Nein, Rewe verbietet keine Gespräche in seinen Filialen

Seit Mitte Januar verbreiten Hunderte Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer ein Foto, das ein angebliches Sprechverbot zur Aerosol-Vermeidung in einem Supermarkt zeigen soll. Besagter Rewe hat ein solches Verbot aber nie ausgesprochen, ein Team des Fernsehsenders RTL hatte das Schild als Teil eines Experimentes angebracht.

Das vermeintliche Redeverbot in einem Rewe-Supermarkt hat sich seit dem 14. Dezember hundertfach auf Facebook verbreitet. Auf dem Foto zu sehen: die Eingangstür des Supermarktes, darauf ein schlichtes Plakat ohne Firmenlogo. Darauf heißt es: "Reden im Supermarkt verboten!!! Um keine Aerosole zu verbreiten ist Sprechen in diesem Supermarkt nicht mehr erlaubt!" Einer der führenden Schweizer Anti-Corona-Aktivisten, Roger Bittel, teilte die Aufnahme etwa mit den Worten: "wie bitte??? ist das echt??? kann es nicht glauben... anscheinend ja - soll bei REWE Markt in Erkelenz (NRW) sein." Andere Nutzer schreiben zum Posting in Großbuchstaben: "Redeverbot jetzt auch in Deutschland!!!"

Zuvor war die Behauptung tausendfach in Corona-kritischen Telegram-Kanälen geteilt worden (hier, hier). Sie alle verbreiteten einen mittlerweile gelöschten Beitrag aus der Gruppe "Fakten Frieden Freiheit". Dazu gleich mehr.

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Facebook-Screenshot: 15.01.2021

In den Beiträgen selbst wird ein Rewe-Markt in Erkelenz bei Mönchengladbach genannt. AFP hat am 15. Januar dort angerufen und mit einem Mitarbeiter der Filiale gesprochen. Er sagte, dass der Aushang tatsächlich kurz am Eingang des Supermarkts gehangen habe – allerdings lediglich als Teil von Dreharbeiten des Fernsehsenders RTL. Ein Sprechverbot gebe es nicht, der Aushang sei schon wieder entfernt worden.

Das bestätigte auch ein Unternehmenssprecher von Rewe am selben Tag: "RTL hat für den Dreh den mitgebrachten Aushang an die Eingangstür dieses einen REWE-Marktes gehängt und nach Abschluss der Aufnahmen diesen wieder entfernt. Vergleichbar mit einer Filmrequisite. Diesen Aushang gab und gibt es an keinem weiteren Markt." Er verwies außerdem auf einen Artikel der Faktencheck-Seite Mimikama, die ebenfalls über das vermeintliche Verbot berichtete. Die Faktenchecker dort spürten auch einen entsprechenden Beitrag in der Sendung "Explosiv" vom 14. Januar um 18 Uhr auf.

AFP hat sich den Beitrag mit dem RTL-Experiment am 15. Januar angesehen. Für den Versuch brachte ein Team Aushänge vor und im Laden an, RTL-Mitarbeitern konfrontierten danach die Menschen im Supermarkt damit. Seit dem 15. Januar ist der Beitrag allerdings nicht mehr verfügbar, stattdessen zeigt Explosiv jetzt an dessen Stelle ein Beitrag über einen amerikanischen Mafia-Boss.

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Der Aushang wird im “Explosiv”-Beitrag vom 14.01.2021 angebracht. Screenshot: 15.01.2021

AFP hat RTL am 15. Januar dazu befragt. Ein RTL-Sprecher bestätigte, dass der Dreh am 14. Dezember in Erkelenz stattgefunden hatte. "Das Plakat wurde dabei nur für diesen Zweck aufgehängt. Thematischer Aufhänger war das in Mallorca diskutierte Redeverbot in Bussen und Bahnen. Diese Idee und vor allem die Reaktionen darauf wollten wir in einem Supermarkt einmal testen. Die Leitung des Supermarkts war zu jeder Zeit eingebunden und wir haben die Kunden hinterher auch darüber informiert, dass dieses Redeverbot im Supermarkt nicht ernst gemeint war. Wir haben ausdrücklich im Beitrag darauf hingewiesen, dass es sich um ein Experiment handelt."

Auf die Frage nach den Gründen der Entfernung des "Explosiv"-Beitrags von der RTL-Website sagte der Sprecher: "Das hatte lizenzrechtliche Gründe. Einige Bilder von Protesten in Spanien waren nicht korrekt lizenziert." Der Beitrag liegt AFP aber vollständig vor.

Der Verbreiter in der Telegram-Gruppe "Fakten Frieden Freiheit" hat ebenfalls bereits am 14. Januar eingelenkt: "ACHTUNG FAKE NEWS VON MIR. Ich habe im REWE MARKT Angerufen. Das hat wohl einfach jemand draußen aufgeklebt, um zu provozieren. DAS FOTO IST ECHT und meine Quelle glaubwürdig. Jedoch war das eine klare Falschmeldung! Ich entschuldige mich", schrieb er dort und erklärte den Sachverhalt in einer Sprachnachricht. Die Behauptung verbreitet sich trotzdem auf anderen Kanälen weiter.

Fazit: Der Aushang ist echt, jedoch nicht von Rewe. Ein RTL-Team hatte es dort kurzzeitig zu Dreharbeiten zu einem Experiment angebracht. Ein tatsächliches Sprechverbot gab und gibt es dort aber nicht.

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