Belgischer Minister kam nach Streit mit Medwedew nicht ins Krankenhaus

Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges gerieten der belgische Verteidigungsminister Theo Francken und der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew Ende Oktober 2025 in sozialen Medien aneinander und tauschten persönliche Sticheleien und Beleidigungen aus. Daraufhin wurde online fälschlich behauptet, Francken sei mit Symptomen einer nervlichen Erschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert worden und sein "Ehemann" habe den Notruf gewählt. Das ist jedoch falsch. Der Verfasser des Beitrags gab zu, die Behauptung erfunden zu haben. Zudem fand AFP keine Medienberichte. Francken ist außerdem seit 20 Jahren mit einer Frau verheiratet.

"Der belgische Verteidigungsminister Theo Francken, der zuvor damit gedroht hatte, Moskau dem Erdboden gleichzumachen, wurde mit Symptomen schwerer nervöser Erschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert", heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 31. Oktober 2025. "Der Ehemann des Ministers, Eduard," habe einen Krankenwagen gerufen. Dazu wurde ein Foto des Ministers geteilt. Die Behauptung kursierte auch auf anderen Sprachen wie Slowakisch und Englisch.

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Facebook-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 18. November 2025

Mit einer erweiterten Websuche konnte AFP den ersten Beitrag mit der Falschbehauptung vom 30. November 2025 auf X finden. Er scheint in direktem Zusammenhang mit einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Francken und dem ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in sozialen Medien zu stehen. In dem X-Beitrag wird ein Post von Medwedew geteilt, der seit 2020 Vizechef des Sicherheitsrats Russlands ist. Darin bezeichnet er den belgischen Minister als "Idioten". Bei der Auseinandersetzung hatten sich die beiden Politiker wegen einer möglichen nuklearen Eskalation des andauernden Krieges Russlands gegen die Ukraine persönliche Sticheleien und Beleidigungen an den Kopf geworfen. 

Drohung von Francken löste Auseinandersetzung aus

Auslöser für das Wortgefecht war ein Interview des belgischen Ministers, das am 27. Oktober 2025 in der belgischen Tageszeitung De Morgen veröffentlicht wurde. Darin warnte Francken, dass man "Moskau von der Landkarte tilgen würde", sollte der russische Präsident Wladimir Putin jemals eine Atomwaffe auf Brüssel abfeuern. Das Interview wurde sogar mit diesem Zitat betitelt. Über die Auseinandersetzung wurde auch von deutschen Medien berichtet.

In seinem X-Beitrag vom 29. Oktober 2025, in dem er Francken als Schwachkopf bezeichnete, feierte Medwedew den angeblich erfolgreichen Test der russischen nuklearen Unterwasserdrohne Poseidon, die er als "wahre Weltuntergangswaffe" bezeichnete. 

Russlands Entscheidung, sowohl die Drohne Poseidon als auch die atomgetriebene Rakete Burewestnik zu testen, hat die Befürchtungen vor einer möglichen nuklearen Eskalation des Krieges in der Ukraine wiederbelebt. Gleichzeitig warf US-Präsident Donald Trump sowohl Russland als auch China vor, heimlich Atomwaffen zu testen. Trump nutzte diesen Vorwurf als Rechtfertigung, um das US-Verteidigungsministerium anzuweisen, Atomtests auf dem gleichen Niveau wie Moskau und Peking zu starten. Als Reaktion auf Trumps Ankündigung erklärte Putin am 5. November 2025, dass Russland die Wiederaufnahme von Atomtests in Betracht ziehen würde, sollten die USA mit Tests beginnen.

In seiner Auseinandersetzung mit Medwedew in sozialen Medien reagierte Francken auf die Beleidigung durch den ehemaligen russischen Präsidenten mit einem Beitrag auf Latein, der übersetzt lautet: "Reiner Friede steht Männern gut, heftiger Zorn steht wilden Tieren gut." Francken postete auch auf Instagram am 30. Oktober 2025 eine Antwort auf Medwedews X-Beitrag: "Russlands oberster Tyrann hört nie auf zu drohen und zu beleidigen. (...) Das Prinzip der 'Vergeltung' unseres Nato-Bündnisses ist seit 76 Jahren unumstritten. Es ist die Grundlage unserer Verteidigung. Das habe ich in dem Humo-Interview gemeint, und ich stehe zu jedem Wort." Humo ist eine belgische Wochenzeitung.

In einem Interview mit dem belgischen öffentlich-rechtlichen Sender RTBF am 3. November 2025 sagte Francken, dass seine Aussage, Moskau von der Landkarte zu tilgen, falsch interpretiert worden sei und dass er damit die Verteidigungsdoktrin der Nato zum Ausdruck bringen wollte, nicht eine proaktive Drohung. "Ich denke, es ist besser, das Interview zu lesen, das ich Humo gegeben habe", sagte Francken dem Sender. "De Morgen hat meine Aussagen auf boshafte, falsche und unfaire Weise paraphrasiert. Ich habe auf die Frage des Journalisten 'Wird Putin eine Atomwaffe nach Brüssel schicken?' mit Nein geantwortet, weil er weiß, dass wir dann Waffen nach Moskau schicken würden. Das ist seit 76 Jahren das Grundprinzip der Nato, das Prinzip der Vergeltung. Wenn wir angegriffen werden, schlagen wir sofort zurück."

Drohnen und Cyberattacken 

Die Auseinandersetzung zwischen Francken und Medwedew kam zu einer Zeit erhöhter Spannungen und Befürchtungen, dass sich der Krieg in der Ukraine ausweiten könnte, da Russland seine territorialen Ambitionen auf andere Länder in Europa richtet. 

Seit September 2025 tauchen verdächtige Drohnen im Luftraum mehrerer europäischer Länder auf. In der Nacht vom 9. auf den 10. September 2025 drangen russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein, worauf Polen mit Abwehrraketen reagierte. Allein in diesem Monat tauchten ähnliche Drohnen in mehr als zehn EU-Ländern auf. Als Reaktion auf die Reihe von Luftraumverletzungen durch Russland einigten sich die Verteidigungsministerinnen und -minister von rund zehn EU-Ländern am 26. September 2025 darauf, den sogenannten "Drohnenwall" zu einer Priorität für die Europäische Union zu machen.

Anfang November 2025 tauchten über dem belgischen Luftwaffenstützpunkt Kleine-Brogel unbekannte Drohnen auf. Dort werden vermutlich US-amerikanische Atomwaffen gelagert. Wie Francken am 3. November 2025 gegenüber RTBF erklärte, testeten in der ersten Phase "kleine Drohnen die Funkfrequenzen der belgischen Sicherheitskräfte", während in der zweiten Phase "große Drohnen eintrafen", die die Region und die Bevölkerung destabilisieren sollten. "Es ähnelt einer Spionageoperation. Ich weiß nicht, wer dahintersteckt. Wir haben einige Vermutungen, aber ich würde mit Spekulationen vorsichtig sein", fügte er hinzu.

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Belgiens Verteidigungsminister Theo Francken (Mitte) bei einem Gipfel im Nato-Hauptquartier in Brüssel am 15. Oktober 2025 (AFP / NICOLAS TUCAT)

Am 3. November 2025 berichtete das belgische Verteidigungsministerium, dass die Armee drei Nächte in Folge Drohnenflüge über Militärstützpunkten registriert hatte. Laut dem belgischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender VRT ordnete der Stabschef der belgischen Armee, Frederik Vansin, den Abschuss von Drohnen an, die sich den Stützpunkten näherten. Auch die zivilen Flughäfen in Brüssel und Lüttich stellten am 4. November 2025 kurzzeitig den Betrieb ein, da Drohnen gemeldet worden waren. Am Flughafen der Hauptstadt waren 80 Flüge betroffen und 400 bis 500 Menschen mussten die Nacht am Flughafen verbringen. Am Morgen des 5. November 2025 wurde der Betrieb wieder aufgenommen.

Am selben Tag ging von der prorussischen Hackergruppe NoName057 ein Cyberangriff auf die belgischen Websites der Telekommunikationsbetreiber Proximus und Scarlet aus. Auf Telegram bezogen sich die Hacker ausdrücklich auf Franckens Äußerungen, "Moskau dem Erdboden gleichzumachen". Sie schrieben in ihrer Erklärung: "Wir raten dem belgischen Minister, solche Äußerungen zu unterlassen."

Francken homophob beleidigt

Auf die Vermutung, dass Franckens "Ehemann" den Krankenwagen gerufen hätte, gab es homophobe Reaktionen, beispielsweise in einem Beitrag auf Facebook. Francken hat jedoch gar keinen "Ehemann", wie in der Behauptung fälschlich suggeriert wird.

Der Minister ist seit 20 Jahren mit einer Frau namens An verheiratet. Er veröffentlicht gelegentlich Bilder seiner Frau auf seinen Accounts in sozialen Medien. So etwa im Januar 2025 und zuletzt Ende Oktober 2025. Auch in belgischen Medien erschienen beispielsweise im Juni 2024 und Oktober 2024 Artikel, in denen Franckens Familie in Texten und Fotos erwähnt wurde.

"Die Behauptungen sind völlig falsch"

Die Person hinter dem ursprünglichen X-Beitrag gab zu, die Behauptung, Francken sei ins Krankenhaus eingeliefert worden, frei erfunden zu haben. Auf die Frage eines X-Nutzers nach der Quelle der Informationen antwortete die Person, die den Beitrag verfasst hat: "...nur Trolling nach seiner dummen Aussage und Medwedews Antwort." In einem weiteren Kommentar schrieb er: "Hast du jemals Witze/Sarkasmus/Trolling über dumme Aussagen/Menschen verwendet? Ich bin mir sicher, dass du das hast. Also, das ist der Fall."

Darüber hinaus erklärte der in X integrierte Chatbot Grok auf Anfrage einiger Nutzerinnen und Nutzer, dass es sich um eine "unbegründete Behauptung" handele. "Keine seriösen belgischen oder internationalen Nachrichtenagenturen berichten über Theo Franckens Krankenhausaufenthalt wegen nervöser Erschöpfung; diese Behauptung stammt ausschließlich aus prorussischen X-Accounts, die unbestätigte Gerüchte wiederholen", antwortete Grok beispielsweise auf eine Frage am 31. Oktober 2025. 

Die Person hinter dem Originalpost verwendete den Begriff "Euronews" in ihrem Beitrag, womit sie suggerierte, dass dieses Medienhaus die Quelle der Behauptung sei. Eine erweiterte Websuche ergab jedoch keinen Hinweis darauf, dass Euronews über die angebliche Krankenhausbehandlung von Francken berichtet hätte. Auch in anderen belgischen oder internationalen Nachrichtenberichten fand AFP keinen Hinweis darauf. Die Behauptung, der Minister sei ins Krankenhaus eingeliefert worden, erscheint unwahrscheinlich, da Francken im Zeitraum des angeblichen Aufenthalts weiterhin aktiv auf seinen Accounts auf Facebook, Instagram und X war.

AFP wandte sich auch an Franckens Sprecherin, um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu erhalten. Sie schrieb in einer E-Mail vom 4. November 2025: "Es scheint, dass manche Menschen das Bedürfnis haben, zu Spott und Erfindungen zu greifen. Die Behauptungen sind völlig falsch."

Weitere Faktenchecks mit Bezug zum Ukrainekrieg sammelt AFP auf der Website.

Fazit: Die Behauptung über den belgischen Verteidigungsminister Theo Francken, er sei ins Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem sein "Ehemann" den Notruf gewählt hätte, ist frei erfunden. Das erklärte der Verfasser des Originalbeitrags mit der Falschbehauptung in Kommentaren auf X. Die Sprecherin des Ministers dementierte die Behauptung ebenfalls. Die Falschinformation wurde nach einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Francken und dem ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew verbreitet.

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