Nein, Norwegen hat kein Verbot für den Biontech/Pfizer-Impfstoff verhängt

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  • Veröffentlicht am 20. Januar 2021 um 11:55
  • Aktualisiert am 21. Januar 2021 um 16:26
  • 4 Minuten Lesezeit
  • Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Tausende User auf Facebook teilen Mitte Januar eine Behauptung, wonach Norwegen ein Impfverbot für den Impfstoff von Biontech/Pfizer ausgesprochen habe. Grund dafür seien 23 Todesfälle von Menschen, die kurz zuvor ihre erste Corona-Impfdosis erhalten hatten. Norwegen impft allerdings weiter. Die dortige Regierung sieht keinen bewiesenen Zusammenhang zwischen Todesfällen und Impfung.

Seit dem 15. Januar 2021 haben mehr als 3100 Nutzerinnen und Nutzer die Behauptung zum Impfverbot auf Facebook geteilt. (etwa hier, hier und hier). Auf einem verbreiteten Text-Bild heißt es: "Norwegen verhängt ein Impfverbot für Biontech/Pfizer Impfstoffe, nachdem es 23 Menschen das Leben kostete!"

Als Quelle für diese Behauptung nennen die Postings eine Nachrichtensendung des österreichischen Privatsenders "Servus-TV" vom 15. Januar 2021. Ein Facebook-Nutzer behauptet in diesem Zusammenhang auch: "Mittlerweile schon zensiert worden !!! Begründung: Technischer Defekt."

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Facebook-Screenshot: 19. Januar 2021

AFP konnte die angesprochene Servus-TV-Nachrichtensendung vom 15. Januar 2021 tatsächlich nicht aufrufen. "Diese Sendung steht aufgrund von technischen Problemen leider nicht zur Verfügung", heißt es in der Mediathek.

Auf AFP-Anfrage teilte Servus-TV mit, dass ein Netzwerkausfall "aufgrund massiver Überlastung der hausinternen Datenbank" die Ausstrahlung der Sendung am 15. Januar verhindert habe. "Wir konnten lediglich mit einem einzigen Nachrichtenbeitrag on air gehen", sagte ein Sprecher von ServusTV. Er bezeichnet die Behauptungen im Facebook-Beitrag als "falsch". ServusTV sei nicht zensiert worden.

Der Sender habe den Beitrag, der sich mit 23 norwegischen Todesfällen und der Frage nach einem Zusammenhang mit einer Corona-Impfung beschäftigt, lediglich einen Tag später ausgestrahlt, am 16. Januar. Er ist in der Mediathek hier zu finden, auf der ServusTV-Facebookseite hier und außerdem auf Youtube hier.

Darin kündigt die Moderatorin den Vorfall in Norwegen mit folgenden Worten an: "Bei 13 Toten steht mittlerweile fest, es könnte einen direkten Zusammenhang mit der Impfung geben."

Auch AFP berichtete über diesen Vorfall, stellte aber selbst aufgrund mangelnder Informationen keine Schlussfolgerung über einen möglichen Zusammenhang zwischen Tod und Impfung her (hier).

Todesursachen nach Impfungen noch ungeklärt

Am 18. Januar teilte die Regierung Norwegens bei einer Pressekonferenz mit, bisher keinen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen dem Biontech/Pfizer-Impfstoff gegen Covid-19 und dem Tod älterer Menschen festgestellt zu haben. Auch AFP hatte an dieser Konferenz digital teilgenommen. Einen unabhängigen Abschlussbericht über die Todesursache gibt es bisher nicht.

Seit Beginn der Impfkampagne im Dezember hat das Königreich bereits 48.000 Menschen geimpft. Laut den von der Gesundheitsbehörde am 18. Januar aktualisierten Zahlen wurden bisher 33 Verstorbene gemeldet, die zuvor auch eine erste Impfdosis bekommen hatten. 13 dieser Fälle seien bereits genauer untersucht worden, sagte die Direktorin der norwegischen Gesundheitsbehörde, Camilla Stoltenberg, bei der Pressekonferenz. Es seien "alles Menschen gewesen, die sehr alt, gebrechlich und schwer krank waren". Die Todesursache sei noch nicht geklärt.

Sigurd Hortemo, Chefarzt der norwegischen Arzneimittelbehörde, sagte in einer Pressemitteilung am 19. Januar: Man könne "nicht ausschließen, dass häufige Nebenwirkungen (von Impfungen) wie Fieber und Übelkeit bei einigen gebrechlichen Patienten mit schweren Grunderkrankungen zu einem schwerwiegenderen Verlauf und tödlichen Folgen führen können."

Die Direktorin der Gesundheitsbehörde Stoltenberg sagte außerdem, dass "im Durchschnitt etwa 45 Menschen jeden Tag in Pflegeheimen in Norwegen sterben, also ist es nicht sicher, dass dies eine Übersterblichkeit darstellt oder dass sie mit den Impfstoffen zusammenhängen".

Auch Sara Viksmoen Watle, leitende Ärztin am norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit, erklärte am 19. Januar in einer Pressemitteilung: "Tödliche Vorfälle bei diesen schwer gebrechlichen Patienten nach der Impfung implizieren keinen kausalen Zusammenhang zwischen COVID-19-Impfung und Tod."

Steinar Madsen, medizinischer Direktor der norwegischen Arzneimittelbehörde, sagte gegenüber AFP am 19. Januar: "Wir haben in keiner Weise gesagt, dass es eine Verbindung zwischen dem Impfstoff und diesen Todesfällen gibt, aber wir untersuchen jeden Fall sorgfältig, um sicherzugehen." Er fügte hinzu, dass "das, was wir gesagt haben, außerhalb Norwegens, von einigen Medien verzerrt worden ist".

Am 18. Januar teilte die Europäische Arzneimittelbehörde AFP mit: "Die EMA prüft derzeit alle Todesfälle bei älteren Menschen nach der Impfung und wird bei Bedarf darüber informieren. Bisher wurden keine Todesfällen bei älteren Menschen auf die Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty zurückgeführt (Anm. d. Red.: Name des Biontech/Pfizer-Impfstoffes)."

In einer Pressemitteilung der Gesundheitsbehörde heißt es außerdem, man wolle einen möglichen Zusammenhang weiter prüfen. Pfizer und Biontech sagten gegenüber AFP am Montag, 18. Januar, dass sie "mit der norwegischen Arzneimittelbehörde zusammenarbeiten, um alle relevanten Informationen zu sammeln".

Kein Verbot für Biontech/Pfizer-Impfungen

Ein Verbot des Biontech/Pfizer-Impfstoffes haben die Todesfälle in Norwegen nicht nach sich gezogen. Ein Sprecher der norwegischen Arzneimittelbehörde antwortete auf eine AFP-Anfrage am 18. Januar 2021: "Nein, wir haben die Impfung mit Biontech/Pfizer-Impfstoffen nicht gestoppt. Die gemeldeten Fälle hatten keinen Einfluss auf die norwegische Impfstrategie."

Der Sprecher erklärte zu den weiter andauernden Impfungen: Für die Mehrheit gebrechlicher Menschen würden die "eventuellen Nebenwirkungen des Impfstoffs durch ein verringertes Risiko eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufs mehr als aufgewogen". Weiter sagte er: "Für Menschen mit schwerster Gebrechlichkeit können selbst relativ milde Impfstoff-Nebenwirkungen schwerwiegende Folgen haben."

AFP konnte außerdem keine weiteren Nachrichtenartikel finden, die über einen folgenschweren Stopp der Impfungen in Norwegen berichtet hätten. Lediglich existieren Artikel über die Umformulierung der Impf-Richtlinien im Land, um die Bedeutung einer individuellen Beurteilung von gebrechlichen Menschen klarer hervorzuheben (hier, hier).

FAZITEs wurden tatsächlich Todesfälle von zuvor geimpften Personen gemeldet. Ob Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung tatsächlich für deren Tod verantwortlich waren, lässt sich aktuell noch nicht abschließend sagen. Ein Verbot des Biontech/Pfizer-Impfstoffes in Norwegen hat es nach dem Vorfall jedenfalls nicht gegeben. Das Königreich impft weiter. Auch widerspricht der Sender ServusTV der Aussage, ein Beitrag zu diesem Thema sei zensiert worden, er strahlte diesen lediglich einen Tag später aus.

Korrektur: Satzbau des Zitates der Moderatorin von ServusTV am 20. Januar 2021 geändert.
Bezeichnung "Regierung" in "Gesundheitsbehörde" am 21. Januar 2021 geändert.

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