Keine digitale Ausweispflicht: Zitat des britischen Premierministers wurde gefälscht

Der britische Premierminister Keir Starmer kündigte am 26. September 2025 Pläne für einen neuen landesweiten digitalen Personalausweis an, um die illegale Migration einzudämmen. Online wurde fälschlich behauptet, Starmer hätte gesagt, Menschen ohne digitalen Ausweis müssten für jede Identitätsprüfung 85 Pfund zahlen. Ein Video soll das angeblich beweisen. Doch tatsächlich wurden seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen. Im Video argumentierte er, dass solche Kosten durch den digitalen Ausweis vermieden würden.

"Keir Starmer sagt, wenn Sie kein Mobiltelefon haben, müssen Sie jedes Mal 85 £ zahlen, wenn Sie Ihre Identität nachweisen müssen, wenn Sie sich weigern, einen digitalen Ausweis zu haben", zitieren mehrere Facebook-Userinnen und -User am 25. Oktober 2025 den britischen Premierminister fälschlich. "Sie träumen davon uns als Sklaven zu halten. Heute England , morgen Deutschland", schrieb ein User. Manche warnten vor Einschränkungen – etwa dass "am Ende" nicht einmal das Einkaufen mehr möglich sei.

Die Behauptung erhielt ebenfalls auf Telegram und X tausende Aufrufe. Ähnliche Falschinformationen kursierten auf anderen Sprachen wie Bulgarisch, Englisch, Französisch und Griechisch.

Einige Beiträge enthalten einen kurzen Clip, in dem Starmer wörtlich sagt: "Sie können weiterhin Ihren Reisepass, Ihre Geburtsurkunde oder Ihre drei Bankkonten verwenden, wenn Sie möchten; Sie können jedoch auch jedes Mal, wenn Sie es benötigen, 85 Pfund an ein Unternehmen zahlen, um zu beweisen, dass Sie der sind, der Sie sind, oder Sie können den einfachen Weg gehen und sich eine digitale ID zulegen."

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Facebook- und Telegram-Screenshots der Behauptung, rote Kreuze von AFP hinzugefügt: 18. November 2025

AFP-Untersuchungen ergaben jedoch, dass der Clip gekürzt und Starmers Worte aus dem Zusammenhang gerissen wurden.

Zitat wurde falsch interpretiert

Eine umgekehrte Bildsuche mit einem Ausschnitt aus dem Clip zeigt, dass das Video während eines Besuchs von Starmer in Brighton am 23. Oktober 2025 aufgenommen wurde.

AFP fand ein anderes Video von Starmer im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten, in dem er ab Minute 00:50 ein Beispiel eines Paares anführte, mit dem er gesprochen habe. Er erzählte, dass das Paar gerade dabei war, ein Haus zu kaufen. Um eine Hypothek zu erhalten, hatten die Finanzberater der beiden ein privates Unternehmen beauftragt, ihre Identitäten zu überprüfen. Beide hätten jeweils 85 Pfund für diese Dienstleistung bezahlt, sagte Starmer. "Die Überprüfung ihrer Identität kostete also insgesamt 170 Pfund. Mit einer digitalen ID auf ihrem Smartphone hätte man sich all diesen Aufwand sparen können", fügte er hinzu.

Im selben Clip sagt Starmer in Bezug auf die digitale ID weiter, dass sie nicht verpflichtend sein werde. Das Büro des Premierministers stellte der Nachrichtenagentur Reuters das entsprechende Videomaterial des Gesprächs mit Journalistinnen und Journalisten in der Länge von 13 Minuten zur Verfügung, wie die Nachrichtenagentur am 30. Oktober 2025 schrieb.

Das online kursierende Video stammt vom Tiktok-Kanal der britischen Zeitung The i Paper. Auf seinem X-Account veröffentlichte Starmer am 23. Oktober 2025 ein Video, in dem er sagt, dass er sich in Brighton befinde und mit Bankkundinnen und -kunden über digitale Identifizierung spreche.

Starmer erinnerte in einem Beitrag auf X vom 24. Oktober 2025 an die Erfahrung eines Paares, das ein Haus gekauft habe. Die Frau habe Starmer erzählt, dass "sie dafür bezahlen musste, nur um ihre Identität zu bestätigen". Mit einem digitalen Ausweis, fügt er hinzu, "könnte das in Sekundenschnelle erledigt werden und die Kosten würden entfallen".

Starmer kündigte digitalen Personalausweis an

Am 26. September 2025 teilte die britische Regierung Pläne mit, bis 2029 ein neues digitales Identifikationssystem einzuführen. Der neue digitale Personalausweis soll beim Antritt eines neuen Jobs vorgelegt werden. Laut Starmer soll das Vorhaben Großbritanniens "Grenzen sicherer machen" und illegale Einwanderung eindämmen. 

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Großbritannien keine Personalausweise mehr ausgestellt. Reisepässe oder Führerscheine dienen seitdem als Ausweis. Es gab in den 2000er-Jahren schon einmal den Versuch, eine Art Personalausweis einzuführen. Der damalige Vorstoß stammte vom ehemaligen Premierminister Tony Blair, also ebenfalls von einer Labour-Regierung. Die Opposition hatte schließlich das Vorhaben blockiert.

Die Regierung sagte, der neue Ausweis solle mit der Zeit auch den Zugang zu anderen Diensten wie Kinderbetreuung, Sozialleistungen und Steuerunterlagen vereinfachen.

Die Pläne der Regierung stießen auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung. Eine Petition gegen die digitale ID erhielt mehr als 2,9 Millionen Unterschriften.

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Am 18. Oktober 2025 fand eine Demonstration gegen die Einführung digitaler Personalausweise in London statt (AFP / CHRIS J RATCLIFFE)

Laut Meinungsumfragen ist die Unterstützung für den Vorschlag nach dessen Ankündigung durch Starmer Ende September 2025 stark zurückgegangen.

Im Vereinigten Königreich ist eine Identitätsprüfung bereits in verschiedenen Situationen erforderlich: zum Beispiel bei der Registrierung eines Unternehmens oder dem Kauf von Immobilien. Um etwa Geldwäsche zu verhindern, wird die Herkunft von Finanzmitteln beim Kauf von Immobilien geprüft. Dafür können Käuferinnen und Käufer ihre Identität – gegen eine Gebühr – von einem Drittanbieter prüfen lassen. 

Bei einem Antrag für eine Hypothek kann der Durchschnittspreis für eine Identitätsprüfung laut einer Website für Immobilien- und Grundstücksverkaufsberatung bis zu 150 Pfund pro Person betragen.

Fazit: Online-Behauptungen zufolge soll der britische Premierminister Keir Starmer gesagt haben, dass der Identitätsnachweis in Großbritannien ohne digitale ID 85 Pfund kosten werde. Ein Video soll dieses Zitat belegen. Doch tatsächlich argumentierte er darin, dass solche Kosten durch den digitalen Ausweis vermieden werden könnten.

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