessen Proteinhülle. AFP hat Abbot das Video gezeigt. Sprecherin Astrid Tinnemans kommentierte am 19. März: "Der Panbio COVID-19 Ag Schnelltest ist nur für die Verwendung mit Proben zugelassen, die mit einem in die Nasenlöcher einer Person eingeführten Nasen- oder Nasopharyngealabstrich entnommen wurden. Es ist nicht zur Verwendung mit Bier oder anderen Lebensmitteln geeignet."
Damit ein Schnelltest zu einem aussagekräftigen Ergebnis führt, müssen bestimmte Schritte eingehalten werden, die Abbott in einer Kurzanleitung erklärt. Die entnommene Speichelprobe muss etwa in einer Pufferlösung geschwenkt werden, bevor sie in das Testkit getröpfelt wird. Die Pufferlösung sorgt dafür, dass die Testflüssigkeit den richtigen pH-Wert hat. Sie "puffert", also neutralisiert geringe Menge von Säure, wie etwa von Bier, die in einer Speichelprobe vorkommen können. Diesen Schritt lässt das Video aber komplett aus, der Macher träufelt das Bier direkt ins Testkit.
Anschließend haben die Beteiligten im Video das Ergebnis grundsätzlich so interpretiert, wie man das laut Abbott-Beipackzettel auch mit einer echten Probe machen würde. Die Linie C ist tatsächlich die Kontrolllinie. Sie zeigt an, ob wirklich eine Reaktion stattgefunden hat. Ein Ergebnis ist nur gültig, wenn die Kontrolllinie sichtbar wird. Erscheint zusätzlich eine Linie bei der Testlinie T, ist das Ergebnis positiv, andernfalls ist es negativ. Dabei zählen auch nur leicht ausgeprägte Linien als positiv, erklärte die Virologin Sandra Ciesek auf Twitter. Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main und tritt regelmäßig gemeinsam mit Christian Drosten im "Coronavirus Update" des NDR auf.
Auch andere Hersteller von Antigentests stellten bereits in der Vergangenheit klar, dass die Lebensmittel-Videos keine Aussagekraft über die Funktion von Schnelltests hätten. In Bezug auf ein Video mit Apfelmus etwa sagte der Sprecher des Testherstellers MEDsan, Kai Markus Xiong, am 9. Dezember gegenüber AFP, dass eine Anwendung auf Lebensmittel die Aussagekraft eines Tests beim Nachweis von Sars-CoV-2 nicht in Zweifel ziehen würde.
Hersteller Dialab bezog auf seiner Facebook-Seite außerdem Stellung, nachdem ein FPÖ-Politiker im österreichischen Parlament Cola auf Corona getestet hatte. Wie auch im aktuell geteilten Bier-Video wurde die Cola damals direkt in den Test geschüttet, ohne die Flüssigkeit vorher in einer Pufferflüssigkeit auszuschwenken: "Dadurch wird die Pufferschicht zerstört und die Positiv-Markierung wird sichtbar. Dieses Ergebnis wäre bei einer solchen Anwendung bei jedem anderen Hersteller auch zu erwarten", schrieb Dialab schon damals.
Was Expertinnen und Experten sagen
Claudia Denkinger ist Expertin für Infektionskrankheiten und leitet die Sektion für Klinische Tropenmedizin am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Sie sagte am 19. März gegenüber AFP zum Bier-Video: "Das positive Ergebnis ist erwartbar. Flüssigkeiten mit Säure, wie auch Cola und Wein, zersetzen die Eiweiße auf dem Teststreifen und können zu einem falsch-positive Resultat führen." Aussagekräftig sei so ein Test nicht, das Ergebnis komme nur durch eine Fehlanwendung zustande: "Durch das Zersetzen entstehen viele Bindungsstellen für die Farbpartikel im Test, und die Streifen werden sichtbar."
Das sagte auch Thomas Simat. Er hält die Professur für Lebensmittelkunde und Bedarfsgegenstände an der Fakultät für Chemie und Lebensmittelchemie in Dresden. Mit Blick auf den Bier-Test sagte er AFP am 19. März: "Der Test wurde hier für etwas missbraucht, für das er nicht gemacht ist."
AFP hat das Bier-Video auch der Professorin für Biochemie an der Universität Leipzig, Anette Beck-Sickinger, gezeigt. Sie hielt am 19. März fest: "Alles, was Proteine denaturiert, verfälscht den Test, denn der Test beruht darauf, dass Antikörper das Virusprotein erkennen." Ob beim Bier der Alkohol oder andere Inhaltsstoffe für die Verfälschung entscheidend seien, sei ohne Experiment kaum zu sagen, aber: "Der Test mit allen Lebensmitteln ist mehr als unsinnig", erklärte Beck-Sickinger.
Bereits im Dezember 2020 hatte Thomas Decker, Professor für Immunbiologie an der Universität Wien, über ein ähnliches Video mit Apfelmus geschrieben: "Es ist kein Kunststück, die Bedingungen eines solchen Tests so sehr zu verfälschen, dass er falsche Ergebnisse liefert. Der Test ist für Bedingungen entwickelt worden, welche geeignet sind, die Bindung eines Antikörpers an Antigene zu erlauben, und nicht für Reaktionen in irgendwelchen klebrigen Lebensmitteln."
Auch Beck-Sickinger stimmte dem schon damals zu: "Ein Test kann nur funktionieren, wenn man die Bedingungen einhält." Für diese richtigen Bedingungen sorgt die Pufferlösung, die auch der Hersteller Dialab bereits hervorhob: "Sie ist natürlich nicht in der Lage, große Menge an Säure zu neutralisieren", schrieb Beck-Sickinger. Ändert man die Funktionsbedingungen des Tests, wie etwa seinen pH-Wert, bestimmte Ionen oder die Temperatur, könne das dazu führen, "dass die Antikörper unspezifisch ausfallen (und dann positiv anzeigen), denaturiert werden oder unspezifisch an die Bindeantikörper haften", erklärte Beck-Sickinger. Ein falsch genutzter Test zeigt also unter Umständen ein falsches Ergebnis.
Mit Blick auf ein weiteres ähnliches Video, in dem Red Bull auf Corona getestet wird, schrieb Oliver Stojković vom Institut für forensische Medizin an der Universität Belgrad im Februar an AFP: "Das Video zeigt nicht, dass die Antigentests unzuverlässig sind."
Verfälschte Ergebnisse?
In der Praxis sind mögliche Bier-Rückstände im Rachen bei der Probenentnahme für einen Antigentest kein Problem. Der Test könne mit geringen Mengen an Lebensmittelresten umgehen, so Beck-Sickinger: "Unsere Nahrung gelangt an den Bereich, an dem der Abstrich gemacht wurde, höchstens in Spuren, Speichel neutralisiert sie zudem."
Das sieht Klaus Vander ähnlich. Er ist ärztlicher Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie in Graz. "Bei einem Nasenabstrich ist das kein Problem. Bei einem Abstrich über den Rachen könnte das nur sehr, sehr theoretisch passieren, aber es ist bei richtiger Anwendung vernachlässigbar", sagte er am 14. Dezember gegenüber AFP.
Auch Claudia Denkinger vom Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg schätzte diese Möglichkeit gegenüber AFP als unrealistisch ein, "da zum einen der Abstrich in der Nase gemacht wird und Mengen (wenn man vorher schluckt) auch im Mund gering sind."
Fazit: Der Test im Video wird zweckentfremdet. Einerseits sind Antigentests für die Anwendung am Menschen und nicht für die Testung von Lebensmitteln gedacht. Außerdem müssen Proben vorher in einer Pufferlösung ausgeschwenkt werden. Expertinnen und Experten sind sich einig, dass der Test im Video zweckentfremdet und daher nicht aussagekräftig ist.