Nein, dieser Arzt aus Südafrika beweist keine Gefahr durch Spike-Proteine nach Corona-Impfungen
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- Veröffentlicht am 1. Dezember 2021 um 12:11
- 8 Minuten Lesezeit
- Von: Saladin SALEM, AFP Deutschland
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Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben die Behauptungen des südafrikanischen Arztes auf Facebook geteilt (hier, hier, hier). Auf Telegram sahen Hunderttausende einen Blog-Artikel über dessen Behauptungen (hier, hier, hier). Darin werden die Behauptungen des südafrikanischen Hausarztes Dr. Shankara Chetty aus einem Video-Interview besprochen (hier).
Auf LinkedIn gibt dieser an, eine private Praxis zu betreiben. Er verweist dort auch auf einen Artikel über seine Arbeit, der ihn als erfahrenen Allgemeinmedizinern beschreibt, der aus eigener Erfahrung über das Coronavirus berichte. Bei Pubmed und Google Scholar konnte AFP keine Corona-relevanten wissenschaftlichen Beiträge finden, welche von Chetty verfasst worden (hier, hier).
Die Falschbehauptung: Chetty behauptet, "Covid-Spritzen" hätten den Zweck, die Weltbevölkerung zu vergiften. Das Ganze geschehe heimlich, denn die resultierenden Todesfälle könnten der Impfung nicht zugeordnet werden. Grund dafür sei das nach der Impfung vom Körper produzierte Spike-Protein, dem die Menschen lange ausgesetzt seien. Es komme dadurch bei Menschen zu allergischen Reaktionen, wodurch diese dann erkranken und sterben würden. Der Impfstoff verursache Verletzungen in der Blutgefäßauskleidung. Das Spike-Protein werde zudem per mRNA im ganzen Körper verteilt, wo es in verschiedenen Geweben gebildet wird. Die betroffenen Gewebe würden als fremd erkannt und Autoimmunreaktionen würden ausgelöst. Bereits bestehende Krankheiten, wie Krebs oder Gefäßerkrankungen, würden verschlimmert. Zudem fänden sich Teile des HIV-Proteins auch im Spike-Protein wieder.
Behauptungen zur angeblichen Gefährlichkeit der bei einer Impfung produzierten Spike-Proteine widerlegte AFP in der Vergangenheit bereits mehrfach (siehe hier, hier, hier). Auch die aktuellen Äußerungen des südafrikanischen Arztes wiederholen diese Falschbehauptungen.
Was stimmt: Sogenannte Spike-Proteine gehören zur Kernstrategie von Impfungen gegen das Coronavirus. Diese Impfungen enthalten das Protein allerdings nicht selbst. Stattdessen vermitteln die Impfstoffe genetische Baupläne für das Spike-Protein. Die mRNA-Impfstoffe von Biontech, Moderna und Curevac nutzen dazu RNA-Schnipsel, um Muskelzellen im Körper zur Produktion von S-Proteinen anzuregen (mehr dazu hier). Die Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und Johnson/Johnson schleusen die genetische Information der Spikes dagegen mithilfe von ungefährlichen Adenoviren in den Körper ein (mehr dazu hier). Diese Spike-Proteine werden dann vom Körper erkannt und wieder abgebaut. Die so entstehende Immunreaktion schützt dann gegen das echte Coronavirus.
Spike-Proteine nach Impfungen sind laut Expertinnen und Experten nicht toxisch und enthalten auch kein HIV-Protein
Im Gegensatz zum Spike-Protein des Virus kann sich das S-Protein der Impfung nicht vermehren. Muskelzellen produzieren Letzteres hauptsächlich lokal und nur für einen kurzen Zeitraum, der Körper baut es dann wieder ab.
Peter Murray, Forschungsgruppenleiter für Immunregulation am Max-Planck-Institut, erklärte Ähnliches gegenüber AFP am 2. Juni in einer E-Mail. Er ergänzte, dass körperfremde Stoffe immer aus dem Körper entfernt würden. Ausnahme seien etwa von klein auf tolerierte Nahrung, Darmbakterien, Kleidung am Körper. Das Spike-Protein gehöre aber nicht zu diesen Ausnahmen. "Das bedeutet, dass es, egal was passiert, eingefangen und entfernt wird", erklärte Murray.
Harvard Medicine School Professor David Walt erklärte AFP am 11. Juni, es sei wahr, dass die Spikes, die bei einigen schweren Infektionen auftreten, toxisch sind. “Die Werte, die wir nach der Impfung bei einigen Personen messen, sind unglaublich niedrig, und wir fanden bei den meisten geimpften Personen keine vollständigen Spikes. Unsere Schlussfolgerung war, dass der Impfstoff wie beabsichtigt wirkt. Der Impfstoff ist unglaublich sicher!”
Auch der Virologe Frank Kirchhoff bestätigte das am 11. Juni gegenüber AFP: "Ich bezweifle, dass die Mengen an freiem Spike-Protein, die möglicherweise nach einer Impfung entstehen könnten, ausreichen, um schädliche Nebenwirkungen hervorzurufen."
Zudem hätten angeblichen durch Spikes verursachte Schäden bereits bei Geimpften auf der ganzen Welt sichtbar werden müssen. Die Anlagerung und die dadurch ausgelösten unerwünschten Effekte müssten bereits kurz nach der Impfung beginnen, wenn die Konzentration an mRNA und die dadurch ausgelöste Spike-Produktion hoch ist, erklärte Kirchhoff. Die meisten Impfkampagnen begannen im Dezember 2020. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse (hier, hier) belegten eine hohe Wirksamkeit und Sicherheit.
Mit Stand vom 29. November 2021 waren in Deutschland etwa 56,9 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verzeichnete in Deutschland bis zum 30. September 2021 172.188 gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit allen vier Impfstoffen. Ein ursächlicher Zusammenhang ist dabei noch nicht festgestellt worden.
Auch eine angebliche Überschneidung zwischen HIV- und Sars-CoV-2-Proteinen lässt sich nicht nachvollziehen. Auf AFP-Anfrage vom 29. November erklärten zwei Experten der Universitätsklinik Düsseldorf, Dr. Björn Jensen, Bereichsleiter Spezielle Infektiologie und Prof. Dr. Jörg Timm, Direktor des Instituts für Virologie:
"HIV und Sars-CoV-2 sind sicher nicht verwandt und kommen aus sehr unterschiedlichen Virenfamilien. Das in den mRNA-Impfstoffen kodierte Spike-Protein von Sars-CoV-2 hat daher keine Ähnlichkeit mit HIV-Proteinen oder ‘enthält’ diese."
Spike-Proteine wandern nicht durch den Körper und verursachen keine Verletzungen der Blutgefäße
Im Rahmen eines vergangenen Faktenchecks erklärte bereits Christian Münz, Professor für Virale Immunbiologie an der Universität Zürich, am 6. Mai gegenüber AFP, Spike-Proteine könnten bei nach der Impfung kaum ins Blut gelangen. "Damit das Spike-Protein Endothelzellen in Blutgefäßen schädigen könnte, müssten davon große Mengen im Blutstrom vorliegen," erklärte Münz. Dies sei aber nach Impfungen nicht der Fall. "Die Impfung wird intramuskulär verabreicht, dadurch kommt es hauptsächlich zur Expression von Spike in Muskelzellen."
Selbst wenn es eine solche Produktion im Blut geben würde, wäre dies nicht beunruhigend, erklärte der Tübinger Forscher Daniel Sauter in einem anderen AFP-Faktencheck zum Thema vom 17. Juni: "Der Nachweis von freiem Spike-Protein außerhalb der Injektionsstelle wäre nicht zwangsläufig mit Nebenwirkungen oder Toxizität verbunden und daher an sich nicht beunruhigend. Im Organismus zirkulieren Hunderttausende Proteine, die in verschiedenen Organen verstoffwechselt und abgebaut werden. Das Vorhandensein körperfremder Proteine im Blut ist nicht unbedingt mit toxischen Effekten verbunden."
Auch die Leiterin der Forschungsgruppe Biochemie und Bioorganische Chemie an der Universität Leipzig, Annette Beck-Sickinger, bestätigte dies gegenüber AFP bereits am 5. Mai. "Die entstandenen Spike-Proteine werden in der Muskelzelle zum Teil an der Oberfläche dem Immunsystem gezeigt oder in noch kleinere Teile geschnitten und über einen Präsentator den T-Zellen vorgeführt. Wir haben nach der Impfung somit kein freies Spike-Protein, das durch den Körper mäandert und unsere Gefäße zerstört. Die Muskelzellen sind fest im Muskel verankert."
Forscher Sauter erklärte gegenüber AFP am 17. Juni außerdem: “Im Organismus zirkulieren Hunderttausende Proteine, die in verschiedenen Organen verstoffwechselt und abgebaut werden. Das Vorhandensein körperfremder Proteine im Blut ist nicht unbedingt mit toxischen Effekten verbunden."
Entstehen durch die Spikes gefährliche Autoimmunreaktionen im Körper?
Das durch den Impfstoff erzeugte Spike-Protein ist nicht das Virus, es ist harmlos. Es wird wie beschrieben nur lokal produziert, kann sich nicht vermehren und wird nach kurzer Zeit vom Körper wieder abgebaut. Gefährlich ist nur das Sars-CoV-2-Virus (siehe auch hier). Ähnliche Behauptungen zu gefährlichen Immunantworten, welche durch die Impfung ausgelöst werden, widerlegte AFP bereits hier.
Das österreichische Gesundheitsministerium hält auf seiner Website ebenfalls fest: "Studien konnten bisher keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer neu aufgetretenen Autoimmunkrankheit bzw. einer chronisch-entzündlichen Erkrankung oder einem Schub einer bereits bestehenden Erkrankung belegen." Für Personen mit Autoimmunkrankheiten könnte eine Erkrankung mit Corona ein höheres Risiko darstellen. Das Robert-Koch-Institut kommt auf seiner Webseite zum selben Ergebnis.
AFP hat im Rahmen eines weiteren Faktenchecks am 7. Dezember 2020 beim Max-Planck-Institut für Biochemie nach unerwünschten Immunreaktionen ausgelöst durch Impfungen gefragt. Immunologe Peter Murray sagte in einem Telefonat: "Das ist reine Spekulation, die Ängste vor der Impfung auslösen kann."
Weiter erklärte er: "Die Wahrscheinlichkeit einer Immunreaktion durch den entwickelten Impfstoff gegen ein spezifisches körpereigenes Protein ist außerordentlich gering." Der Körper verfüge über eine sehr effiziente und präzise Verfahrensweise, um fremde Proteine von körpereigenen Proteinen zu unterscheiden - das Abwehrsystem greife keine Proteine des eigenen Körpers an. Eine Ausnahme bildeten Autoimmunkrankheiten, die nicht mit dem Einsatz des Impfstoffs zusammenhängen würden und einen besonderen medizinischen Umstand darstellten.
Fördern Spike-Proteine die Entstehung von Krankheiten?
Auch Behauptungen zur Entstehung von Krebserkrankungen, Herzinfarkten oder Entzündungen an Implantaten nach Impfungen widerlegte AFP bereits in der Vergangenheit (hier, hier, hier).
Eine Sprecherin des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) erklärte am 20. Oktober gegenüber AFP, im Zusammenhang mit der Impfung seien keine begünstigte Krebsentstehung beobachtet worden. "Es sind keine gestiegenen Fallzahlen im Zusammenhang mit der Impfung bekannt."
Ein Sprecher des Niederländischen Krebs-Instituts erklärte AFP zudem bereits am 27. August: "Mir sind keine Daten bekannt, die darauf hinweisen, dass das Vorhandensein dieser Impf-Immunisierung eine Immunantwort gegen Krebszellen negativ beeinflussen würde, und aufgrund des Wirkmechanismus der Impfstoffe gibt es auch keinen Grund, dies zu vermuten."
In einem Artikel der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie vom 11. März heißt es zudem: "Viele Krebspatient*innen befürchten, dass eine Impfung eine 'schlummernde' Krebserkrankung wieder zum Ausbruch bringen kann – aus zahlreichen Impfstudien mit Krebspatient*innen und anderen Impfstoffen gibt es keine Berichte darüber, dass tatsächlich Impfungen einen Krebsrückfall auslösen können." Die Informationen zeigten: Die Covid-19-Impfung löse Krebserkrankungen ebenso wie schwere Autoimmunerkrankungen und Unfruchtbarkeit weder aus noch verschlimmere sie sie.
Betreffend der angeblichen Herzinfarkte erklärt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in seinem Sicherheitsbericht vom 20. September zu den Nebenwirkungen aller Covid-Impfungen, dass "eine Analyse der Spontanmeldungen aus Deutschland zu Herzinfarkten und Lungenembolien kein Signal für alle vier Impfstoffe ergab". Dieser Bericht berücksichtigt Meldungen bis zum 31. August 2021.
Im aktuellen Sicherheitsbericht vom 26. Oktober heißt es zudem, nach mRNA-Impfungen sei in sehr seltenen Fällen eine Myokarditis, also eine Herzmuskelentzündung, festgestellt worden. Dieses betreffe vor allem junge Männer. Eine solche Entzündung kann in schweren Fällen zum Herzversagen führen. Jedoch würden sich laut PEI die meisten Patientinnen und Patienten schnell wieder erholen.
Auch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) hat für Österreich bis zum 19. November 2021 keine Herzinfarkte im "Bericht über Meldungen vermuteter Nebenwirkungen nach Impfungen zum Schutz vor Covid-19" als Nebenwirkungen aufgeführt.
Schlaganfälle werden im Sicherheitsbericht des PEI nicht speziell ausgewiesen. Es existieren jedoch Berichte über gemeldete Sinusvenenthrombosen. Dabei handelt es sich um Blutgerinnsel, welche in Hirnvenen auftreten. Eine solche Thrombose ist laut Deutscher Schlaganfall Hilfe eine "relativ seltene Schlaganfall-Ursache".
Laut PEI-Sicherheitsbericht ergab sich für den Astrazeneca-Impfstoff ein Risikosignal zu Sinusvenenthrombosen. Zur Beurteilung der Daten schreibt das Institut, die Melderate könnte aufgrund vermehrter Aufmerksamkeit und Diagnostik erhöht sein. Die Fallzahlen für Moderna und Janssen seien gering. Beim Biontech-Impfstoff sei es bei jungen Frauen zu einer leicht erhöhten, aber nicht signifikanten Melderate gekommen. Auch hier erklärt das PEI, es könne aufgrund erhöhter Aufmerksamkeit eine Verzerrung vorliegen.
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe erläutert auf Ihrer Webseite: "Jedes Jahr erleiden etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Da bereits etwa 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, ist es – rein statistisch – wahrscheinlich, dass einzelne Menschen kurz nach ihrer Impfung einen Schlaganfall erleiden. Ob ein Schlaganfall in direktem Zusammenhang mit der Impfung steht, muss individuell abgeklärt werden."
Fazit: Die Spike-Proteine der Impfung sind laut Expertinnen und Experten unbedenklich. Diese entstehen hauptsächlich an der Injektionsstelle, haben keine pathogenen Eigenschaften und werden vom Körper wieder abgebaut. Eine Verwandtschaft zu HIV-Proteinen besteht nicht. Verdachtsfälle von Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe listet das Paul-Ehrlich-Institut regelmäßig in Sicherheitsberichten auf. Berichte zu Sinusvenenthrombosen, welche Schlaganfälle verursachen können, existieren zwar. Eine Häufung von Krebs, Schlaganfällen oder Herzinfarkten im Zusammenhang mit der Impfung lässt sich allerdings nicht belegen. Die Fachorganisationen widersprechen einem Risiko öffentlich.