Geimpfte sind besser vor Covid-19 geschützt als Ungeimpfte
Hunderte User haben Anfang August eine Behauptung auf Facebook geteilt, wonach es keinen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften in Bezug auf das Coronavirus gebe. Eine dazu gezeigte Tabelle gibt an, dass beide Gruppen beim Schutz vor Corona-Infektionen, der Übertragung und der Schwere der Krankheitsverläufe mit denselben Folgen zu rechnen hätten. Experten und Expertinnen, Behörden, Studien und Virologieverbände zeigen allerdings, dass Geimpfte in den genannten Bereichen durchaus besser geschützt sind als Ungeimpfte.
Hunderte User haben die Vergleichstabelle in ähnlichen Versionen seit Anfang August auf Facebook geteilt (hier, hier, hier).
Die Behauptung: Die Tabellen führen Aussagen auf, die sowohl bei Geimpften als auch Ungeimpften abgehakt sind. So könnten beide Gruppen genauso sich selbst und andere mit "C19" infizieren sowie einen schweren und leichten Verlauf der Krankheit entwickeln.
Bereits seit April kursieren ähnliche Vergleiche in unterschiedlich gestalteten Tabellen. In einer Version wurde etwa die Behauptung hinzugefügt, dass beide Gruppen an Covid-19 sterben könnten, aber nur Geimpfte an der Impfung (hier). Eine weitere Version weist ebenfalls auf Impfnebenwirkungen hin und behauptet, dass Corona-Maßnahmen für beide Gruppen weiter gleich gelten würden (hier).

AFP widerlegte bereits zahlreiche Behauptungen über vermeintliche Gefahren durch die mRNA-Impfungen (hier) und deren angebliche Inhaltsstoffe (hier). Auch der Nutzen von Impfungen wird immer wieder unter Bezug auf pseudowissenschaftliche Argumente angezweifelt (hier). Die aktuelle Behauptung, dass eine Impfung keinen Unterschied beim Schutz vor Covid-19 machen würde, passt in diese Reihe von falschen und irreführenden Behauptungen.
AFP hat zunächst den Impfstoffforscher Dr. Torben Schiffner vom Universitätsklinikum Leipzig zu den Behauptungen der Tabelle befragt. Er fasste am 5. August in einer E-Mail zusammen:
"Es gibt inzwischen eine große Anzahl von Studien aus mehreren Ländern, die eindeutig belegen, dass Impfstoffe einen hohen Schutz vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 bieten. Dies gilt sowohl für leichte, insbesondere aber auch für schwere Krankheitsverläufe. Weiterhin ist eine Weitergabe des Virus bei Geimpften deutlich unwahrscheinlicher als bei Ungeimpften. Auch wenn der Schutz der Impfstoffe nicht hundert Prozent erreicht, ist die in dem Vergleich suggerierte Äquivalenz Geimpfter und Ungeimpfter stark irreführend."
Schiffner fügte seiner Einschätzung mehrere Studien als Belege bei, die AFP mit den Behauptungen der Tabelle abglich und dazu auch noch zusätzliche Behörden und Experten befragte.
Bieten Covid-19-Impfungen Schutz vor Infektionen?
In Deutschland wurden bis zum 20. August 48,6 Millionen Menschen vollständig geimpft. 35,7 Millionen (etwa 77 Prozent) von ihnen bekamen den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Rund zehn Prozent erhielten Moderna, sieben Prozent den Impfstoff von Astrazeneca und fünf Prozent den von Janssen.
Alle vier Covid-19-Impfungen bieten dabei keinen 100-prozentigen Schutz vor Infektionen. Sie reduzieren allerdings die Wahrscheinlichkeit, sich und andere zu infizieren. Wie genau der Impfschutz hilft, Ansteckungen in einer Gemeinschaft zu verhindern, erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hier. Je mehr Menschen geimpft seien, desto weniger Menschen kämen mit dem Virus in Kontakt, schreibt die WHO. Bei genügend Geimpften könne sich dieser gar nicht mehr ausbreiten.

Was sagen die Daten?
Zur Erklärung: Die Prozentzahlen der nachfolgenden Studien geben nicht an, zu wie viel Prozent jeder Einzelne vor einer Infektion geschützt sind. Die Wirksamkeit eines Impfstoffs wird in klinischen Studien berechnet, indem die Erkrankungsraten zwischen zwei Gruppen verglichen werden: der Gruppe, die ein Placebo erhielt, und der Gruppe, die den echten Impfstoff erhielt. Ein Rechenbeispiel: Haben sich unter den Geimpften 80 Prozent weniger als in der Placebogruppe infiziert, liegt die Wirksamkeit eines Impfstoffs bei 80 Prozent.
Gerade in Bezug auf die unterschiedlichen Varianten des Coronavirus verändern sich die Zahlen. Impfforscher Schiffner verwies in Bezug auf den Infektionsschutz auf gleich mehrere Quellen aus Israel. Die dortige Impfkampagne startete bereits Anfang des Jahres 2021 hauptsächlich mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff (hier, hier, hier). Stand 19. August sind dort etwa 62 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.
Eine dieser Quellen ist eine klinische Studie vom 9. Juni 2021 aus der wissenschaftlichen Datenbank Pubmed. Forschende von der Gesundheitspflegeorganisation Meuhedet in Israel kommen darin zu einem Infektionsschutz des Biontech/Pfizer-Impfstoffs von 89 Prozent.
Eine wissenschaftliche Studie aus Israel, die im medizinischen Fachmagazin "The Lancet" erschienen ist, zeigt ebenfalls ein solches Ergebnis. Forschende der Infektionsprävention am Sheba Medical Center haben 9650 Menschen einbezogen und eine 92-prozentige Schutzwirkung des Biontech/Pfizer Impfstoffs belegt.
Eine weitere Quelle ist ein medizinischer Fachartikel vom 5. Mai 2021, der ebenfalls in "The Lancet" erschienen ist. Darin berechneten Forschende des israelischen Gesundheitsministeriums und von Pfizer die Inzidenzraten der in den ersten vier Monaten der israelischen Impfkampagne vollständig Geimpften haben. Diese wurde mit der Inzidenzrate der Ungeimpften verglichen. Die Forschenden kamen zum Ergebnis, dass die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer einen Infektionsschutz von 95,3 Prozent bietet.
Auch deutsche Behörden sprechen von einer hohen Wirksamkeit gegen Infektionen. So schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI): "Nach derzeitigem Kenntnisstand (23. Juli 2021) bieten die Covid-19-mRNA-Impfstoffe BioNTech/Pfizer und Moderna eine hohe Wirksamkeit von etwa 95 Prozent." Die Behörde kommt in einem Vergleich von Geimpften und Ungeimpften zum Schluss: "Wenn eine mit einem COVID-19-Impfstoff geimpfte Person mit dem Erreger in Kontakt kommt, wird sie also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erkranken."
Für Moderna sprechen die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) basierend auf klinischen Studien von einer Wirksamkeit von 94,1 Prozent.
Auch die Vektor-Impfstoffe bieten einen hohen Schutz. Das RKI spricht bei AstraZeneca/Vaxzevria von bis zu 80 Prozent. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) spricht dem Impfstoff in Bezug auf vier klinische Studien einen Schutz von etwa 60 Prozent zu. Der Covid-19-Impfstoff des Herstellers Janssen bietet laut RKI etwa 65 Prozent Schutz im Vergleich zu Ungeimpften und laut CDC 66,3 Prozent.
Restrisiko und Varianten
Ein Impfschutz ist wie bereits geschrieben niemals 100-Prozentig. Es gibt ein Restrisiko, sich dennoch mit Covid-19 anzustecken. Stecken sich Geimpfte an, spricht das RKI von einem "Impfdurchbruch" oder "Impfversagen". Das kann den Angaben der Behörde zufolge an individuellen Gründen liegen, die einen Aufbau des Impfschutzes einschränken oder auch an Fehlern bei der Verabreichung oder Herstellung des Impfstoffes. So kommt es etwa zu Meldungen über bisher 10.000 Impfdurchbrüche in Deutschland. Aktuell sind in Deutschland rund 49 Millionen Menschen geimpft. Impfdurchbrüche sind in Deutschland laut RKI sehr selten. Stand 29. Juli lagen sie bei 0,74 Prozent aller vollständig Geimpften.
Sars-Cov-2-Mutationen können laut RKI den Impfschutz dabei durchaus beeinflussen. Auf der RKI-Seite heißt es, dass "aktuelle Studien zeigen, dass die verfügbaren Impfstoffe auch gegen Virusvarianten wirksam sind" und der Impfschutz lediglich "gering bis mäßig" verringert sei.
Das RKI schreibt in Bezug auf die aktuell dominierende Delta-Variante außerdem: Nur bei einer unvollständigen Impfserie (eine Dosis) sei eine deutlich verringerte Wirksamkeit von 35 Prozent gegen die Deltavariante nachgewiesen worden. Eine im Juli 2021 im "New England Journal of Medicine" erschienene Studie kam zum Ergebnis, dass es unter den mit Pfizer/Biontech doppelt Geimpften bei Delta 88 Prozent weniger symptomatische Infektionen als in der Kontrollgruppe gab. Bei der ursprünglichen Virus-Variante Alpha lag die Wirksamkeit von zwei Dosen noch bei 93,7 Prozent (mehr dazu hier).
Debatte um neue Zahlen aus Israel
Eine Präsentation des Gesundheitsministeriums in Israel sorgte Ende Juli für Schlagzeilen (hier, hier). Darin erklärte das Ministerium, dass Impfungen anders als zuvor geschätzt nur zu 39 Prozent gegen eine Sars-Cov-2-Infektion wirksam seien. Der Schutz vor schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten sei allerdings weiterhin hoch.
Die Epidemiologin Katrine Wallace von der Universität Illinois wies auf TikTok auf Schwächen dieser Daten aus Israel hin. Sie erklärte, dass es in Bezug auf die mit 39 Prozent angegebene Wirksamkeit bisher zu wenige Daten gebe. So sei nicht klar, ob die Wirksamkeit des Impfstoffs wegen des zeitlichen Abstands zur bisher letzten Impfung abnehme, oder weil dieser weniger effektiv gegen die Varianten von Corona sei.
Das Internetseite Advisory Board, ein privates US-Unternehmen, das Akteure im weltweiten Gesundheitswesen berät, vermutet ebenfalls: Diese Zahl komme möglicherweise zustande, weil die Immunität der am Anfang des Jahres Geimpften abnehme – nicht die Wirksamkeit des Impfstoffes selbst.
Auch in Deutschland wird die Wirksamkeitsdauer der Impfstoffe diskutiert. Das RKI schreibt zu dem Thema: "Wie lange der Impfschutz anhält, ist derzeit noch nicht bekannt." Anfang August 2021 haben deshalb die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern über die Notwendigkeit einer dritten Impfdosis beraten (mehr dazu auch in diesem Faktencheck).
Was bedeutet das für die Infektion anderer?
Das RKI erklärt dazu auf seiner Homepage: "Auf Basis der bisher vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass die Viruslast (Anm. d. Red.: Menge der Viren) bei Personen, die trotz Impfung mit Sars-Cov-2 infiziert werden, stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt ist." Geimpfte spielen demnach bei der Verbreitung der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr. "In der Summe ist daher das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert", schreibt das RKI.
Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sieht keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit. "Zudem ist davon auszugehen, dass es keine weitreichenden Veränderungen in diesem Bereich geben wird, weil das auch die Fähigkeit des Virus beeinflussen könnte, in die Zielzelle einzudringen", schreibt das PEI dort ebenfalls.
Eine der oben genannten Quellen des Impfstoff-Forschers Schiffner erklärt für den Impfstoff von Biontech/Pfizer, dass die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem Geimpften anzustecken, um 65 Prozent geringer ist als bei einem Ungeimpften.
In einem Update zu aufkommenden Sars-CoV-2-Varianten und Covid-19-Impfstoffen erklärten die CDC am 13. August, dass Geimpfte nach einem Delta-Impfdurchbruch für eine kürzere Zeit als Ungeimpfte ansteckend zu sein scheinen. Dennoch: Eine von den CDC präsentierte Übersicht der aktuellen Forschung zeigt, dass der Schutz vor einer Delta-Infektion auch mit Covid-19-Symptomen bei Biontech/Pfizer und Moderna im Vergleich zur Alpha-Variante durchaus gesunken ist. Diese Ergebnisse werden von den unterschiedlichen Impfkampagnen im jeweiligen Land beeinflusst, etwa den Abständen zwischen Erst- und Zweitimpfung und der Mischung der Impfstoffe.

Der Fall Island und seine Übertragbarkeit
Das alles hat zur Folge, dass Infektionen trotz Impfung zwar unwahrscheinlicher, aber durchaus möglich sind. So geschehen etwa im eigentlich durchgeimpften Island. Die dortige Regierung kehrte laut Medienberichten (hier, hier) nach Lockerungen wieder zu härteren Corona-Maßnahmen zurück. Zwei Wochen nachdem dort etwa Clubs und Bars wieder ohne Masken und Tests besucht werden durften, kam zu einem starken Anstieg der Infektionen auch unter Geimpften.
In der Diskussion über die Ursachen steht der Impfstoff von Janssen im Mittelpunkt. Unter den aktuell Infizierten haben etwa die Hälfte diesen Impfstoff bekommen, berichtet der isländische Staatsfernsehsender RUV. Die allermeisten Infizierten seien zwischen 20 und 39 Jahre alt. Genau diese Gruppe hatte Janssen am häufigsten erhalten. In Island wird laut dem RUV-Bericht jetzt darüber gestritten, ob der Jannsen-Impfstoff genügend Schutz vor einer Infektion bietet oder nicht.
Wie bereits oben geschrieben, spricht das RKI dem Janssen-Impfstoff ebenfalls nur einen 65-prozentigen Impfschutz gegen Infektionen zu. Allerdings haben nur fünf Prozent der Geimpften in Deutschland und vier Prozent in Österreich den Impfstoff erhalten. Die Schweiz hat den Impfstoff zwar zugelassen, aber bis zum 20. August nicht bestellt.
Welchen Einfluss haben Covid-19-Impfungen auf Krankheitsverläufe?
Forschende gehen davon aus, dass die Impfungen auch bei Mutationen und den damit verbundenen bisher seltenen Impfdurchbrüchen den Covid-19-Krankheitsverlauf beeinflussen. Eine Covid-19-Erkrankung kann ganz ohne Symptome, mit leichten Symptomen wie etwa Husten und Schnupfen oder schweren Symptomen wie einer Lungenentzündung ablaufen. Covid-19 kann aber auch zum Tod führen.
Laut dem oben bereits genannten Fachartikel aus "The Lancet", auf den sich auch der Impfstoffforscher Schiffner stützt, schützt eine vollständige Biontech/Pfizer-Impfung zu 97,2 Prozent gegen Sars-Cov-2-bedingte Krankenhausaufenthalte und 96,7 Prozent gegen Sars-Cov-2-bedingte Todesfälle.
Das RKI fasste zu den beiden mRNA-Impfstoffen ebenfalls am 5. August zusammen: Die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe in Bezug auf die Verhinderung einer schweren COVID-19-Erkrankung liege bei 85 Prozent. Beim Vektor-Impfstoff AstraZeneca/Vaxzevria liege der Schutz bei etwa 95 Prozent, bei Janssen sogar bei etwa 100 Prozent.
In einem wissenschaftlichen Briefing der CDC vom 27. July 2021 sind Dutzende Studien zu genau diesen Fragen gelistet. Der Großteil dieser 36 Studien hat einen mehr als 90-prozentigen Schutz der jeweiligen Impfstoffe gegen schwere Verläufe, Hospitalisierungen oder Todesfälle ergeben.
Im Zusammenhang mit Mutationen heißt es im CDC-Briefing:
"Während die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen neu auftretende Sars-CoV-2-Varianten noch untersucht wird, deuten die verfügbaren Beweise darauf hin, dass die derzeit in den Vereinigten Staaten zugelassenen Covid-19-Impfstoffe Schutz vor bekannten neu auftretenden Varianten, einschließlich der Delta-Variante, bieten, insbesondere vor Krankenhausaufenthalt und Tod."
Im April 2021 haben sich außerdem 26 medizinische Fachgesellschaften, darunter die Gesellschaft für Virologie und die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, in einer gemeinsamen Stellungnahme für die in Deutschland eingesetzten Impfstoffe und ihre Vorteile in allen bisher genannten Kategorien geäußert. Sie empfehlen alle die Impfung als "entscheidenden Schritt zur Eindämmung der Pandemie".
Corona-Maßnahmen sehen keine Erleichterungen für Geimpfte vor?
Eine der auf Facebook geteilten Vergleichstabellen zeigt auch, dass es angeblich keine Unterschiede bei Corona-Maßnahmen für Geimpfte und Ungeimpfte gebe.
Welche Erleichterung für Geimpfte gelten, fasst die Informationsseite des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung allerdings hier zusammen.

Fazit: Der auf Facebook kursierende Vergleich von Geimpften und Ungeimpften ist irreführend. Geimpfte können sich und andere zwar mit Covid-19 anstecken, das Risiko dafür ist aber sehr viel geringer als bei Ungeimpften. Auch zeigen Studien, dass Geimpfte sehr viel seltener schwere oder tödliche Krankheitsverläufe haben als Ungeimpfte. Die Impfung macht also einen Unterschied. Weil gerade bei neuen Virus-Varianten ein Restrisiko bestehen bleibt, gelten für Geimpfte auch weiterhin Einschränkungen. Sie haben dennoch Erleichterungen, die Ungeimpfte nicht haben.